Heide. Von der Westküste bis nach Mecklenburg soll bald in unterirdischen Kabeln Windstrom für die Energiewende fließen – aber wo genau?
Der Norden steht vor einem neuen, milliardenschweren Infrastrukturprojekt. In den kommenden Jahren wird zwischen der Stadt Heide in Schleswig-Holstein und der Gemeinde Klein Rogahn, gelegen kurz vor Schwerin, die Erde aufgegraben – so der grobe Verlauf einer etwa 200 Kilometer langen Trasse. In diesem Bereich will der Bund ein neues Stromkabel verlegen, das in der Nordsee erzeugten Windstrom transportieren soll. Von Klein Rogahn aus soll der Strom dann, zusammen mit Windstrom von der Ostsee, weiter in den Süden der Republik transportiert werden. „DC 31“ heißt bei den Planern die Starkstromleitung, die 2032 in Betrieb genommen werden soll.
Das Projekt ist im Januar im Netzentwicklungsplan des Bundes bestätigt worden, eine Zustimmung des Bundestages steht noch aus. Die gilt aber als Formsache, da die Ampelkoalition in Berlin mit genau solchen Projekten die Energiewende beschleunigen will. „Das Projekt ist Bestandteil der Ausbaupläne der neuen Bundesregierung“, sagt Mathias Fischer, Sprecher der Netzbetreiber-Gesellschaft Tennet. Sie wird das Projekt im Bereich von Schleswig-Holstein realisieren, gemeinsam mit der Gesellschaft 50 Hertz, die in Mecklenburg-Vorpommern zuständig ist.
Windstrom: Startpunkt wird „Suchraum Heide“
Geplant wird laut Fischer eine 212 Kilometer lange Gleichstromleitung mit 525 Kilovolt Spannung und einer Kapazität von zwei Gigawatt. „Das entspricht etwa der Leistung von zwei konventionellen Kraftwerken“, sagt Fischer. Als Startpunkt nennt er den „Suchraum Heide“, Endpunkt ist nach Angaben von 50 Hertz der „Suchraum Klein Rogahn“ – dabei handelt es sich um das Umfeld einer 1300 Einwohner großen Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern, gelegen sieben Kilometer westlich von der Landeshauptstadt Schwerin.
DC 31 soll laut Mathias Fischer hauptsächlich Windstrom transportieren, der von zwei Offshore-Windparks in der Nordsee erzeugt wird. Um den Strom in die Leitung zu bringen, werde im „Suchraum Heide“ ein Stromdrehkreuz gebaut, das den Strom der Windparks auf See und zusätzlich auch Strom von Windkraftanlagen an Land einspeisen könne. Von diesem Drehkreuz, im Fachjargon „Multi-Terminal-Hub“, soll die Energie dann in Richtung Schwerin durch zwei etwa 15 bis 18 Zentimeter dicke Kabel fließen, die 1,5 bis zwei Meter tief unter der Erde verlaufen werden.
Anlage soll Strom aus Heide und Ostsee aufnehmen
Am Endpunkt, im „Suchraum Klein Rogahn“, soll eine Anlage gebaut werden, die den Strom aus Heide und auch den Ostsee-Windstrom aufnehmen und in die noch zu bauende Stromtrasse „SüdostLink“ einspeisen kann, die nach Bayern führt und schon 2027 in Betrieb gehen soll. Im Verlauf der DC-31-Trasse werde wenig oberirdisch zu sehen sein. Gebaut würden nur „ein- bis zwei technische Gebäude in der Größe von Trafohäuschen“, die für den Betrieb notwendig seien. Alles in allem werde für das Vorhaben ein „kleiner einstelliger Milliardenbetrag“ investiert.
Am wenigsten konkret ist die Planung in dem Punkt, der die Bürger zwischen Heide und Schwerin am stärksten interessieren dürfte – nämlich, wo das Kabel DC 31 genau verlegt wird. Bisher stehen mit Heide und Klein Rogahn nur der ungefähre Start- und Endpunkt fest, dazwischen ist ein 90 Kilometer breiter Streifen zwischen Hamburg und Kiel wiederum als „Suchraum“ definiert. Die Kreise Steinburg, Segeberg und Stormarn liegen in diesem Gebiet, ein Verlauf durch diese Kreise erscheint realistisch.
„Wir stehen ganz am Anfang der Planungen“
Matthias Fischer sagt allerdings, dass er Fragen dazu „zu diesem Zeitpunkt nicht seriös beantworten“ könne. „Wir stehen ganz am Anfang der Planungen.“ Nach einem Bundestagsbeschluss, mit dem in den nächsten Monaten zu rechnen sei, werde die Tennet in den konkreten Prozess gehen. „Da spielen dann Naturschutz- und Umweltbelange eine Rolle sowie der Abstand zur Wohnbebauung und zu Kanälen und Flüssen“, so Fischer.
