Ratzeburg/Pogeez. Aber Ruhestand? Gibt es für den 81-Jährigen nicht. Jetzt will er sich seiner Kunst widmen – und damit in den Landtag zurückkehren.
Es waren zwei Machtpolitiker, die die politische Karriere von Meinhard Füllner (81) einrahmen: der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (1944-1987) und Bundeskanzler Helmut Kohl (1930-2017). Barschel hatte den jungen Kommunalpolitiker gefördert, Kohls Spendenaffäre beendete im Jahr 2000 Füllners Karriere im Kieler Landtag.
Nicht aber sein politisches Engagement: Seit 2003 war Meinhard Füllner Kreispräsident, trat nun mit 81 Jahren nicht mehr zur Wahl an. Am 29. Juni wird bei der konstituierenden Sitzung des Kreistags seine Nachfolgerin gewählt. Die CDU, die mit 35,5 Prozent der Stimmen die stärkste Fraktion stellt, hat Kasseburgs Bürgermeisterin Anja Harloff nominiert. „Ich werde die Sitzung noch mit einigen klugen Worten eröffnen“, sagt Füllner mit leiser Selbstironie.
Nach 53 Jahren ist jetzt Schluss mit der Politik
Anschließend wird er die Sitzungsleitung an das dienstälteste Mitglied übergeben – das ist CDU-Fraktionschef Norbert Brackmann. An der Formulierung des Gesetzes hat Füllner als Mitglied im Landkreistag mitgewirkt: Bisher wurden die konstituierenden Sitzungen vom ältesten Mitglied eröffnet. Analog zum Deutschen Bundestag, der 2017 seine Geschäftsordnung änderte, um zu verhindern, dass ein als Rechtsextremist geltender AfD-Politiker die Eröffnungsrede hält, haben nun auch die Kommunalparlamente in Schleswig-Holstein ihre Regeln geändert: der Dienstälteste eröffnet.
Probleme habe er in seiner Zeit als Kreispräsident jedoch weder mit der AfD noch mit der Linkspartei, die im neuen Kreistag nicht vertreten sein wird, gehabt. „Abseits von dem, was inhaltlich rüberkommt, dürfen wir die politischen Regeln nicht missachten“, so Füllner. Das sei im Lauenburgischen Kreistag auch nie geschehen, im Gegensatz zu anderen Kreistagen.
Lob gibt es auch für die Abgeordneten, vor allem aber für die drei Landräte Günter Kröpelin (1974–2002), Gerd Krämer (2002–2015) und Dr. Christoph Mager (seit 2015). „Das hat in meiner gesamten Amtszeit hervorragend geklappt“, sagt Füllner, der seine eigene Position ganz nüchtern sieht: „Der Kreispräsident ist im Bewusstsein der Menschen eine wichtige Figur. Doch in Wirklichkeit ist er es gar nicht.“ Es sei ein bisschen so wie das Bundespräsidentenamt: Man könne keine Anweisungen geben, aber vermitteln, hinweisen und ermuntern.
Nach zwei Ausbildungen am Abendgymnasium zum Abitur
1941 in Ostpreußen geboren, absolvierte Meinhard Füllner nach dem Hauptschulabschluss gleich zwei Ausbildungen – bei den Drägerwerken in Lübeck lernte er Feinmechaniker, nutzt seine Kenntnisse noch heute, um Skulpturen zu schweißen. In der elterlichen Bäckerei in Pogeez lernte er dann das Bäckerhandwerk, nachdem er zuvor in Hamburg am Abendgymnasium das Abitur nachgeholt und tagsüber als Stauer im Hafen gearbeitet hatte. Doch aus dem elterlichen Betrieb stieg er bald wieder aus, studierte in Lübeck Lehramt (Geografie, Psychologie und Kunst), arbeitete später als Lehrer und Lehrbeauftragter an der pädagogischen Hochschule sowie bei der Schulaufsicht im Kreis Segeberg.
Füllner half einst, Uwe Barschels Wohnung zu tapezieren
Die Rückkehr in den Schuldienst war für Füllner ein Rettungsanker, denn mit der Landtagswahl im Jahr 2000 endete seine politische Karriere auf der Landesebene. 1963 war Füllner der Jungen Union beigetreten, war auch deren Kreisvorsitzender, 1970 wurde er in die Gemeindevertretung von Pogeez gewählt, wurde zwei Jahre später Bürgermeister. Füllner war CDU-Kreisvorsitzender, Kreistagsabgeordneter und seit 1987 Landtagsabgeordneter und von 1989 bis 2000 sogar parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion.
Bereits als JU-Vorsitzender gehörte Füllner in den Kreis um den ehemaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel, war zeitweilig sein wohl bester Freund und half, Barschels Wohnung zu tapezieren. Die „Ehrenwort“-Pressekonferenz bedeutete für den Ministerpräsidenten das politische Aus: Barschel hatte versucht, über seinen Medienreferenten Rainer Pfeiffer den SPD-Herausforderer Björn Engholm zu diskreditieren. Am 2. Oktober 1987 trat Barschel zurück und starb in der Nacht zum 11. Oktober im Genfer Hotel Beau Rivage.
