In dem Ort bei Hannover regt sich Widerstand: Rechte haben ein früheres Nazi-Gefängnis der Briten zum neuen Ziel ihrer Aufmärsche erkoren.

Bad Nenndorf. Rund 1.000 Menschen haben am Sonnabend in Bad Nenndorf bei Hannover gegen einen Aufmarsch von Neonazis demonstriert . Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, prangerte das Versagen des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung der Mordserie der rechtsradikalen NSU an. Der Rechtsextremismus speise sich aus einer Mischung aus legalen Parteien, halblegalen Kameradschaften und Kriminellen: "Das muss ausgemistet werden.“

Trittin forderte einen Neuanfang beim Verfassungsschutz. "Wir brauchen einen Dienst, der intelligent genug ist, die Strukturen des Neonazismus zu erkennen.“ Am Sonnabendnachmittag zogen etwa 460 Neonazis zum "Wincklerbad“ in Bad Nenndorf, das von der Kurverwaltung genutzt wird. Dort befand sich von 1945 bis 1947 ein britisches Militärgefängnis für Nazis. Es wird befürchtet, dass Rechtsextremisten das "Wincklerbad“ zu einer nationalsozialistischen Wallfahrtsstätte machen wollen.

Die Neonazis trafen verspätet in der Kurstadt ein, da offenbar Züge von antifaschistischen Initiativen blockiert wurden und Busfahrer streikten. Für Aufregung sorgten zunächst vier Gegendemonstranten, die sich in der Nähe des "Wincklerbads“ festketteten, um den Neonazis den Platz streitig zu machen. Die Polizei ließ sie aber gewähren, versorgte sie medizinisch und sperrte die Stelle ab. Außer einigen Platzverweisen für linke Blockierer verlief der Tag nach Polizeiangaben friedlich.

Auf der Gegendemonstration forderte der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), die über Jahre unentdeckte Mordserie müsse vollständig aufgeklärt werden: "Das schulden wir unserer demokratischen Selbstachtung, damit sich so etwas nicht wiederholt.“ Auch der evangelische Weltanschauungsbeauftragte Jürgen Schnare warnte vor den Gefahren des Antisemitismus.

Am Morgen hatten rund 200 Menschen einen ökumenischen Gottesdienst unter dem Motto "Unser Kreuz hat keine Haken“ gefeiert. "Rassismus ist Sünde, und Rechtsextremismus ist keine Meinungsäußerung, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte der evangelische Superintendent Andreas Kühne-Glaser im Kurpark. Auch Vertreter der jüdischen Gemeinde waren unter den Teilnehmern.

Bürger von Bad Nenndorf hatten viele Häuser mit bunten Schals geschmückt und Plakate ausgehängt, um gegen die Neonazis zu protestieren. Schon am Freitagabend gab es eine Menschenkette. Am Sonnabend feierte man spontane Partys in der Innenstadt, vor eine Schule spielte eine Samba-Gruppe. Viele Geschäfte blieben geschlossen.