Die CDU gewinnt die Europawahl in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die SPD sieht sich durch ein kräftiges Plus gestärkt. Grund zur Zufriedenheit bei den Parteien – bis auf die FDP, die Wähler verliert.

Hannover/Kiel. Die CDU stärkste Kraft, die SPD mit kräftigen Zugewinnen Nummer zwei und die Grünen leicht geschwächt auf Rang drei: Über ihr Abschneiden bei der Europawahl haben sich die führenden Parteien in Niedersachsen am Sonntagabend zufrieden gezeigt. Ausnahme war die FDP, der im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren mehr als drei Viertel ihrer Wähler abhandenkamen.

Nach einem NDR-Trend gewinnt die CDU die Europawahl auch in Niedersachsen klar. Die Partei von Spitzenkandidat und Ex-Ministerpräsident David McAllister kommt danach auf 40,0 Prozent, das wären 0,8 Prozentpunkte mehr als 2009. Die SPD gewinnt stark dazu, sie erreicht nach dem NDR-Trend 33,1 Prozent. Die Grünen verlieren leicht und kommen auf 10,7 Prozent. Deutlichster Verlierer ist aber die FDP, die nur noch auf 2,3 Prozent kommt, das sind 7,9 Punkte weniger als 2009. Die Linke erreicht nach dem NDR-Trend in Niedersachsen 3,7 Prozent, die AfD 5,1 Prozent.

Die Wahlbeteiligung steigt deutlich von 40,5 auf 47,5 Prozent. „Das ist ein großartiger Abend für die CDU in Niedersachsen“, freute sich Generalsekretär Ulf Thiele. „Die Niedersachsen schätzen McAllister nach wie vor, das ist ein gutes politisches Comeback für ihn.“ Ministerpräsident Stephan Weil sah in der Konzentration des SPD-Europawahlkampfes auf Spitzenkandidat Martin Schulz den Hauptgrund für die klaren Zugewinne seiner Partei. „Ich freue mich nicht nur über die SPD-Ergebnisse, sondern sehr über die niedersächsische Wahlbeteiligung, die in diesem Jahr höher ist als noch 2009. Außerdem freue ich mich, dass die AfD in Niedersachsen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt geblieben ist“, sagte Weil.

Zufrieden mit dem Abschneiden der eigenen Partei zeigte sich der grüne Umweltminister Stefan Wenzel. „Zweistellig insgesamt ist ein sehr gutes Ergebnis.“ Zusammengerechnet hätten die niedersächsischen Regierungsparteien SPD und Grüne zugelegt. Mit Blick auf die gestiegene Wahlbeteiligung sagte Wenzel, dass die Krise in der Ukraine den Menschen gezeigt habe, wie wichtig Europa auch als Garant für den Frieden ist. Niedersachsens FDP-Chef Stefan Birkner bedauerte den Absturz der Liberalen. „Das ist natürlich ein Ergebnis, das enttäuschend ist.“ Wenn die FDP mit voraussichtlich drei Sitzen im Europaparlament vertreten sei, bedeute dies zumindest den Wiedereinzug der niedersächsischen Kandidatin Gesine Meißner.

Höhere Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein

Die CDU hat sich bei der Europawahl trotz Verlusten nach einer Schätzung der Landeswahlleitung auch in Schleswig-Holstein als stärkste Kraft behauptet, doch die SPD holte deutlich auf. Am Sonntag lagen die Christdemokraten im nördlichsten Bundesland nach der Auszählung von 80 der fast 2400 Wahlbezirke mit 34,4 Prozent nur noch um 1,8 Punkte vor den Sozialdemokraten, die 32,6 Prozent erreichten. Vor fünf Jahren betrug die Differenz noch 13,3 Punkte.