Auf der anderen Seite stehe das Kriterium der Wirtschaftlichkeit, man wolle „nicht 400 statt 200 Kilometer bauen“. Wenn die Tennet einen Trassenvorschlag erarbeitet habe, werde dieser vorgestellt. Anschließend werde die Öffentlichkeit über das Planfeststellungsverfahren beteiligt – Kreise, Städte, Gemeinden, Verbände und andere Akteure können dann ihre Einwendungen abgeben. Mit einem Baubeginn rechnet Fischer „Ende der 2020er-Jahre“.
Kabel muss komplett unterirdisch verlegt werden
Dass das Kabel komplett unterirdisch verlegt wird, ist der Gesetzeslage geschuldet. Nachdem es vor einigen Jahren in Bayern massive Proteste gegen oberirdische Verläufe der Trasse „SüdLink“ gab, wurde 2015 auf Bundesebene beschlossen, dass Gleichstromkabel prinzipiell unter der Erde zu verlegen seien. Die Technologie wird verwendet, um Strom über weite Strecken zu transportieren; die Verlegung unter der Erde ist viel leichter möglich als bei Wechselstrom. Der Gesetzgeber erhofft sich von diesem Verfahren eine bessere Akzeptanz von langen Starkstromtrassen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.
Für Diskussionen und Kontroversen dürfte die DC-31-Planung dennoch sorgen. Denn auch Erdkabel-Planungen rufen Protest hervor – so etwa schon jetzt in Henstedt-Ulzburg. Hier sorgt ein anderes Projekt, das schon viel weiter fortgeschritten ist, seit Jahren für Ärger. Die Rede ist von der Ostküstenleitung, die die Tennet plant und die Windstrom aus Ostholstein in die Stromnetze bringen soll. Einige Kilometer der Trasse sollen unterirdisch verlaufen, unter anderem durch ein Biotop. Kommunalpolitiker lehnen die Trasse deshalb strikt ab, Landwirte befürchten zudem, dass die Abwärme eines Erdkabels negative Folgen für den Ernteertrag der Äcker haben könnte, durch die die Trasse verläuft.
„Wir tragen die Erdschichten einzeln ab"
Mathias Fischer hält dem entgegen, dass die Tennet schon „mehrere Tausend Kilometer Kabel“ unter der Erde verlegt habe, etwa im Rahmen des Projekts „NordLink“ zwischen Norwegen und Deutschland. Teil dieser Trasse, die seit 2020 in Betrieb ist, ist ein Gleichstrom-Erdkabel, das zwischen Büsum und Wilster verläuft.
Laut Fischer habe die Tennet Erfahrungen mit der umweltschonenden Verlegung von Erdkabeln, etwa im Bereich von Äckern. „Wir tragen die Erdschichten einzeln ab und fügen sie, nach Verlegung der Kabel, in genau dieser Reihenfolge wieder ein.“ Die Ernteerträge seinen nach einer Weile nicht mehr beeinträchtigt. Zudem gebe das Erdkabel auch bei Volllast-Betrieb nur sehr wenig Wärme nach außen ab – aber die Leitungen würden ohnehin „nur selten in Höchstlast gefahren“. Die Bedenken seien also unbegründet.
Windstrom: Noch keine Stellungnahme vom BUND
Vonseiten des schleswig-holsteinischen Landesverbandes des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gibt es derzeit „noch keine offizielle Stellungnahme“ zu dem Projekt DC 31, sagt Sprecherin Martina Gremler. Sowohl Erd- als auch Freileitungen hätten jeweils Vor- und Nachteile, die es „im jeweiligen Projekt und Standort“ abzuwägen gelte. Auch Ingo Ludwichowski, Sprecher des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Naturschutzbundes (NABU), sagt, dass man das Vorhaben erst dann bewerten könne, wenn es konkretere Planungen gebe.
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Aber er sagt auch: „Im Grundsatz ist es zumindest besser, eine Trasse unterirdisch zu verkabeln, als große Stromtrassen oberirdisch zu gestalten.“ Dennoch komme es „immer auf den Einzelfall, also auf den Umfang der betroffenen Schutzgüter, an“. In den kommenden Monaten dürfte die Stromtrasse auch ein Thema für die Kommunalpolitik werden. Im Kreis Segeberg will sich der Infrastrukturausschuss noch im Februar mit der Planung befassen.