Wentorf. Der Verein Lerntiere an der Lohe will eine pferdegestützte Trauerbegleitung anbieten. Wie Pferde Menschen unterstützen.

Verlust und Trauer bekommen in unserer Gesellschaft vergleichsweise wenig Raum. Denn der Tod ist immer noch ein Tabu-Thema in unserer stark auf die Zukunft ausgerichteten Kultur. Viele fühlen sich mit ihrer Trauer alleingelassen, suchen Trauerbegleitung.

Verena Neuse, Geschäftsführerin der Pferdeakademie und Gründerin des Vereins Lerntiere an der Lohe, will jetzt gemeinsam mit Sonja Mulde ein neues Angebot schaffen: Eine Trauergruppe, die von Pferden bei ihrer Trauerarbeit gestützt wird. „Die Idee hatten wir, nachdem uns das Hospiz Geesthacht einige Male mit Gästen besucht hat“, erzählt Verena Neuse. Die wohltuende Wirkung für die Gäste des Hospizes und deren Angehörige sei sichtbar gewesen.

Pferde können bei der Trauerbegleitung hilfreich sein

Frei nach Neuses Motto „Tiere erreichen Stellen in der Seele, da kommt der Mensch gar nicht hin“, kann die tiergestützte Förderung eine echte Bereicherung sein: Denn sie hilft nicht nur Menschen mit emotionalem und sozialem Förderbedarf, sondern unterstützt auch Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung einer starken Persönlichkeit. Auch im Coaching von Erwachsenen zu privaten oder beruflichen Themen bringt die vierbeinige Unterstützung einen tierischen Mehrwert, denn das Tier lässt sich keine Rolle vorspielten. Es nimmt den Menschen, wie er ist.

Sonja Mulde ist Betreuerin im Wohnzentrum Hansa Poburski für Menschen mit Handicap, außerdem hilft die Tierfreundin ehrenamtlich auf Neuses Hof mit und ist oft mit ihrer Familie dort. Sie hat bereits gesehen, welche Motivationsschübe ihre Schützlinge durch die tiergestützten Begegnungen bei den Lerntieren erfahren, aber auch die Besuche des Hospiz miterlebt.

Trauerbegleiterin bietet Tagesseminar auf dem Hof der Lerntiere an

Beide Frauen sind dabei, sich fortzubilden. Dafür wird Susanne Anzeneder am Sonntag, 14. August, ein Tagesseminar auf dem Hof der Lerntiere anbieten, für das es auch noch freie Plätze gibt. Die Diplom-Pädagogin, Reittherapeutin und Trauerbegleiterin will von 10 bis 17 Uhr Trauerverständnis, Reaktionen und Bedürfnisse trauernder Menschen, alterstypologische Vorstellungen und den Einsatz des Pferdes vermitteln.

Außerdem erläutert sie die Voraussetzungen, zeigt, wie ein Stundenverlauf aussehen könnte, berichtet von Beispielen und viel Selbsterfahrung. Es haben sich schon Teilnehmerinnen aus Baden-Württemberg und von den nordfriesischen Inseln angekündigt.

Willkommen sind Menschen mit therapeutischer und Coaching-Erfahrung, die mit dem Thema Trauer zu tun haben. „Es sollten schon Pferdeleute sein, die mit tiergestützter Therapie gearbeitet haben oder auch reiten können“, sagt Verena Neuse. Das Seminar kostet 290 Euro. Interessierte erreichen Neuse per E-Mail: info@lerntiere.de.

Auch bei Trennung oder Arbeitsplatzverlust wird häufig getrauert

Das Thema Trauer fasst Verena Neuse übrigens etwas weiter: „Wir trauern ja nicht nur, wenn jemand gestorben ist“, sagt sie. „Auch bei anderen Veränderungen und Verlusten trauern wir, wie bei einer Trennung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes.“ Diese Themen seien durch Corona gerade sehr aktuell. „Die Schritte der Bewältigung sind auch bei diesen Abschieden ähnlich wie bei der Trauer um einen Verstorbenen“, stellt sie fest: „Zuerst kommt der Schock, das Nicht-Wahrhaben-Wollen, schließlich folgt das tiefe, emotionale Loch, schließlich die Akzeptanz des Unausweichlichen und die Integration des Verlustes in das eigene Leben.“

Dass Vierbeiner gute Tröster sein können, haben viele Tierfreunde schon erfahren. Aber warum gerade Pferde? Schließlich leben auf dem Hof an der Lohe noch Esel, Ziegen, Schweine, Kaninchen, Hühner und ein Muli. Katzen und Hunde gibt es auch. „Pferde sind zuerst einmal sehr sensibel“, weiß Verena Neuse. „Und es fühlt sich schon vom Körperkontakt einfach anders an, ob man eine Katze oder einen kleinen Hund auf dem Schoß hat oder ob man sich an ein 600 Kilogramm schweres Tier anlehnen kann.“

Die Pferde, Ponys und Esel sind alle ausgeglichen und geduldig. Oft scheinen sie auf Kinder oder beeinträchtigte Menschen Rücksicht zu nehmen. Wie beispielsweise die beiden Halbschwestern Sharon und Rowan, Schottische Highland Ponys. Rowan ist die Chefin der gesamten Herde. Der Verein bietet für Kinder und Jugendliche sowie für Menschen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen Begegnungen mit Tieren an. Beim therapeutischen Reiten steht nicht so sehr das Reiten, sondern viel mehr der Umgang mit dem Pferd, der Körperkontakt und die Bewegung auf ihm im Vordergrund: „Es geht um das Körpergefühl und die Körperspannung“, erläutert Verena Neuse.

Bewegung des Pferdes wirkt auf Menschen anregend

Etwa 15 Kinder, Jugendliche und auch mal junge Erwachsene kommen in der Woche, um im Kontakt und Umgang mit dem Tier innerlich und äußerlich beweglicher zu werden – sei es emotional, sozial oder auch motorisch. Darunter sind auch Kinder mit Down-Syndrom, autistische Kinder oder auch Kinder, die durch Corona in eine depressive Phase gerutscht sind. „Irgendeinen Bedarf haben wir alle“, hat Verena Neuse festgestellt.

Dabei wirkt auf körperlicher Ebene vor allem die Bewegung des Pferdes anregend, weil sie der natürlichen Gehbewegung des Menschen ähnelt. Psychisch können die großen, warmen Tiere mit dem weichen Fell Blockaden lösen und auch Menschen mit Handicaps zumindest für den Moment in eine andere Welt begleiten. Aber die Tiere von der Koppel zu holen, sie zu putzen und zu streicheln gehört auch dazu. Das zwanglose Miteinander mit den Vierbeinern erleichtert es zudem oft, auch den Zugang zu anderen Menschen wiederzufinden.

Eine Basis, die Verena Neuse und Sonja Mulde nutzen wollen, um bei der Trauerarbeit zu helfen. Im Moment schwebt ihnen ab Herbst für alle zwei Wochen ein Gruppentreffen vor. Näheres wollen sie noch auf www.lerntiere.de bekannt geben.