Die CDU verlor zwar ihre Mehrheit, es kam jedoch zum Patt mit der SPD und im Frühjahr 1988 zu Neuwahlen, die Engholm gewann. Füllner hielt sich aus dem parteiinternen Streit um die Rolle Barschels weitgehend heraus, konnte sowohl 1987 als auch 1988 ins Landeshaus einziehen. Drei Mal gelang es ihm, in seinem Wahlkreis direkt gewählt zu werden.
Deshalb war Füllner auch sicher, bei der Landtagswahl am 27. Februar 2000 wieder direkt in den Landtag einzuziehen. Seinen sicheren Listenplatz – „Ich war immer zwischen vier und sechs platziert“ – gab er einem jungen aufstrebenden Politiker, der später Innenminister und Landtagspräsident wurde: Klaus Schlie. „Doch dann kam Helmut Kohls Spendenaffäre und unsere die Umfragewerte sanken von Woche zu Woche“, erinnert sich Füllner.
Helmut Kohls Spendenaffäre: „Bumms – und ik war buten.“
Die Bundes-CDU hatte jahrelang illegale Parteispenden auf schwarzen Konten geführt: Helmut Kohl, von 1982 bis 1998 Bundeskanzler, gab zu, von diesen Konten gewusst zu haben, verweigerte aber an der Aufklärung mitzuwirken mit dem Hinweis, er habe den Spendern sein Ehrenwort gegeben. Im Januar 2000 trat Kohl auf Druck der CDU-Spitze von seinem Amt als Ehrenvorsitzender zurück, doch die Wahl in Schleswig-Holstein war nicht mehr zu retten: Am 27. Februar 2000 errang die SPD 41 Direktmandate im Landtag, die CDU nur vier – Heide Simonis (SPD), seit Engholms Rücktritt im Jahr 1993 Ministerpräsidentin, konnte weiter regieren. „Bumms – und ik war buten“, sagt Füllner heute dazu.
Die politische Karriere war damit aber nicht vorbei: Im Jahr 2003 wurde er wieder in den Kreistag gewählt und ist seither Vorsitzender dieses Gremiums. Doch was machte Füllner in den Jahren dazwischen: „Das“, sagt er und zeigt auf den lichtdurchfluteten Anbau seines Hauses in Pogeez,. Dort lebt er mit Ehefrau Christiane, die jetzt ebenfalls zurückgetreten ist – als Bürgermeisterin der Gemeinde. „Ich habe mein Elternhaus umgebaut“, sagt Füllner, der darin Erfahrung hat.
Zuvor hatte er über viele Jahre historische Bauernhäuser und Scheunen in Norddeutschland aufgekauft, abbauen und in Pogeez wieder aufstellen lassen: Der Erlenhof sollte ein Hotel mit Gastronomie werden. Das Aus im Landtag bedeutete das Aus für Finanzierungspläne. „Uns haben fünf Jahre gefehlt, dann wäre alles bezahlt gewesen“, sagt Füllner, der jedoch nicht lange trauerte, sondern das nächste Projekt in Angriff nahm. Nach dem Umbau des Elternhauses trat er wieder in den Schuldienst ein, war noch bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2006 in der Schulaufsicht im Kreis Segeberg sowie im Bildungsministerium beschäftigt.
2024 ist die Rückkehr in den Landtag geplant – als Künstler
Mit der Kreistagssitzung am Donnerstag, 29. Juni, (16 Uhr: Lauenburgische Gelehrtenschule, Ratzeburg) endet Füllners 53 Jahre dauernde politische Karriere. „Glauben sie nicht, dass ich jetzt in ein Loch falle. Ich kann jetzt das andere Gleis mit Kunst und Kultur weiter intensivieren“, sagt der 81-Jährige, der sich im Norden auch einen Namen als Künstler gemacht hat. Für das kommende Jahr ist eine Ausstellung seiner Arbeiten im Kieler Landtag geplant. Neben großformatigen Objekten aus Edelstahl – „Mein Anreiz ist, dass keine Schweißnaht zu sehen ist“ – fertigt Füllner auch kleinere Objekte, kombiniert Edelstahl und Keramik.
Ganz neu ist sein „Kreispferd“ – ein Pferdekopf aus Keramik kombiniert mit einem Tischleuchter aus Metall. Die Vorlage für den Pferdekopf hat er quasi aus dem Amt mitgebracht: Den Abschluss des Treppengeländers am alten Kreishaus in Ratzeburg ziert jeweils so ein Pferdekopf. „Leider war nicht herauszukriegen, wann oder wer diese Figuren geschmiedet hat“, so der Kreispräsident. Für seine Nachfolger im Kreistag und an dessen Spitze hat er einen Rat: „Sorgt dafür, dass die Beziehungen zu den Städten und Ämtern wieder intensiviert werden, denn wir sind eine kommunale Familie.“