Blühstreifen neben Feldern sollen dem Artenschwund etwas entgegensetzen. Der Nabu Geesthacht hat nun einen unter die Lupe genommen.
Geesthacht. Pestizide, Monokulturen, Flächenversiegelung, die Flora und Fauna hat es zunehmend schwerer, in Stadt und Land artenreich Fuß zu fassen. Blühstreifen neben Feldern oder auch Straßen sind Naturliebhabern mittlerweile ein probates Mittel, dem Artenschwund etwas entgegenzusetzen – aber halten sie auch, was sie versprechen?
Das wollte die Geesthachter Gruppe des Naturschutzbundes (Nabu) ganz genau wissen. Über den Sommer wurden Blühstreifen-Abschnitte von insgesamt fast zwei Kilometern Länge und bis zu sechs Metern Breite bei Kollow unter die Lupe genommen. Die Antwort von Ralf Schütze-Buzello ist eindeutig: „Wow!“, sagt er. „Die Artenvielfalt war überwältigend.“
Der Blühstreifen entstand auf 1,5 Hektar landwirtschaftlicher Fläche
Die Blühstreifen hier – auf insgesamt 1,5 Hektar landwirtschaftlicher Fläche – sind auf privater Initiative entstanden unter der Regie von Andreas Koop, dem Vorsitzenden der Rindergilde Geesthacht e.V. Realisiert wurde das Projekt mit Unterstützung privater Sponsoren auf Äckern des Erdmannshofes (Demeterbetrieb) und von Landwirtin Ines Tretau (Naturlandbetrieb). Das Monitoring zur Artenvielfalt lief unter Beteiligung der Rindergilde gemeinsam mit den Biolandwirten ab.
Nach einer Anfrage beim OHG machten auch Schüler mit
Was den Nabu besonders erfreute: Nach einem Anruf beim Otto-Hahn-Gymnasium begeisterten sich auch drei Schüler für die Aktion und halfen beim Monitoring vor Ort mit. „Das war toll mit ihnen“, lobt Ralf Schütze-Buzello. „Die Untersuchung war nicht auf wissenschaftlicher Basis“, erklärt er das Vorgehen. Soll heißen: Alle Tiere wurden freigelassen und nicht zum Mikroskopieren mitgenommen.
Im Vorfeld der Bio-Exkursionen wurde ein „Quick-Guide“ gebastelt für die schnelle Einschätzung vor Ort mit Bildern von allen Tieren, die in so einer Gegend vorkommen könnten, unterteilt in Themengebiete wie Heuschrecken, Spinnen, Kröten, Hummeln und Schmetterlinge. Vor Ort wurden – sofern möglich bei schnellen Insekten – Fotos angefertigt von vorn, oben und seitwärts. Die Feinabstimmung erfolgte über das Internet – und Diskussionen.
17 Falterarten nachgewiesen, fünf Wanzen-, neun Käfer- und fünf Hummelarten
Bereits im ersten Jahr des Bestehens dieses Blühstreifens fällt das Ergebnis eindeutig positiv für die Artenvielfalt aus. Es wurden 17 Falterarten nachgewiesen, fünf Wanzen-, neun Käfer- und fünf Hummelarten. Die Fliegen bildeten eigene Beziehungsgeflechte mit mehreren Raubfliegenarten, einer Vielzahl von Schweb-, Dung-, Igel- und Skorpionsfliegen und vielen mehr. Die Schwebfliegen zählen zu den Nützlingen, weil die Larven mehrerer Arten Blattläuse fressen und ausgewachsene Fliegen wichtige Bestäuber sind. Außerdem fühlten sich sechs Schneckenarten in dem Blühstreifen wohl.
Vögel werden zwar nicht direkt einem Blühstreifen zugeordnet, für den Nabu war jedoch eindeutig, dass die erhöhte Insektenanzahl den Grasmücken sehr geholfen hat, im angrenzenden Knick waren Nester zu sehen. Und im September haben Gruppen von Buch- und Grünfinken und Spatzen die Samen der bewusst spät gemähten Blütenstände geerntet. Zusätzlich zur Einsaat wurden weitere 33 verschiedene Pflanzenarten gefunden, die sich ohne direkte menschliche Hilfe angesiedelt haben. Der Vergleich bot sich in direkter Nachbarschaft an.
Im angrenzenden Haferfeld war die Artenzahl deutlich geringer
Im angrenzenden Haferfeld auf einem Streifen vergleichbarer Breite war die Ausbeute des Tiermonitorings deutlich geringer: Lediglich etwa zehn Prozent der Artenanzahl des Blühstreifens wurden gefunden. „Ein Unterschied wie Tag und Nacht“, erläutert Ralf Schütze-Buzello. „Obwohl unsere Erwartungen übertroffen wurden, ist für Februar ein Treffen mit allen Beteiligten geplant, um über die Optimierungen von Saatmischung, Flächengestaltung und Mahd zu diskutieren.“
So hat Ralf Schütze-Buzello gelesen, dass die gefährdeten Rebhühner breitere Streifen bevorzugen, um Fressfeinden besser ausweichen zu können. Das würde er gern einbringen, außerdem sieht er Verbesserungen bei der Saatmischung, die zwar die Futtervorlieben erwachsene Tiere berücksichtigt, aber die von Raupen zu wenig.
Der Blühstreifen soll zunächst drei Jahre erhalten bleiben. Die Artenvielfalt wird regelmäßig untersucht, zudem soll der Unterschied zwischen biologischer und konventioneller Landwirtschaft in Bezug auf Artenvielfalt gezeigt werden.