Wohltorf. Villen inmitten von viel Grün – das ist Wohltorf und das soll sich nicht ändern. Warum Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein Problem ist.
Mit gerade einmal vier Kameraden rückte die Wohltorfer Gemeindewehr am Donnerstag zu einem Verkehrsunfall aus. „Das ist nicht einmal eine volle Fahrzeugbesatzung“, sagt Feuerwehrchef Sascha Kröger. „Ohne die Unterstützung der Nachbarwehren könnten wir unsere Aufgabe nicht mehr wuppen“, sagt Kröger. Denn die Feuerwehr hat ein ernstes Mitgliederproblem. Und das nicht erst seit gestern.
30 Männer und Frauen engagieren sich derzeit in der Feuerwehr. Sie rücken aus, um Brände zu löschen, umgefallene Bäume von der Straße zu räumen oder leisten Erste Hilfe nach Unfällen. „Wenn das so weitergeht, frage ich mich ernsthaft, wer zukünftig in Wohltorf diese Aufgaben übernehmen soll“, sagt Kröger.
Laut Feuerwehrbedarfsplan bräuchte die Wehr eigentlich 36 Freiwillige. Doch statt neue zu gewinnen, verliert sie nun zwei weitere gut ausgebildete Männer. Nach langer erfolgloser Immobiliensuche vor Ort ziehen die gebürtigen Wohltorfer nun nach Dassendorf. Die Nachwuchssuche aber ist in der Gemeinde mit dem hohen Altersdurchschnitt schwierig und wird noch schwieriger. Bis 2030 wird der Anteil der über 65-Jährigen erneut um 23 Prozent ansteigen.
Wohnungsmangel in Wohltorf: Bürgermeister Dürlich will dagegen angehen
„Die Gemeinde muss sich endlich dem demografischen Wandel stellen und alles dafür tun, um junge Menschen zu halten oder in die Gemeinde holen, indem neue Baugebiete ausgewiesen und Wohnraum geschaffen wird“, fordert Kröger.
Aktuell gibt es nicht eine freie Mietwohnung auf dem Markt. „Schaffung von neuem, bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener ist ein Problem, dem wir uns stellen müssen“, sagt auch Bürgermeister Gerald Dürlich. Er lebt seit mehr als 60 Jahren in dem Ort und ist ein großer Anhänger des typischen Wohltorfer Wohncharakters aus großzügiger Bebauung mit Einfamilienhäusern und Villen inmitten von viel Grün.
Viele Wohltorfer fürchten große Veränderungen im Stadtbild
„Verdichtete Baugebiete wie in den umliegenden Gemeinden können wir uns in Wohltorf nicht vorstellen“, sagt Dürlich. Dennoch dürfe sich die Gemeinde einer behutsamen Weiterentwicklung nicht verschließen, „denn Stillstand bedeutet immer Rückstand“, weiß der Bürgermeister, der um Kompromisse bemüht ist.
So würde beispielsweise die Kreisbaugenossenschaft gern ihre unzeitgemäßen Mietshäuser An den Pappeln aus den 1950er-Jahren gegen neue, energieeffiziente und etwas größere Häuser ersetzen. Doch Teilen der Politik und der Einwohner geht das schon zu weit. Sie möchten Wohltorfs Ortsbild am liebsten so bewahren, wie es ist.
Tatsächlich wünschen sich das viele Wohltorfer. Dies zumindest ist das Ergebnis einer Haushaltsbefragung, die Ende 2021 durchgeführt wurde. „570 Haushalte haben sich daran beteiligt. Das sind erstaunlich viele und zeigt, wie sehr den Wohltorfern ihre Gemeinde am Herzen liegt“, sagt Jürgen Wittekind vom beauftragten Institut Raum und Energie.
Die Wohltorfer Feuerwehr hofft auf ein modernes Gerätehaus
„Die Mehrheit der Wohltorfer (64 Prozent) ist mit der wohnlichen Situation zufrieden, lebt gern in Wohltorf“, sagt der Betriebswirt. Die Ergebnisse sind in das Ortsmittenkonzept eingeflossen, das auf der Homepage der Gemeinde veröffentlicht und Mittwochabend in Teilen auf einer Einwohnerversammlung vorgestellt wurde. Das Interesse war groß.
Das sei nicht selbstverständlich, darauf sollte die Gemeinde aufbauen, gab Wittekind den Anwesenden mit auf dem Weg. Er weiß aber nach eineinhalb Jahren Arbeit in der Gemeinde auch, dass „das Thema bauliche Entwicklung hier sehr emotional diskutiert wird.“ So sehr, dass mittlerweile ein Mediator hinzugezogen werden musste, um zu vermitteln.
„Das wird der Knackpunkt für die nächste Zeit. Wir sind mitten im Prozess“, sagt Dürlich. Feuerwehrchef Kröger hofft, dass der nicht mehr allzu lange dauert und setzt derweil darauf, dass seine Wehr wieder mehr Zulauf erfährt, wenn ein neues, moderneres Feuerwehrgerätehaus gebaut ist. Das ist eines von drei Wohltorfer Schlüsselprojekten in naher Zukunft. Aktuell wird die Standortfrage geklärt.
Zehn Millionen Euro sind für die geplanten Projekte kalkuliert
Einen Schritt weiter ist die Gemeinde auf dem Kirchberg. Hier entsteht aktuell eine neue Kita für fünf Gruppen samt Gemeindesaal. Das alte Gemeindehaus mit Wohnung der Kirchenmusikdirektorin ist bereits abgerissen, die Fertigstellung ist für September 2023 geplant. Den lichtdurchfluteten Gemeindesaal nutzen am Vormittag die Kinder, am Nachmittag und Abend dann die Gemeindevertreter, der Kirchenchor oder Wohltorfer Bürger. Zum ersten Mal wird die Gemeinde dann so etwas wie eine Ortsmitte haben.
Im November rollen die Bagger auf dem Gelände der Schule an, weicht die marode Schulsporthalle einem modernen Neubau mit Fenstern, Wärmepumpe vor der Tür und Solaranlage auf dem Dach. Insgesamt zehn Millionen Euro sind für die drei Projekte derzeit eingeplant. Leisten kann sich die Gemeinde (Bild: „Das Dorf der Reichen“) das, sie zählt zu den Kommunen mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland.