Schwarzenbek/Aarhus. Schwarzenbeker suchen Ideen für ein neues Bürgerzentrum. Was eine Delegation in Dänemarks zweitgrößter Stadt entdeckt.
Es sieht futuristisch aus und gewährt dank der großzügigen Verglasung spektakuläre Blicke über den Hafen und auf die Skyline von Aarhus: Am Kai des nicht mehr intensiv genutzten Hafens der dänischen Stadt Aarhus ist im Jahr 2015 für 300 Millionen Euro ein gigantisches Bürgerzentrum entstanden, das vieles in der 300.000-Einwohner-Kommune im Norden des Landes verändert hat. Eine Delegation aus Schwarzenbek hat sich das „Dokk1“ (ausgesprochen: „Dokken“, da in Dänemark die Zahl Eins En heißt) jetzt angesehen und Anregungen für ein eigenes Bildungszentrum geholt.
Gigantisches Dokk1 in Aarhus: Ideen dahinter taugen auch für Schwarzenbek
„Es ist klar, dass das hier ganz andere Dimensionen als bei uns in Schwarzenbek sind. Aber viele Konzepte, die hier umgesetzt sind, können wir im Kleinen in die Planungen für unsere ehemalige Realschule einfließen lassen“, machte Bürgermeister Norbert Lütjens deutlich, der die 20-köpfige Delegation aus Pädagogen, Politikern und Verwaltungsmitarbeitern anführte. Über den zweitägigen Besuch in Dänemark vor gut einer Woche berichten wir in einer Serie. Heute folgt der dritte Teil. Die beiden ersten Abschnitte beschäftigten sich mit der Frederiksbjerg Skole, die ein Modell für die beiden neuen Grundschulen in Schwarzenbek sein könnten. Jetzt geht es um die Zukunft der alten Realschule und deren Bedeutung als Ankerpunkt für mehr Leben in der Innenstadt.
Auch in Aarhus ging es um die Frage, wie die Innenstadt weiter belebt werden kann. „Wir hatten die Flächen im Hafen, haben uns aber bewusst gegen eine Bebauung mit hochpreisigen Wohnungen entschieden, sondern wollten diesen Bereich als weiteres Stadtzentrum nutzen, damit alle Bürger hierher kommen können“, erläutert Marie Östergaard, die die 18 Bibliotheken in Aarhus leitet und von Anfang an das Projekt mit begleitet hat. Kernstück des Dokk1 ist zwar eine Bücherei, aber es geht nicht nur um Bücher oder andere Medien, sondern um das Zusammenkommen vieler Menschen jeder Altersgruppe. Letztlich stehen Bildung und eine sinnvolle Freizeitgestaltung im Vordergrund, zugleich ist das Dokk1 ein Treffpunkt. Das Konzept hat sich durchgesetzt. Gut 3500 Menschen besuchen das Dokk1 jeden Tag, sieben Tage die Woche. Etwa 150 Veranstaltungen gibt es wöchentlichen am Kai.
Bürgerzentrum für die kommenden 100 Jahre geplant – gibt’s dann noch Bücher?
„Wir haben für die kommenden 100 Jahre geplant. Bücher spielen dann möglicherweise noch eine Rolle, wir wissen das aber nicht. Die Medien ändern sich, die Interessen der Menschen ebenfalls. Deshalb geht es uns in erster Linie um Bildung und Begegnung. Die Räume sind so konzipiert, dass sie möglichst flexibel genutzt werden können“, sagt Marie Östergaard.
Ein Kernpunkt ist die Vernetzung von Bürgerservice und Bücherei, aber auch von Erwachsenenbildung, Kinderbetreuung und vielen weiteren Aspekten. „An uns kommt niemand vorbei. Jeder Mensch, der sich in Dänemark anmeldet, muss ins Bürgerbüro kommen. Fast alles geht digital, die Anmeldung oder die Abholung eines Ausweises aber nicht“, erläutert Marie Östergaard.
