Wentorf. Der Discounter will seinen Markt in Wentorf erweitern. Die Gespräche laufen bereits. Aber dafür muss eine Trauerweide weichen.
Größere, lichtere Gänge und ein neues Farb- und Lichtkonzept: So sehen moderne Aldi-Märkte aus. Der Aldi-Markt im Casinopark Wentorf gehört noch nicht dazu. Soll es aber bald. Denn das Unternehmen will ihn modernisieren und braucht dafür mehr Platz. „Neu entstehende Märkte haben eine durchschnittliche Größe in der Verkaufsfläche von 1000 Quadratmeter“, sagt Dennis Boczek, Sprecher von Aldi Nord. Das sind 200 Quadratmeter mehr als zu der Zeit, als der Casinopark gebaut wurde. Der Trend zu mehr Luftigkeit und größeren Flächen in Supermärkten hält seit Jahren an. Die Verkaufsfläche im neu eröffneten Rewe gegenüber beträgt sogar über 1500 Quadratmeter, zuzüglich 500 Quadratmeter zum Lagern und Kühlen.
Wentorf: Eine B-Plan-Änderung wurde 2019 auf den Weg gebracht
Den Plan, den Wentorfer Markt zu vergrößern, um wettbewerbsfähig zu bleiben, verfolgt das Unternehmen Aldi Nord schon seit Jahren. Doch der damalige Eigentümer des EKZ wollte den nicht mittragen. Aldi erwägte deshalb 2016 sogar kurzzeitig, einen neuen Markt auf dem großen Parkplatz zu errichten, scheiterte aber an der Zustimmung der Politik. Einer Erweiterung des Bestandsgebäudes in die südliche Richtung stimmten die Gemeindevertreter aber zu – auf insgesamt 1200 Quadratmeter maximal. Eine entsprechende B-Plan-Änderung wurde 2019 auf den Weg gebracht.
Der Weg für einen Anbau ist frei. „Wir möchten den Aldi-Markt in Wentorf gerne so schnell wie möglich für unsere Kunden erweitern, um ihnen das bestmögliche Einkaufserlebnis zu bieten“, bestätigt Emily Rosberger, Sprecherin von Aldi Nord. Da Aldi aber weiterhin nur Mieter der Fläche ist, könne sie keine Details nennen.
Positive Gespräche zwischen Eigentümer und Mieter
Eigentümer des Casinoparks mit 20.000 Quadratmetern Fläche in fünf Gebäudekomplexen ist seit Sommer 2020 die Swiss Life Asset Managers Deutschland GmbH, einem europaweiten Vermögensverwalter. Sprecher Stephan Pacho bestätigt, dass sich Aldi und Eigentümer in Sachen Erweiterung „in sehr positiven Gesprächen befinden“. Derzeit wird an Details gefeilt und Pläne zum weiteren Vorgehen final ausgearbeitet. Sobald eine entsprechende Einigung erzielt ist, sollen die Pläne vorgestellt werden.
Die Nachricht, dass Aldi an seinen Erweiterungsplänen festhält, trifft Loki Specht hart. Die 93-Jährige ist Anwohnerin im Casinopark. Der Anblick des versiegelten, oft menschenleeren Platzes stimmt sie traurig. Die geplante Erweiterung noch trauriger. Denn die bedeutet, dass die rund 60 Jahre alte, stattliche Trauerweide auf der Südseite gefällt wird. „Ich habe nichts gegen das Unternehmen Aldi“, betont sie. „Ich kann nur nicht verstehen, wieso ein gesunder Baum weichen muss, um noch mehr Fläche zu versiegeln? Wentorf hat mehr als genug Einkaufsmöglichkeiten.“
Seniorin kämpft hartnäckig für den Erhalt der Trauerweide
Specht lebt seit fast 60 Jahren in Wentorf, ist hier verwurzelt, engagiert sich im Bürgerverein und ist Ehrenmitglied der Wentorfer Kulturwoche. Sie kennt Wentorf kaum wie eine andere und ist über die Entwicklung des Ortes alles andere als froh: „Wir haben die gesamte Ortsmitte versiegelt, lassen der Natur keinen Raum. Die Menschen haben keine Ehrfurcht mehr. Genug ist genug“, sagt die Seniorin mit Nachdruck und Tränen in den Augen.
Ihre Kräfte lassen jetzt im Alter nach, sagt Specht, aber sie könne nicht tatenlos zusehen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Trauerweide zu retten. Zuspruch erfährt sie viel, erhält Applaus für ihre Redebeiträge, auch für den auf der jüngsten Podiumsdiskussion mit den drei Bürgermeisterkandidaten.
Zudem hat sie bereits vor zwei Jahren zusammen mit der Wentorferin Ingrid Faser Unterschriften gegen die Fällung gesammelt und die Liste der Politik übergeben.
Proteste gegen die Erweiterung und Baumfällung waren erfolglos
Genützt hat es am Ende wenig, die B-Plan-Änderung ist zugunsten der Erweiterungspläne beschlossen worden. „Wieso werden die Interessen der Wirtschaft über den Willen der Bevölkerung gestellt“, fragt Loki Specht verständnislos.
Der heutige Vorsitzende des Planungs- und Umweltausschusses Torsten Dreyer kann sich an die Unterschriftenliste erinnern, gibt zu, dass ihm als Grünen auch das Herz angesichts der drohenden Baumfällung blutet, „aber Politik ist eben die Kunst der Kompromisse“. „Wir standen vor der Entscheidung, den Einkaufsstandort weiter zu stärken oder zu schwächen. Es bestand die Gefahr, dass Aldi die Gemeinde ganz verlässt“, sagt Dreyer.
Grüne haben sich für Ausgleichspflanzung stark gemacht
Die Gemeindevertreter wollten weiteren Leerstand im Einkaufszentrum verhindern, begründet Dreyer die Zustimmung zu den Erweiterungsplänen. Er betont im gleichen Atemzug, dass er sich für eine Ausgleichspflanzung stark gemacht hat. Nicht irgendwo und irgendwas: Nur wenige Meter weiter, hinter dem Parkhaus, muss wieder eine Trauerweide mit einem Stammumfang von 50 bis 60 Zentimeter gepflanzt werden.
Auch gab es die Idee, die alte Trauerweide zu versetzten. Die aber wurde wieder verworfen. Baumexperten hatten davon abgeraten, weil der alte Baum an anderer Stelle nur schwer anwachsen würde. Diese Weide hier ist bereits in ihrer zweiten Lebenshälfte. Weiden sind Pionierbäume, die einerseits mit vielen und leichten Samen freie Flächen erobern und schnell wachsen, andererseits aber recht kurzlebig sind. Ihr Lebensalter erreicht sie mit 100 Jahren.