Wegen der erheblichen Geräuschkulisse hatten sich die Rechtsextremen gestört gefühlt. Folgeaufmarsch in Hannover von Initiatoren abgesagt.

Bad Nenndorf/Hannover. Unter lautstarkem Protest haben knapp 500 Rechtsextreme am Sonnabend im niedersächsischen Bad Nenndorf ihre Kundgebung am Wincklerbad beendet. Wegen der erheblichen Geräuschkulisse der Gegendemonstranten hätten sich die Neonazis gestört gefühlt, sagte ein Polizeisprecher. Am Abend waren die Rechtsextremen auf dem Rückweg zum Bahnhof. Für diese Strecke kündigten linke Gruppen weitere Blockaden an, um die Abreise der Neonazis nach Hannover zu verzögern. Kurze Zeit später meldeten die Initiatoren die Veranstaltung offiziell ab. Hintergrund sind vermutlich die zahlreichen Blockaden der Gegner in Bad Nenndorf. Bereits der Trauermarsch durch Bad Nenndorf war am Sonnabend etwa dreieinhalb Stunden durch Blockaden verzögert worden.

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Eigentlich wollten die Rechtsextremen in Hannover um 18.30 Uhr auf dem Zentralen Omnibus Bahnhof zusammenkommen. Das Verwaltungsgericht hatte den Rechtsextremisten verboten, durch die Innenstadt zu ziehen. Am Abend sammelten sich in der Nähe knapp 300 Gegendemonstranten. Zahlreiche Polizisten sicherten den Bereich rund um den Bahnhof.

An der Aktion „Bad Nenndorf ist bunt“ beteiligten sich am Sonnabend bis zu 700 Menschen, wie ein Polizeisprecher in der Kurstadt sagte. Es kam zu Blockaden am Bahnsteig in Bad Nenndorf, wo sich unter anderem acht Protestler mit Fahrradschlössern am Hals aneinandergekettet hatten und somit den anreisenden Bahnverkehr vorübergehend lahmlegten.

Das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ unterstützen auch der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, und der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Dabei forderte Trittin eine offene Auseinandersetzung mit dem Rassismus im Alltag. Das Spiel konservativer Politiker wie dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer mit fremdenfeindlichen Vorurteilen mache Neonazis salonfähig, sagte er. Ferner sprach sich Trittin erneut für ein Verbot der NPD aus und forderte mit Blick auf die Mordserie der NSU, „beim Verfassungsschutz neu anzufangen anstatt nur ein paar Führungsleute auszuwechseln.

Seit 2006 ziehen Rechtsextremisten aus dem In- und Ausland jeden Sommer zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Verhörzentrum für gefangene Nationalsozialisten eingerichtet. “Aus Tätern sollen Opfer gemacht werden„, sagte Trittin weiter und warf den Neonazis “eine grandiose Geschichtsfälschung„ vor.

Nach Einschätzung von Bad Nenndorfs Bürgermeisterin Gudrun Olk (SPD) sind Neonazis “ausdrücklich nicht erwünscht„ in der Stadt. “Bad Nenndorf bleibt ein Ort der Demokratie und Toleranz, in der Feinde der Demokratie keinen Platz haben", sagte sie.

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“Wir sind weder bereit, unsere Straßen und Plätze diesen Menschenfeinden zu überlassen, noch die Herzen und Köpfe der nachwachsenden Generation„, sagte Edathy. Rechtsextremismus sei zwar ein Stück Realität in unserem Land, doch er dürfe von Demokraten nicht als Normalität akzeptiert werden.

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Die Polizei war am Sonnabend mit etwa 2.000 Kräften und einer Drohne für Übersichtsaufnahmen im Einsatz. Im Vorfeld hatten die Einsatzkräfte mit rund 2.000 Gegendemonstranten gerechnet. Auf Seiten der Rechtsextremen zählten die Beamten am Nachmittag etwa 500 Teilnehmer. 2011 waren 580 Rechtsextreme nach Bad Nenndorf gekommen, 2010 mehr als 1.000. Mindestens ein Busfahrer des Schienenersatzverkehrs soll sich am Sonnabend geweigert haben, die Rechtsextremen in den Kurort zu fahren. So musste ein Teil der Neonazis zu Fuß von Haste nach Bad Nenndorf laufen.

Bereits seit Freitag hatten sich vier Gegendemonstranten mit ihren Armen an eine sogenannte Blockade-Pyramide gekettet. Die Aktivisten lagen nach eigenen Angaben seit Freitagabend um 20.00 Uhr auf dem Platz vor dem Wincklerbad. Die Außenhülle der Pyramide besteht der Polizei zufolge aus Metall. Mit einer Endoskopkamera blickten die Beamten am Morgen ins Innere und überprüften den Aufbau. Auch wurden die unter einem Zelt vor Regen geschützten Angeketteten ärztlich untersucht und später auch verpflegt. Um sie nicht zu verletzen, wurden die vier Protestler zunächst nicht aus der Pyramide befreit. Auch habe die Blockade den Aufmarsch der Rechtsextremen nicht gestört, sagte der Polizeisprecher weiter.

Mit Material von dapd