Wentorf. Alte Wentorfer wissen noch, wo man während des Zweiten Weltkriegs Schutz gesucht hat. Johannes Grüschow und Richard Gareis erzählen.
Was nur sehr wenige wissen: Auch in Wentorf gibt es noch einen Luftschutzbunker – direkt hinter dem Denkmal Am Burgberg gegenüber vom Rathaus. Im Liegenschaftsamt der Gemeinde ist jedenfalls nichts davon bekannt. Einer der wenigen, die davon wissen, ist Johannes Grüschow. Der 96-jährige Reinbeker hat in seinem privaten Archiv noch Fotos vom Bau des Bunkers. Auf den Schwarz-Weiß-Aufnahmen sieht man im Hintergrund vier Wohnhäuser, die heute noch stehen. „Der Bunker ist ab 1943 ausgehoben worden. Mein Vater war dabei“, sagt Grüschow. Der hieß ebenfalls Johannes Grüschow und war von 1920 bis zum Ende des Krieges ein angesehener Lehrer an der Wentorfer Volksschule. Das Gebäude der alten Schule steht noch. Im Dachgeschoss ist Sohn Johannes aufgewachsen.
„In der Schule gab es nur einen kleinen Keller. Da hatten alle 110 Schüler aus zwei Klassen bei Luftangriffen keinen Platz“, weiß Grüschow. Er hält es nicht für unwahrscheinlich, dass die Initiative, einen fest gemauerten, größeren Schutzraum gegenüber der Schule zu bauen, von seinem Vater ausging. Schließlich hatte dieser als Lehrer und SA-Truppenführer, der vor Ort den Volkssturm der Nationalsozialisten aufbaute, zu Kriegszeiten einiges zu sagen in der Gemeinde. Darauf ist sein Sohn nur wenig stolz. Doch Grüschow war nicht nur überzeugter Nazi, sondern auch fleißiger Tagebuchschreiber. Er gilt als Ortschronist, ein Großteil seiner Sammlung ist im Gemeindearchiv.
Ob der Bunker in Wentorf auch genutzt wurde, ist unklar
Laut seiner Aufzeichnungen zog sich der Bau des Luftschutzraums hin, erwähnte er ihn zum ersten Mal am 10. Oktober 1943: „Vormittags am Luftschutzgraben hinterm Denkmal gearbeitet“. Am 16. Januar 1944, heißt es weiter, wurde die Arbeit mit 25 Mann fortgesetzt. Nur vier Tage erschüttert ein Ereignis die 2000 Menschen zählende Gemeinde: „Von 18.30 bis 19 Uhr fliegen einige hundert Flieger von Hamburg über Wentorf nach Berlin. Nach wenigen Schüssen der Flak explodiert ein englischer Bomber und stürzt mitsamt seiner Brandbombenladung im Grund (in die Senke hinterm Denkmal) ab. Sieben englische Flieger liegen hier und dort zerschmettert. Es brennt überall“, hat Grüschow damals notiert.
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Ob der Bunker (an der heutigen Straße Am Burgberg) jemals fertig gestellt wurde oder Menschen in ihm Schutz suchten, kann Sohn Johannes Grüschow aus den Aufzeichnungen nicht nachvollziehen. Gebraucht wurde der Schutzraum in jedem Fall. Am 18. März 1945 hielt sein Vater in seinen Aufzeichnungen fest: „Fast täglich ab 10 Uhr Fliegeralarm.“ Sohn Johannes Grüschow selbst hat einen Großteil des Krieges als Funker auf einem Handelsschiff verbracht. Gesprochen haben sie später über die Zeit wenig, sagt Grüschow.
Heute ist der Luftschutzkeller unzugänglich
Auch der Reinbeker Richard Gareis (91), ebenfalls in Wentorf aufgewachsen, kennt den Bunker noch. „Dass die Wentorfer während des Fliegeralarms in den Wald geflüchtet seien, ist aber Unsinn“, sagt er kopfschüttelnd. „In den Kasernen waren Soldaten, die sind nicht abgehauen. Am 31. Juli 1943 haben sich bei einem Alarm Frauen und Kinder vor der Kaserne versammelt und sind auf der Bundesstraße 207 Richtung Dassendorf geflüchtet. Das war wie ein kleiner Treck. Meine Mutter und ich waren auch dabei.“ Die Mütter und ihre Kinder hätten auf freiem Feld übernachtet. „Ich habe meiner Mutter als Zwölfjähriger gesagt, ,Das mache ich nie wieder’“, erinnert sich Richard Gareis. Außerdem habe es an der Feldstraße 1 in Wentorf einen Keller gegeben, der als Schutzraum hergerichtet worden sei. Auch der war nicht sonderlich beliebt, weil zu eng: „Ich wusste, da gehe ich nie wieder rein“, sagt der 91-Jährige. „Die Leute lagen dort quasi übereinander.“ Froh ist er um die Tatsache, dass es während des Krieges keinen einzigen Bombenangriff auf Wentorf gegeben habe – trotz der Kasernen.
Die Reste des Luftschutzgrabens gibt es heute noch. Wie der Zustand ist, ist unbekannt – denn zugänglich ist die Anlage nicht mehr. Mitarbeiter der Gemeinde wollen dort jetzt einmal nach dem Rechten schauen.