Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, kritisiert, dass die Endlager-Suche nicht bundesweit und ergebnisoffen geführt wird.
Berlin. Die Grünen sehen nur bei deutlicher Bewegung der Regierung Chancen für eine rasche Einigung auf eine neue Suche nach einem Atommüll-Endlager. Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin wirft Umweltminister Peter Altmaier (CDU) Untätigkeit vor. Zudem sieht er Kräfte in seinem Ministerium am Werk, die den Salzstock Gorleben durchsetzen wollen, statt bundesweit und ergebnisoffen nach Alternativen zu suchen.
Herr Trittin, das Endlagerspitzentreffen am Donnerstag wurde abgesagt, ist die Chance auf eine historische Einigung vertan?
Trittin: „Die Voraussetzung für weitere Gespräche ist, dass das Bundesumweltministerium einen neuen, vollständigen Gesetzentwurf vorlegt, der Lösungen aufzeigt für die vier Dissenspunkte: Umgang mit Gorleben, die Frage, welche Sicherheitskriterien im Gesetz festgeschrieben werden, die Anzahl untertägig zu erkundender Standorte und wer wird Vorhabenträger und sucht die Standorte aus. Um diese Fragen kreisen wir seit April.“
Ist trotz des Gorleben-Disputs noch eine Lösung vor der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar realistisch?
Trittin: „Jetzt sind wir dank Altmaiers Untätigkeit in einer Situation der extremen Verzögerung, die dazu führen kann, dass dies zu einem parteipolitischen Streitthema im Wahlkampf werden kann, obwohl man doch eigentlich einen Konsens will. Das ist nicht unsere Verantwortung. Wir waren auch zu Kompromissen bereit, haben auch gesagt, wenn sie unbedingt ein neues Institut für die Endlagersuche haben wollen, sollen sie es haben. Und das obwohl ich das Bundesamt für Strahlenschutz für völlig ausreichend halte.“
Warum ist dieses neue Institut bei der Endlagersuche ein so großes Problem?
Trittin: „Wenn dies nicht an Weisungen gebunden sein soll, ist dies die Wiederholung des Modells beim maroden Atommülllager Asse mit all seinen negativen Entwicklungen. Das geht nicht, es muss bei allen Verfahrensschritten eine demokratische Kontrolle möglich sein.“
Warum ist dieser Streit um die Organisationsstruktur, also wer das Sagen bekommt, neben dem Umgang Gorleben ein solcher Knackpunkt?
Trittin: „Es mehren sich die Indizien, dass von Teilen des Ministeriums und den dahinter stehenden ökonomischen Kräfte der Betreiber gar nicht daran gedacht wird, einen ergebnisoffenen Endlagerauswahlprozess zu machen. Sie wollen ein nachträgliches Gorleben-Legalisierungsgesetz, mit dem das nicht-fachgerechte Vorgehen bei Gorleben im Nachhinein durch ein Vergleichsverfahren legitimiert werden soll.“
Lenken Sie nicht ab von der Uneinigkeit der Grünen, ob Gorleben bei einer neuen Suche im Topf bleiben soll oder nicht?
Trittin: „Auch die Grünen in Niedersachsen haben den Vorstoß für eine weiße Landkarte, den insbesondere Winfried Kretschmann gemacht hat, von Anfang an unterstützt. Nur wenn sich in den Dissenspunkten die Bundesregierung so verhält, wie sie sich verhält, kann man verstehen, dass man da in Niedersachsen nach 30 Jahren Kampf gegen Gorleben besonders sensibel reagiert. Insbesondere nach den Erfahrungen bei der Asse.“
Kanzlerin Angela Merkel hat im Gorleben-Untersuchungsausschuss jüngst betont, eine Nicht-Eignung Gorlebens sei bis heute nicht bewiesen.
Trittin: „Mich haben die Äußerungen gewundert. Die Kanzlerin hat den Eindruck vermittelt, als wolle sie an Gorleben um jeden Preis festhalten. Dazu passt das jüngste Vorgehen von Herrn Altmaier.“