In Lüneburgs historischem Hafen soll das durch Feuer zerstörte Lösecke-Haus originalgetreu wieder aufgebaut werden. Der Wiederaufbau des stadtbildprägenden Hauses kann aber frühestens im Sommer beginnen.

Lüneburg. Er ist das Herz der Stadt. Das ist keine Floskel. Am Lüneburger Stintmarkt hat das Leben schon vor Jahrhunderten pulsiert. Und tut es noch heute. Doch Lüneburgs berühmteste Kneipengasse muss eine Wunde verschmerzen, wie es sie seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Inmitten historischer Fachwerkhäuser ist im Dezember mit dem Lösecke-Haus ein Schatz abgebrannt, ohne den der Hafen nur halb so hübsch ist. Berühmt wurde die Häuserzeile durch die ARD-Serie „Rote Rosen“. Der Wiederaufbau des stadtbildprägenden Hauses ist geplant, kann aber frühestens im Sommer beginnen.

Ohne das Romantikpaket aus Ilmenau mit Wasserrauschen, altem Kran und schmucken Giebelgeschwistern könnten Lüneburgs Marketingprofis einpacken. Da kann die Stadt noch so stolz mit ihren 1300 Baudenkmälern protzen und ihren reichen Patrizierhäusern, die den Zweiten Weltkrieg schadlos überstanden haben. Ohne ihr Herz im Hafen wäre die Stadt lange nicht so liebenswert – und würde wohl nie die sieben Millionen Tagestouristen im Jahr anziehen, die derzeit die Statistik zählt.

Es ist die Nacht zum 2. Dezember, in der nicht nur ein Postkartenmotiv brennt, sondern das Zuhause von einem Dutzend Menschen. Das Feuer bricht im Erdgeschoss aus, in einem italienischen Restaurant. Den Bewohnern der oberen Stockwerke passiert körperlich nichts, alle können sich rechtzeitig retten. Wohnung, Hab und Gut aber sind verloren. Zwar können Feuerwehrleute aus Lüneburg und Hamburg die Flammen löschen, doch das Gebäude ist nicht zu retten. Abbruch, sagen die Statiker noch am selben Tag.

Auch der Inhaber des italienischen Restaurants verliert in dieser Nacht seinen Betrieb. Die Sonderkommission der Polizei ermittelt noch immer, 20.000 Euro Belohnung sind ausgelobt. Der Vorwurf: schwere Brandstiftung und mehrfacher versuchter Totschlag.

Fast fünf Monate nach der Feuernacht sind Mauern, Balken, Dachpfannen und Schutt des 150 Jahre alten Hauses abgetragen, nur das Kellergewölbe aus dem 16. Jahrhundert steht noch. Ein provisorisches Dach schützt es vor der Witterung. 1888 hatte Georg von Lösecke Am Stintmarkt 3 seine Weinhandlung gegründet, die größte der Stadt. Bis 2014 hat sein Name auf dem altrosa Putz zwischen den hellgrau gestrichenen Fachwerkbalken gestanden – bis der Bagger kam.

Wo neue Materialien nötig sind, werden auch die ein altes Gesicht tragen

Fieberhaft planen Architekten jetzt an den Schreibtischen den Wiederaufbau des Schatzes. Ein Neubau, der so alt wie möglich aussehen soll. Dafür wollen die Architekten sogar Secondhand-Fachwerkbalken einsetzen. „Wir suchen nach gebrauchten Hölzern mit Patina“, sagt Gunnar Schulze, beauftragter Architekt des Projekts.

Wo neue Materialen nötig sind, werden auch die ein altes Gesicht tragen: Ziegel im historischen Klosterformat, in Handstrich hergestellt. „Der Unterschied zu den Industrieziegeln ist neben dem Format die Oberfläche“, erklärt der Architekt. „Sie ist weniger glatt, eher riefig mit kleinen Einschlüssen. Es entsteht ein wenig Unruhe durch Streiflicht und Schatten.“

Dunkelrot werden die Backsteine sein, allerdings nicht einheitlich wie aus industrieller Massenproduktion. Auch das Nebengebäude, seit dem Brand unbewohnbar, wird renoviert. Neben der Beseitigung der Schäden durch Qualm und Löschwasser lässt die Eigentümerin die Fassade sanieren.

Handel ist es vor 600 Jahren gewesen, der den alten Hafen belebt hat. Der Handel mit Stint, der Handel mit Salz. Heute ist es das Vergnügen. Die älteste Kneipe der Stadt liegt am Wasser, Hotelbetreiber haben Neubauten errichtet oder jahrhundertealte Fachwerkkästchen saniert. Ein Investor hat seine Luxuswohnungen in ganz Deutschland verkauft, ohne überhaupt Werbung für sein Neubauvorhaben machen zu müssen. Als nächstes steht die Umwandlung des 600 Jahre alten Salzspeichers in Eigentumswohnungen an. Der Stintmarkt ist jedoch seit Dezember nicht mehr derselbe. Wo sich Fachwerk an Fachwerk, Giebel an Giebel gekuschelt hat, klafft die Lücke wie eine Narbe.

Wie „Phoenix aus der Asche“ soll sein Haus wiederauferstehen, wünscht sich Michael von Hartz, der das Lösecke-Haus vor gut 20 Jahren gekauft hat. „Es soll ein Neustart werden“, sagt er. „Das ist auch ein Stück Verantwortung gegenüber der Stadt.“

Die italienische Familie plant eine Wiedereröffnung ihres Restaurants im zukünftigen Neubau. Ende nächsten Jahres kann es so weit sein.