Erfreut verkündete Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler eine höhere Wahlbeteiligung als 2009 (36,8 Prozent). Dieses Mal hatten bereits bis 17.30 Uhr 40,6 Prozent die Stimme abgegeben. Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF sowie der Schätzung der Landeswahlleiterin schnitt die CDU im Norden schlechter ab als ihre Partei im Bund insgesamt, die SPD dagegen erheblich besser. Die Sozialdemokraten legten um 8 Punkte gegenüber 2009 zu, als sie mit 24,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten hatten. Bei der Landtagswahl vor zwei Jahren lag die CDU mit 30,8 Prozent minimal vor der SPD, die damals 30,4 Prozent bekam.

Die Grünen im Norden verfehlten mit 12,1 Prozent ihr Ergebnis von 2009 um 1,4 Punkte. Die FDP blieb mit 3,4 Prozent beträchtlich unter den 12,7 Prozent von vor fünf Jahren. Die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) erreichte 6,7 Prozent, die Linke 4,5 und die Piratenpartei 1,6 Prozent.

Von einem großen Erfolg seiner Partei sprach SPD-Landeschef Ralf Stegner. „Wir haben auch und gerade in Schleswig-Holstein gezeigt, dass ein klarer Kurs für soziale Gerechtigkeit, der sich nicht nach rechts anbiedert, die Menschen besonders überzeugt.“ Eher enttäuscht zeigte der CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidat im Norden, Reimer Böge. „Wir hätten uns schon etwas mehr erwartet“, sagte er. Gegenüber der Landtagswahl habe sich seine Partei jedoch „ein Stück weit verbessert“.

FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki sah ein frustrierendes und „hundsmiserables“ Ergebnis für seine Partei. „Aber es haut uns nicht um.“ Von einem ernüchternden Resultat sprach der FDP-Landesvorsitzende Heiner Garg. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte dagegen Grünen-Landeschefin Ruth Kastner zum Abschneiden ihrer Partei. Mein Bauchgefühl ist voll aufgegangen.“ Die Spitzenkandidatin der Landes-SPD, Ulrike Rodust, wertete den Erfolg der AfD als entsetzlich. „Ich finde das sehr bedrückend.“ Sie habe große Bedenken, was die Zusammenarbeit mit dieser Partei betrifft.

Unzufrieden waren die Piraten. Landtagsfraktionschef Torge Schmidt nannte den Ausgang der Wahl bei Twitter „für den Arsch“. Schon vor Bekanntgabe der offiziellen Endergebnisse war klar, dass Böge (62) und Rodust (64) wieder in das EU-Parlament einziehen. Böge ist dort seit 1989 vertreten, Rodust – sie stand auf Platz 12 der Bundesliste – seit 2008. Mit dem Absturz ihrer Partei verlor Britta Reimers (42) von der FDP ihr Mandat. Dagegen sah es am Abend danach aus, dass von der AfD deren Landesvorsitzende Ulrike Trebesius (44) in das Parlament gewählt wurde. Sie hatte Platz 6 auf der Bundesliste.

Von den 751 EU-Abgeordneten stellt Deutschland 96. Im nördlichsten Bundesland waren 2,26 Millionen Menschen wahlberechtigt und damit mehr als je zuvor. Schon im Laufe des Tages hatte sich angedeutet, dass die Beteiligung höher ausfallen würde als 2009. Wahlleiterin Söller-Winkler sagte, bis Schließung der Wahllokale seien keine größeren Probleme beim Ablauf bekanntgeworden.

CDU verteidigt Spitzenplatz in MV

In Mecklenburg-Vorpommern hat die CDU ihre Vormachtstellung als führende Kraft in den Kommunen und in der Europapolitik ausgebaut. Am frühen Abend zeichneten sich haushohe Siege der CDU bei beiden Wahlen ab. Weit dahinter rangen die SPD von Ministerpräsident Erwin Sellering und die Linke als größte Oppositionskraft im Nordosten um Rang zwei im Parteiengefüge. Bei den Kommunalwahlen legte die CDU, die mit Abstand die meisten Bewerber ins Rennen geschickt hatte, nach dem Tief von 2009 wieder zu.