Wer sich im Ort anmelden muss, kommt nicht am Bürgerzentrum vorbei
Deshalb muss jeder Bürger von Aarhus irgendwann einmal ins Dokk1 kommen, um trotz der in Dänemark viel weiter als in Deutschland fortgeschrittenen Digitalisierung Behördengänge vorzunehmen. Das gilt auch für die Neubürger, die als Zugereiste oder als Flüchtlinge in die Stadt kommen. „Unsere elektronischen Anzeigetafeln sind alle auf Dänisch. Das ist ein politischer Beschluss. Aber wir haben Broschüren in verschiedenen Sprachen an den Infotresen und kommen auch mit den Besuchern in den verschiedensten Sprachen ins Gespräch, um auf unsere Angebote hinzuweisen“, sagt die Leiterin.
Da der Bürgerservice direkt im Eingangsbereich des sehr offen gestalteten Bürgerzentrums liegt, werden die Besucher sofort mit wechselnden Ausstellungen konfrontiert. Auch die Buchrückgabe findet dort über ein computergesteuertes System statt. Viele Veranstaltungen in Aarhus werden im Dokk1 ausgerichtet. Dabei ist es egal, ob es um einen Diavortrag über die Antarktis, ein Konzert der Rockband Rammstein oder ein Musical geht. Das Bürgerzentrum hat einfach die größten Räume, Freiflächen und bietet die Möglichkeit, sich zu treffen oder etwas anzubieten.
Vandalismus ist in Aarhus ein Fremdwort: „Wir passen auf uns auf“
Das Konzept funktioniert. „Wir passen auf uns auf. Das Haus ist für alle nutzbar, deshalb wollen die Besucher es auch in einem guten Zustand erhalten und tragen mit eigenen Projekten wie beispielsweise den selbst gebauten Spielgeräten für die Kleinkinder zu Verbesserungen bei“, sagt Marie Östergaard. Vandalismus gibt es nicht, Verbote auch kaum. Das Dokk 1 ist täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet. Die ersten zwei Stunden und die letzten drei Stunden sind keine Betreuer im Haus. Lediglich ein Hausmeister achtet auf die Einhaltung der Regeln, was in einem so großen Gebäude nur angesichts der hohen Selbstdisziplin der Nutzer möglich ist. „Wir waren selbst gespannt, ob die Öffnung ohne eigenes Personal funktioniert, und waren überrascht, wie gut es geht“, sagt Marie Östergaard. Allerdings ist um 22 Uhr definitiv Schluss. „Wer danach noch unterwegs ist, hat meist nichts Gutes im Sinn“, meint die Bibliothekarin.
Ein charmantes aber zugleich prägnantes Detail ist die große Röhrenglocke im oberen Stockwerk. Sie ist 7,5 Meter lang, wiegt fast drei Tonnen und erklingt, sobald in Aarhus ein Kind geboren wird. Das Glockenwerk ist elektronisch direkt mit der Geburtsklinik verbunden. Damit wird die Vernetzung des Bürgerzentrums mit dem Leben in der Stadt dokumentiert.
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Rund um das Dokk1 ist ein neues Zentrum in der dänischen Stadt entstanden, genau so, wie es sich Schwarzenbek für die ehemalige Realschule wünscht. „Die Bewegungsströme haben sich von der Altstadt bis hierher zu uns verlagert. Auch die Hafenpromenade ist ein neuer Hotspot geworden“, sagt die Leiterin der Bücherei. Allerdings ist Aarhus um ein Vielfaches größer als Schwarzenbek, und auch der Nahverkehr wurde an die neuen Verkehrsströme angepasst.
Roboter verschieben Autos in unterirdischen Parkdecks
Wer das Zentrum Dokk1 nutzen will, kann sowohl aus den nahe gelegenen Wohngebieten kommen oder aber mit der Straßenbahn, die im Gebäude hält. Oder mit dem eigenen Auto. Die Fahrzeuge verschwinden computergesteuert auf speziellen Plattformen unter der Erde in drei tiefer gelegenen Stockwerken. „Die Luft dort hat ganzjährig eine Temperatur von 15 Grad. Östergaard: „Da die Motoren aus sind, wenn die Fahrzeuge auf den Decks von Robotern verschoben werden, gibt es dort keine Abgase. Wir nehmen die Luft für die Klimatisierung der Räume. Für die Heizung gibt es Fernwärme, den Strom erzeugen wir mit Solarzellen auf dem Dach.“