Berlin/Lüneburg. Schubboot wird zwischen Berlin und Hamburg unterwegs sein. Was es so besonders macht und wieso es den Lüneburger Hafen braucht.

Binnenschiffe transportieren Güter relativ klimaschonend, aber es geht noch besser: Forschende der Technischen Universität Berlin haben ein Schubboot entworfen, das emissionsfrei unterwegs ist: „Elektra“ fährt mit grünem, mit Windstrom erzeugtem Wasserstoff durch die Berliner Gewässer. Im Herbst soll der Prototyp seine erste Fernreise nach Hamburg antreten, viele weitere sollen folgen. Dabei spielt der Hafen Lüneburg eine zentrale Rolle.

Im Lüneburger Hafen am Elbeseitenkanal wird das Schubboot Wasserstoff und Strom nachtanken können. Die Lüneburger Hafen GmbH ist Kooperationspartner des Entwicklungsprojekts, das weltweit einmalig ist. „Elektra“ ist ein Schubboot, das einen Schwergutleichter namens „Ursus“ durch das Wasser bewegen wird, zunächst zwischen Berlin und Hamburg. Es können auch mal zwei Leichter vorgespannt werden, sofern der Schubverband nicht länger als 150 Meter wird. Solche Verbände sind auf der Elbe oberhalb Hamburgs gang und gäbe. Doch sie fahren normalerweise mit Dieselkraftstoff (Marine Diesel).

Auch die Akkus können in Lüneburg an der Kaikante nachgeladen werden

„Elektra“ wird mit zwei Elektromotoren mit jeweils 210 Kilowatt (285,5 PS) Leistung angetrieben. Der Strom wird von bordeigenen Brennstoffzellen erzeugt. Sie nutzen dazu gasförmigen Wasserstoff. Er wird unter Hochdruck (500 bar) gelagert. Später stehen dafür sechs Spezialbehälter, sogenannte Multiple-Element Gas Container, zur Verfügung, die jeweils 125 Kilogramm Wasserstoff aufnehmen. Leere Container können in Berlin und Lüneburg mit dem bordeigenen Kran gegen volle ausgetauscht werden. Auch Strom kann in Lüneburg bezogen werden – über einen Ladegalgen an der Kaikante.

750 Kilogramm Wasserstoff und eine Akku-Kapazität von stolzen 2050 Kilowattstunden verleihen dem auf der Schiffswerft in Derben (nördlich von Magdeburg) gebauten Schubschiff eine Reichweite von rund 400 Kilometern, mit dem beladenen „Ursus“. In den nächsten beiden Erprobungsphasen im April/Mai sowie Juni/Juli wird „Elektra“ allerdings noch im Einzugsgebiet des Berliner Westhafens unterwegs sein. „Die Container stehen noch nicht zur Verfügung. Sie sind für den Landtransport noch nicht technisch abgenommen“, sagt Klaus-Günter Lichtfuß, Prokurist bei der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (BEHALA). Sie ist Eigentümerin des Schubschiffs.

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Im Oktober könnte dann die erste geplante Probefahrt nach Hamburg erfolgen

Die Behälter werden auf der Straße zu den Ladestationen in Berlin und Lüneburg transportiert; dabei passen alle sechs Gascontainer auf einen Lkw. Beide Landstationen werden voraussichtlich im Herbst 2023 in Betrieb gehen. Dann ist der Weg nach Hamburg für „Elektra“ geebnet, so dass die im Oktober geplante Probefahrt und weitere Testfahrten in 2024 vornehmlich zwischen Berlin und der Hansestadt erfolgen werden.

„Wir müssen mit der Energie haushalten und haben ein Niedrigenergieschiff gebaut“, sagt Lichtfuß. So wird die Abwärme der Brennstoffzellen beispielsweise zum Heizen der Räume und des Steuerhauses genutzt. Weitere Energie wird für die Besatzung benötigt, die an Bord wohnt, kocht und wäscht. Selbst die Akkumulatoren brauchen eine bestimmte „Wohlfühltemperatur“ für einen effizienten Betrieb und eine lange Lebensdauer. All das muss bei begrenzter Energiemenge ohne Reichweitenverlust funktionieren.

Dem Wasserstoffschiff sollen viele andere folgen

Noch sind die Projektteilnehmer in der Lernphase, Ende 2024 läuft das 14,6 Millionen Euro teure Projekt dann aus (es wird vom Bundesverkehrsministerium mit gut neun Millionen Euro gefördert). Nach Projektabschluss wird die BEHALA das Schiff von der TU Berlin übernehmen. Es wird dann verchartert, und der Berliner Hafenbetreiber wird es auch selbst nutzen. „Die eigene Hauptverkehrsleistung beinhaltet den Turbinentransport zwischen Berlin und Hamburg“, sagt Lichtfuß.

Das ausgeklügelte Energiesystem ist so konzipiert, dass es auf eine Vielzahl von Binnen- und Küstenschiffstypen unterschiedlicher Größe übertragbar ist. Auch Personenschiffe und Sportboote könnten zukünftig damit fahren. Klaus-Günter Lichtfuß ist optimistisch, dass „Elektra“ mit ihrer zukunftsträchtigen Technik kein Einzelfall bleiben wird. Das Konzept mache die Technik hinsichtlich der Betriebskosten in absehbarer Zeit konkurrenzfähig, sagt der Logistikexperte. Bei den Anschaffungskosten gebe es staatliche Fördermöglichkeiten, die die Preisdifferenz zwischen dem herkömmlichen Diesel- und dem deutlich teureren Wasserstoffantrieb abfedern können.