Schwarzenbek. Glasermeister kurz vor seinem 103. Geburtstag gestorben. Er prägte die Nachkriegszeit als Handwerker, Sänger, Sportler – und Europäer.

Er war Schütze, verglaste die St.-Franziskus-Kirche, gründete die Boxsport-Abteilung des TSV, sang bei der Liedertafel, schuf eine Ladenzeile in der Uhlenhorst und brachte an der Seite des ehemaligen Bürgermeisters Hans Koch die europäische Verbrüderung voran: In der Nachkriegsgeschichte der Stadt Schwarzenbek gibt es kaum ein Kapitel, an dem Hans Behrendt nicht mitgewirkt hat.

Jetzt ist der Glasermeister und einer der ältesten Bewohner der Stadt kurz vor seinem 103. Geburtstag gestorben. Die Trauer ist groß.

Große Trauer: Hans Behrendt aus Schwarzenbek mit 102 Jahren gestorben

„Ich kam 1946 nach Schwarzenbek. Da war Hans Behrendt schon dabei, den Wiederaufbau voranzutreiben. Er war ein fleißiger Handwerker und Macher, der gleich angepackt hat, wenn es etwas zu tun gab. Ich habe ihn sehr geschätzt“, sagt Hans Schröder (87), der mehr als vier Jahrzehnte kommunalpolitisch in Schwarzenbek aktiv war.

„Urgesteine“ der Verbrüderungsarbeit treffen bei der Jumelage im August 2015 noch einmal zusammen: die Schwarzenbeker Hans Behrendt (v. l.) und Wolfgang Lehmann sowie Yves Riou aus Aubenas.
„Urgesteine“ der Verbrüderungsarbeit treffen bei der Jumelage im August 2015 noch einmal zusammen: die Schwarzenbeker Hans Behrendt (v. l.) und Wolfgang Lehmann sowie Yves Riou aus Aubenas. © BGZ | Marcus Jürgensen

„Er war ein Schützenbruder, den wir geschätzt haben. Zu den Veranstaltungen kam er am Schluss nicht mehr, aber zu seinem 100. Geburtstag sind wir alle vor seiner Haustür angetreten“, erinnert Sven Dreyer, Vorsitzender der Schützengilde.

Ehrenmitglied war an der Gründung der Wirtschaftlichen Vereinigung beteiligt

Von der Stadt gab es zum 100. Geburtstag eine Eintrittskarte für das Musical „Ich war noch niemals in New York“ im Amtsrichterhaus, das die damalige Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig dem begeisterten Sänger und Musiker geschenkt hatte.

Von der Wirtschaftlichen Vereinigung (WVS) wurde Behrendt im Jahr 2018 zu seinem 100. per Urkunde zum ersten Ehrenmitglied ernannt. Am 13. Dezember 1954 in Schröders Hotel gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der WVS.

Hans Behrendt verstarb am 19. April, am 18. Mai wäre er 103 Jahre alt geworden

Mit Hans Behrendt verliert Schwarzenbek einen zupackenden, aber zugleich auch bescheidenen Menschen, der die Nachkriegsgeschichte der Stadt geprägt hat. Er verstarb am 19. April, am 18. Mai wäre er 103 Jahre alt geworden. Trauerfeier und Beisetzung finden wegen der Corona-Pandemie nur im engsten Familienkreis statt.

Hans Behrendt war Handwerker, Sänger und Sportler aus Leidenschaft – außerdem war er ein überzeugter Europäer. Schon zu Beginn der Verbrüderung 1961 war Behrendt an der Seite von Bürgermeister Hans Koch mit dabei.

„Max Schmeling war mein Idol. Er hat meine Leidenschaft für das Boxen geweckt“

„Max Schmeling war mein Idol. Er hat meine Leidenschaft für das Boxen geweckt“, sagte Hans Behrendt im Interview zu seinem 100. Geburtstag. Die Radioübertragungen von Schmelings Kämpfen Anfang der 1930er-Jahre hatten ihn begeistert. Bis zu seinem Tod hielt er sich mit Yoga fit.

Behrendt wurde 1918 in Wesenberg (Mecklenburg-Vorpommern) geboren, lernte nach der Schule Hotelkaufmann in Neustrelitz. Dann sollte er die elterliche Glaserei und den Malerbetrieb in dritter Generation übernehmen. Der Zweite Weltkrieg verhinderte das. Behrendt kam als Soldat nach Griechenland und an die Ostfront in Russland.

Mit schweren Kopf- und Handverletzungen aus dem Zweiten Krieg zurückgekehrt

Mit schweren Kopf- und Handverletzungen kehrte er Heim und geriet im Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft. Er wurde wenig später entlassen und machte sich zu Fuß auf nach Hamburg und weiter nach Lübeck, um seine Schwester zu suchen. In der Travestadt meldete er sich bei der Glaser-Innung und bekam eine Lehrstelle in Schwarzenbek beim Glaser und Fotografen Martens vermittelt. Wenig später machte er sich gemeinsam mit Kurt Köhler selbstständig.

Sie erwarben das Grundstück an der Ecke Uhlenhorst/Schmiedestraße von der Hamburger Holstenbrauerei, die ihren dortigen Eiskeller aufgab, weil in den Gaststätten mittlerweile die elektrische Kühlung Einzug gehalten hatte.

Auch das Mausoleum des „eisernen Kanzlers“ Bismarck hat er einst neu verglast

Seine Spezialität war Bleiverglasung. Deshalb bekam er auch den Auftrag, die Fenster der St.-Franziskus-Kirche zu erneuern. Sie waren im Krieg zerstört worden. Auch das Mausoleum des „eisernen Kanzlers“ Bismarck hat er neu verglast.

Hans Behrendt gründete die Boxsparte des TSV Schwarzenbek.
Hans Behrendt gründete die Boxsparte des TSV Schwarzenbek. © BGZ | Monika Retzlaff

Neben dem erfolgreichen Geschäft – später mit drei Gesellen und zwei Verkäuferinnen, die Bilderrahmen veräußerten – gehörte die Leidenschaft von Hans Behrendt dem Sport. Schon vor dem Krieg hatte er in Wesenberg Fußballmannschaften trainiert und war leidenschaftlicher Turner.

In Schwarzenbek trat er vor mehr als 70 Jahren dem TSV und der Schützengilde bei, war aber nie Schützenkönig: Sein größter Verdienst im Sport war die Gründung der Boxsparte, die überregional erfolgreich war.