Nach Auszählung der Hälfte der 1990 Wahlbezirke lag die Union am Abend mit 34 Prozent der Stimmen weit vorn. Wie aus den ständig aktualisierten Zwischenständen weiter hervorging, lieferten sich Linke und SPD dahinter mit jeweils etwa 20 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Grünen lagen nach diesem Zwischenstand bei etwa 5 Prozent, die NPD bei rund 3 Prozent. Alle anderen Parteien und Wählervereinigungen zusammen kamen bei den Wahlen zu den sechs Kreistagen und den Stadträten der beiden kreisfeien Städte Rostock und Schwerin auf rund 14 Prozent.

Nach Auszählung des Großteils der Stimmen zur Europawahl lag die Nordost-CDU mit gut 34 Prozent ebenfalls weit vorn. Sie legte damit gegen den Trend der Bundes-Union zu. Auf Platz zwei lag nach Auszählung von fast 1850 der 2030 Wahlbezirke Mecklenburg-Vorpommerns die SPD mit 21,5 Prozent. Die Linke drohte erstmals bei einer Europawahl unter 20 Prozent zu rutschen. Der CDU-Landesvorsitzende Lorenz Caffier äußerte sich angesichts der absehbaren Wahlsiege seiner Partei zufrieden. Verlässlichkeit, Kontinuität und Belastbarkeit zahlten sich aus, sagte Caffier am Abend. Ob Werner Kuhn für die CDU wieder ins Europäische Parlament einziehen wird, war am Abend noch unsicher. Besorgt äußerte sich Caffier über eine sich abzeichnende hohe Zustimmung für die NPD im Landkreis Vorpommern-Greifswald.

Sellering reagierte mit Freude auf die Zugewinne der Sozialdemokraten bei der Europawahl. „Das ist ein wirklich gutes Europawahl-Ergebnis für die SPD“, sagte er. Die SPD konnte bundesweit auf rund 27 Prozent hoffen, ein Plus von 6 Prozentpunkten gegenüber 2009. Auch in Mecklenburg-Vorpommern legte die SPD nach 16,7 Prozent vor fünf Jahren laut Zwischenergebnis spürbar zu. „Ich hoffe, dass wir mit Iris Hoffmann künftig wieder im Europäischen Parlament vertreten sind“, sagte Sellering. Die frühere Bundestagsabgeordnete steht auf Listenplatz 26 und könnte es gerade schaffen. Vierte Kraft bei der Europawahl wurde überraschend die europakritische AfD, die mit knapp 7 Prozent Zustimmung die Grünen (5 Prozent) hinter sich ließ. Die FDP büßte dramatisch ein und landete im Land mit knapp zwei Prozent nur wenig vor der Familien-Partei. Deren Bundesvorsitzender Arne Gericke aus Tessin bei Rostock konnte sich Hoffnungen auf einen Platz im EU-Parlament machen. Der 49-Jährige führt die Kandidatenliste der Familien-Partei Deutschlands an, die in Mecklenburg-Vorpommern am frühen Abend bei 1,6 Prozent und bundesweit bei 0,7 Prozent lag.

Die Wahlbeteiligung zur Europawahl erreichte mit rund 45 Prozent nicht ganz den Stand von 2009, als im Nordosten 46,6 Prozent der Wähler ihr Stimmrecht nutzten. Vor allem in Rostock zeichnete sich eine sehr geringe Beteiligung ab. Am Sonntag wählten die knapp 1,4 Millionen Wahlberechtigte neben Abgeordneten des Europaparlaments auch die Mitglieder der Gemeinde- und Stadträte sowie der sechs Kreistage. Zudem wurden in vielen kleinen Gemeinden ehrenamtliche Bürgermeister und in Nordwestmecklenburg ein neuer Landrat gesucht. Die Ergebnisse dazu wurden erst weit nach Mitternacht erwartet. Um die 7561 Sitze in den 749 Gemeinde- und Stadtvertretungen hatten sich fast 14.000 Kandidaten beworben. Weitere 2418 Bewerber gab es für die sechs Kreistage und die Räte der kreisfreien Städte Rostock und Schwerin. Dort waren zusammen rund 520 Mandate zu vergeben.