Aumühle. Künstler Gunter Demnig verlegt die ersten Mahnmale für die jüdische Familie Zoellner vor der Villa in der Pfingstholzallee.
Seit dem vergangenen Sonnabend ist die Gemeinde Aumühle Teil des größten dezentralen Mahnmals der Welt: Der Künstler Gunter Demnig hat drei Stolpersteine vor der Villa in der Pfingstholzallee 1 verlegt. Sie erinnern an das Schicksal der Jüdin Anita Zoellner (1888–1945) und ihrer Kinder Annemarie (1913–1998) und Kurt (1917–2002). Die Initiative zu diesem Projekt geht von dem Aumühler Kulturwissenschaftler Nikolaj Müller-Wusterwitz aus, der zum Schicksal der Familie Zoellner forscht.
Rund 30 Zuschauer waren gekommen und sahen zu, wie Gunter Demnig auf dem Gehweg vor der Villa in der Pfingstholzallee die Steine setzte. Weil es die ersten Stolpersteine in Aumühle sind, ist er persönlich gekommen, um die Arbeit auszuführen. Unterstützt von Mitarbeitern des Bauhofes wurde eine Gehwegplatte aufgenommen. Die drei vorbereiteten Steine standen bereit. Sie werden in Handarbeit im Künstlerhof Berlin-Buch hergestellt. Die Texte darauf sind in Messingplatten geschlagen, die mit Beton hintergossen werden.
90.000 Stolpersteine in 1300 Kommunen in Europa
Ruhig und konzentriert arbeitete der Künstler, der seit 1996 als Reisender für die Erinnerung unterwegs ist. Mittlerweile wurden in 26 Staaten in Europa in 1300 Kommunen insgesamt 90.000 Stolpersteine verlegt. Nach 20 Minuten hat der 73-Jährige sein Werk beendet: Drei goldglänzende Steine schimmern auf dem Gehweg vor der weißen Villa, umrahmt von dunklen Natursteinen. In der Mitte der Stein für Anita Zoellner, links und rechts daneben die für ihre Kinder Annemarie und Kurt. „Wenn ich Steine für Eltern und Kinder verlege, kommt das Kind in die Mitte“, erklärte der Künstler. Er hat dabei das Bild einer Familie vor Augen, auf dem die Eltern ihr Kind in die Mitte nehmen und an den Händen halten. Im Fall von Familie Zoellner ruht die Mutter im Zentrum.
Anita Zoellner war Jüdin und lebte mit ihrer Familie in Aumühle. Geboren wurde sie am 15. Februar 1888 als Anita Julia Belmonte in Amsterdam. Nach der Hochzeit zog sie mit ihrem Mann Richard Zoellner (1875–1946) 1913 nach Aumühle in die Villa in der Pfingstholzallee 1. „Am 7. Februar 1945 wurde sie von der Gestapo aufgefordert, sich eine Woche später am 14. Februar für den Transport zum Deportationssammelpunkt in Hamburg am Aumühler Bahnhof einzufinden“, hat der Kulturwissenschaftler Nikolaj Müller-Wusterwitz recherchiert.
Mutter nimmt sich vor Deportation das Leben – Kinder in Zwangsarbeit
Aus Angst vor der drohenden Deportation nahm sich Anita Zoellner am 14. Februar 1945 das Leben. Ihre Kinder wurden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Beide haben den Krieg überlebt und ihre letzte Ruhe auf dem Aumühler Waldfriedhof gefunden.
Kurt Zoellner hat sich politisch in seiner Heimatgemeinde engagiert, obwohl sie für seine Familie mit einem so traurigen Schicksal verbunden ist. Er war von 1955 bis 1970 Bürgervorsteher in Aumühle.
Gemeindevertretung beschloss Verlegung einstimmig
Für den Kulturwissenschaftler Nikolaj Müller-Wusterwitz war der Tag der Verlegung ein sehr bewegender. „Damit sind fünf Jahre Recherche abgeschlossen“, erklärt er.
Unter den Zuschauern war auch der Amtsarchivar Dr. Lukas Schaefer. „Diese drei Stolpersteine sind die ersten, die im Amt Hohe Elbgeest verlegt wurden“, sagte er. Den Beschluss dazu hat die Aumühler Gemeindevertretung am 28. Mai 2020 einstimmig gefällt. Nach einer kleinen Ansprache durch Aumühles stellvertretenden Bürgermeister Alexander Bargon legten zwei Frauen Rosen auf den Steinen ab.
„Omas gegen rechts" zeigten Flagge
Renate Lopez und Uschi Martens engagieren sich bei den „Omas gegen rechts“ im Herzogtum Lauenburg. Sie waren mit drei weiteren Mitstreiterinnen extra nach Aumühle gekommen, um an der Verlegung teilzunehmen. „Wir wollen Flagge zeigen und ein Zeichen setzen“, erklärten sie. „Wir engagieren uns gegen Faschismus in jeder Form“, so Renate Lopez.
Während die Anwesenden sich noch unterhielten, packte Gunter Demnig sein Werkzeug ein und stieg in seinen roten VW-Bus. Im Laderaum lagerten mindestens 70 weitere Stolpersteine, die auf die Verlegung warteten. Nächstes Ziel am Wochenende war Hamburg. „Hier setze ich heute den 6000. Stein“, erklärte der Künstler, bevor er sich auf den Weg machte.