Elmenhorst. Mahnwache vor dem Jugendhilfeausschuss: Tagesmütter kritisieren Kita-Reform und fordern größeren Anteil am Sechs-Millionen-Euro-Paket.

103 aktive Tagesmütter und -väter gibt es zurzeit im Kreis Herzogtum Lauenburg . Viele von ihnen üben anhaltend Kritik an der Kita-Reform , die im August in Kraft getreten ist. Jetzt laufen sie Sturm. Anlass sind die ab Januar 2021 geltenden Vergütungsregelungen, die zurzeit verhandelt werden. In einer Petition, die bereits weit mehr als 700 Menschen unterschrieben haben, fordert die Interessensgemeinschaft Kindertagespflege vom Kreis bezahlte Urlaubs- und Krankentage sowie eine Anhebung des Sachkostenanteils.

Am Mittwoch um 17 Uhr wollen IG-Mitglieder mit einer Mahnwache vor der Kreisfeuerwehrzentrale in Elmenhorst, in der ab 17.30 Uhr der Jugendhilfeausschuss des Kreises tagt, auf ihre Situation aufmerksam machen.

Hitzige Diskussion um Kindertagespflege im Herzogtum Lauenburg

Hintergrund ist, dass im Zuge der Reform für Tagespflegepersonen Mindestvergütungssätze eingeführt wurden. Die Tagesmutter erhält derzeit pro Kind/Tag mindestens 4,73 Euro plus eine Sachkostenanteil von 1,10 Euro, ab Januar erhöhen sich die Beträge auf 4,84 Euro und 1,12 Euro. Diese Beträge sind nach Auskunft des Kreises von den Expertengruppen beim Land als sachgerecht ermittelt und mit Beschluss des Kreistags im Juni 2020 festgelegt worden. Mit einer Evaluation soll später geprüft werden, ob diese Beträge angemessen sind.

Die Forderungen der Tagesmütter sind dem Kreis bekannt, gelten dort jedoch als überzogen. „50 Tage Ausfallzeiten durch Urlaub oder Krankheit sind in die Beiträge bereits eingerechnet“, erläutert Kreissprecher Tobias Frohnert. Wer aber nur eine Fehlzeit von 30 Tagen im Jahr hätte, würde an 20 von 50 Tagen Geld einnehmen, obgleich diese Tage schon über das Jahr mitbezahlt sind – also doppelt verdienen.

Interessengemeinschaft hofft auf ein Ergebnis im Ausschuss

„Das ist für uns so nicht akzeptabel“, hält Sandra Wöhlke, Sprecherin der IG, dagegen. Mit den Beträgen liege das Gehalt einer VollzeitTagesmutter mit einer durchschnittlichen Auslastung und täglich fünf Kindern bei rund 26.000 Euro im Jahr – und damit rund 9.500 Euro unter dem Gehalt einer Kita-Angestellten. „Von Angleichung, wie die Reform es angeblich vorsieht, keine Rede“, kritisiert Wöhlke.

Auch die Gegebenheiten in Kitas und bei Tagesmüttern seien nicht vergleichbar. „Wir haben pro Woche 38 Stunden geöffnet, aber nur eine Auslastung und damit Bezahlung von 28 Stunden“, erläutert sie. Die Differenz ergebe sich aus den unterschiedlichen Betreuungszeiten einzelner Kinder.

„Es wird nicht mit offenen Karten gespielt“

Um auf ein angemessenes Gehalt inklusive sozialer Absicherung zu kommen, fordert die Interessensgemeinschaft keinen Abzug der Ausfallzeiten. Stattdessen müssten die Geldleistungen ohne Unterbrechung gezahlt werden und der Sachkostenanteils von 1,10 auf 1,73 Euro angehoben werden.

„Was uns so wütend macht ist, dass nicht mit offenen Karten gespeilt wird“, kritisiert Sandra Wöhlke. Das Zahlenwerk, das der Kreis dem Ausschuss zum Beschluss vorlege, ist ihrer Ansicht nach nicht korrekt. „Im Haushalt wird die Summe für die Tagesmütter aufgeführt, die sich bei Durchzahlung ergibt. Beschlossen werden soll aber ein Betrag mit Abzug der Fehltage!“

Landesmittel werden komplett für Kinderbetreuung verwendet

Dabei sei das Geld für die Durchzahlung im Kreishaushalt vorhanden, behauptet die 42-Jährige. „Der Kreis erhält im kommenden Jahr 6.509.800 Euro, anteilig von den Gemeinden, den Eltern und dem Land für Tagesmütter- und Väter. Gegenüber stehen Ausgaben von ­5.902.500­ bei ganzjähriger Durchzahlung“, rechnet Sandra Wöhlke vor. Das ergebe bereits einen Überschuss von 607.300 Euro. Würden die Ausfalltage abgezogen, streiche der Kreis sogar einen Überschuss in Höhe von mehr als 1,7 Millionen Euro ein.

Von einem „Überschuss“ für den Kreis können keine Rede sein, hält Kreissprecher Frohnert dagegen „Die Landesmittel werden vollumfänglich für die Kindertagesbetreuung verwendet werden.“ Dazu zählten auch die Sozialversicherungsabgaben für Tagesmütter- und Väter, Sachkosten sowie „die Entwicklung von Vertretungsmodellen.“

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Die Finanzierung der Kindertagespflege hatte der Kreis-Jugendhilfeausschuss in seiner Oktober-Sitzung vertagt. „Wir erwarten morgen beim Ausschuss eine Entscheidung zugunsten einer besseren Entlohnung“, sagt Sandra Wöhlke. Sollte es dazu nicht kommen, seien für Freitag, 20. November, Arbeitsniederlegungen geplant.

  • Interessengemeinschaft Kindertagespflege:

Die Interessengemeinschaft Kindertagespflege im Herzogtum Lauenburg ist am 7. April 2020 gegründet worden, nur wenige Wochen nachdem das Betretungsverbot von Kitas und Schulen wegen der Corona-Pandemie ausgesprochen worden war. Die Gruppierung setzt sich für gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung der Tagespflegepersonen ein. Aktuell hat die IG 76 Mitglieder. Informationen zu der IG und zu den einzelnen Mitgliedern gibt es auf der Homepage unter www.tagesmuetter-kreis-rz.de