Lauenburg. Das ehemalige Schützenhaus der Gilde soll einen neuen Eigentümer bekommen. Heimatforscher erzählt die Geschichte des Denkmals.
Es ist ein eher unauffälliges Exposé auf der Plattform www.immobilienscout24.de. Unter dem Titel „Mehrfamilienhaus mit Geschichte“ wird für 550.000 Euro ein Gebäude angeboten, das etwas versteckt hinter Büschen und Bäumen an der Hamburger Straße steht. Es ist das ehemalige Schützenhaus der Lauenburger Gilde von 1666.
Auch wenn das Fachwerkhaus zwischen Friedhof und Aral-Tankstelle heute ein Wohngebäude ist, kann Heimatforscher Horst Eggert potenziellen Käufern eine spannende Geschichte über die Immobilie erzählen, die genaugenommen schon 18 Jahre vor Gründung der Lauenburger Schützengilde begann. Kein Wunder also, dass das Haus auf der Denkmalliste des Landes Schleswig Holstein steht.
Herzog verschenkt Teil seines Vorwerkes
Alles fing nämlich mit der Großzügigkeit des Herzogs Julius Heinrich an. Der schenkte 1648 den Schützenbrüdern am damaligen Hamburger Weg einen Schießplatz, den er von seinem Vorwerk abzweigte. Aber erst Herzog Franz Erdmann verlieh der Schützenbrüderschaft 1666 den Gildebrief, der gleichzeitig als Gründungsurkunde der heutigen „Lauenburger Schützengilde von 1666“ angesehen wird.
„Mit der Verleihung des Gildebriefes 1666 fühlten sich die Schützen aus Dankbarkeit und zur Erinnerung an dieses Gründungsjahr verpflichtet, an der Westseite des ihnen zugewiesenen Schießplatzes eine Reihe Eichen zu pflanzen“, weiß Horst Eggert. Es waren insgesamt 36 Eichen, die die Schützenbrüder vor 357 Jahren pflanzten.
Eine einzige Eiche hat der Zeit getrotzt
Es ist nur noch eine Eiche, die bis heute erhalten ist. Sie gilt als der älteste Baum von Lauenburg. Die Rinde des Stammes, den drei ausgewachsene Männer nicht umfassen könnten, ist gerissen. Alte Dokumente besagen, dass die Schützengilde diese Eiche in ihrem Gründungsjahr 1666 pflanzte. „Schon in meiner Schulzeit war ich fasziniert von der Eiche am alten Schützenhaus“, sagt der Heimatforscher Horst Eggert. Er habe sich damals immer gefragt, wie alt der mächtige Baum wohl sei.
Erst viele Jahrzehnte später ist der heute 86-Jährige dem Geheimnis auf die Spur gekommen. Durch Zufall war ihm die 1974 veröffentlichte Geschichte des Lauenburger Heimatdichters Wilhelm Hadeler in die Hände gefallen. „De letzte Eek bie’n Schüttenhus“ beschrieb auf Grundlage alter Dokumente die Geschichte der alten Eiche.
Neben der heute noch stehenden stand in den 1920er-Jahren eine noch mächtigere Eiche. Ihre Zweige reichten weit über die Hamburger Straße hinweg. Der Baum ist damals der Säge zum Opfer gefallen, wie Wilhelm Hadeler in seiner Geschichte erzählt. Einer weiteren Schützeneiche hatte eine durchrostete Gasleitung den Garaus gemacht. Als sie gefällt wurde, zählte man 300 Jahresringe.
Lauenburger Gilde ließ das Schützenhaus bauen
Doch nicht immer waren die Herzöge den Lauenburger Schützen so wohlgesonnen. Als die das Lauenburger Land regierenden Askanier 1686 ausgestorben waren, bemächtigten sich die auf der anderen Seite der Elbe regierenden Lüneburger und dann die Hannoveraner des Lauenburger Herzogtums. Die neuen Machthaber wollten nichts mit der Gilde zu tun haben.
Erst 1790 fassten die Lauenburger Schützen wieder Mut und wagten einen Neubeginn. Sie planten und bauten ihr Schützenhaus und zwar hinter den auf beiden Seiten stehenden Eichen, sodass dort ein freier Platz entstand, der so genannte Schützenplatz – eingerahmt von den inzwischen mächtig gewachsenen Bäumen.
Sehen und gesehen werden auf dem Schützenfest
Fortan hatte die Lauenburger Gilde ein Domizil, das sich für damalige Verhältnisse durchaus sehen lassen konnte. Das Schützenfest fand im 17. und 18. Jahrhundert am Montag oder Dienstag nach Trinitatis statt. Sogar der dänische König war zweimal Schützenkönig. In den Annalen der Gilde sind die Jahre 1820 und 1851 genannt. Ob seine Majestät allerdings wirklich vor Ort war oder in seiner Vertretung ein königlicher Beamter geschossen hat, ist nicht überliefert.
Ab 1816 luden die Schützen alljährlich ganz Lauenburg zum Volksfest ein. Zwei Jahre später wurde das Schützenhaus in seiner heutigen Form eingeweiht und stand seitdem im Mittelpunkt des Gilde-Festes. Sehen und gesehen werden hieß es da. Die Frauen der Stadt führten die neueste Mode aus. Zwischen Hamburger Straße und Schüsselteich standen Karussells für die Kinder und Trinkbuden für die Väter. Im Nationalsozialismus wurde die Schützengilde in „Lauenburger Bürger-Gilde von 1666“ umbenannt. Dem Reichssportbund wollten die Schützen nicht beitreten. Deshalb wurde ihnen 1936 die Betätigung verboten.
1958 wird das ehemalige Schützenhaus Wohngebäude
Mit dem Umzug der Gilde in den Fürstengarten stand das Schützenhaus an der Hamburger Straße leer. 1958 begann der Umbau in ein Wohnhaus. Heute leben sechs Familien in dem schmucken Fachwerkhaus. Das zweigeschossige Gebäude wird sich auch unter einem neuen Eigentümer kaum verändern.
„Das ist auch gut so. Schön, dass wir auch in der Oberstadt so bedeutende Zeugen der Lauenburger Geschichte haben“, sagt Horst Eggert. Die Eiche, die die Schützenbrüder im Gründungsjahr der Gilde pflanzten, könnte übrigens noch viele Jahre Schatten spenden. Die älteste Eiche Deutschlands steht in Ivenack (Mecklenburg-Vorpommern). Sie soll etwa 1000 Jahre alt sein.