Lauenburg/Büchen. Bis 2027 sollen die kommunalen Wärmepläne stehen, damit Städte und Gemeinden klimaneutral werden. Doch es mangelt an den Experten.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Kieler Landesregierung viele Städte und große Gemeinden des Landes verpflichtet, bis Ende 2024 eine kommunale Wärmeplanung anzugehen. 2027 muss diese stehen.
Es hakt an diversen Stellen: Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, muss noch viel geschehen. Eine Mammutaufgabe ist das Wohnen: Heizung und Warmwasserversorgung tragen aktuell rund 40 Prozent zum energiebedingten Kohlendioxid-Ausstoß bei.
Energiewende hakt, Städte und Gemeinden sollen sie retten
Mit ihren Überlegungen, was jeweils vor Ort geschehen kann, nehmen die Beteiligten höchst unterschiedliche Ideen ins Visier. Tatsächlich sind die örtlichen Gegebenheiten sehr verschieden. Wo Teile Baden-Württembergs auf riesigen, unterirdischen Seen „schwimmen“, die bereits angezapft werden, stellt sich etwa in Lauenburg und Büchen die Frage, woher das Mehr an benötigter erneuerbarer Energie kommen soll. Aus Tiefbohrungen, die Grundwasserschichten anzapfen. Aus Erdwärme? Aus mehr Biomasse? Oder vielleicht aus der Elbe?
In zentralen Punkten herrscht auf kommunaler Ebene Einigkeit: Anders als gelegentlich von Bundespolitikern vermittelt, ist die Aufgabe in der Kürze der Zeit keineswegs allein mit Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse zu lösen. Bis 2030 sollen bereits massive Fortschritte erreicht sein.
Sonne, Wind und Biomasse werden nicht ausreichen
Solarkollektoren und Wärmepumpen werden es in Deutschland in wenigen Jahren auch im Verbund mit Strom aus Windenergie und Photovoltaik-Anlagen nicht schaffen, eine hinreichende Wärmeversorgung sicherzustellen. Nicht einmal für Einfamilienhäuser.
Allein Privathaushalte, Wohnungsunternehmen und Energieversorger in die Pflicht zu nehmen, kann also nicht funktionieren. Die Bundesregierung hat die Aufgabe weiter gereicht. Nach Baden-Württemberg war Schleswig-Holstein das zweite Bundesland, das viele Kommunen damit beauftragt hat, kommunale Wärmepläne zu erstellen. Hessen folgt.
Kommunale Wärmeplanung soll bereits 2027 stehen
Ende 2024 sollen im Land zwischen den Meeren die kommunalen Konzepte auf den Weg gebracht sein. Und bereits 2027 soll die jeweilige Wärmeplanung stehen. „Das ist ein großes Problem, alle Kommunen brauchen für die Bewältigung der übertragenen Aufgaben externen Sachverstand, doch der ist nicht annähernd im notwendigen Maße vorhanden“, warnt Uwe Möller, Bürgermeister der Gemeinde Büchen.
Der Flaschenhals gleich am Anfang bereitet erhebliche Sorgen. Es muss gleich zu Beginn vieles rasch geklärt werden, um die Grundlagen für konkrete Planungen zu legen.
„Eines ist schon klar, niemand wird für die kommunale Wärmeplanung auf nur ein Pferd setzen können. Welches sollte das auch sein?“, sagt Christian Asboe, Leiter der Lauenburger Stadtplanung. Anders als Büchens Werkausschuss, der das Thema bis nach der Kommunalwahl im Mai vertagt hat, hat der zuständige Lauenburger Ausschuss für Umwelt, Energiewende und Digitalisierung bereits Ende März beraten: Ein externer Dienstleister soll die „kommunale Wärme- und Kälteplanung“ entwickeln.
Ohne neue Nahwärmenetze keine Energiewende?
Wie ein vom Umweltbundesamt 2022 in Auftrag gegebenes Gutachten zur kommunalen Wärmeplanung geht auch Asboe davon aus, dass neue Nahwärmenetze ein zentraler Schlüssel zum Erfolg sind. Unabhängig davon, welche erneuerbaren Energien genutzt werden können, die Wärme muss auch in viele Häuser gelangen, die bislang an keine Fernwärmenetze angeschlossen sind.
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„Wir werden uns über verschiedene Themen unterhalten müssen“, so Asboe. Tiefenbohrungen, um das warme Grundwasser anzuzapfen, zählen aus seiner Sicht ebenso dazu wie die Rückgewinnung von Abwärme. Angesichts der in Lauenburg tätigen energieintensiven Industriebetriebe eine nahe liegende Überlegung.
Energie aus der Elbe nach dem Vorbild Rhein?
Nur auf den ersten Blick exotisch scheint der Blick auf die Elbe als potenziellen Wärmelieferanten. In Westdeutschland sei man weiter: „Am Rhein sind bereits aus Flusswasser gespeiste Wärmenetze in Betrieb oder in Planung“, weiß Büchens Bürgermeister. „Diese Möglichkeit haben wir, anders als Lauenburg, leider nicht“, bedauert Uwe Möller. Büchen könne höchstens den kleinen Elbe-Lübeck-Kanal anzapfen.
In welchem Umfang Nahwärmenetze in Flächengemeinden wie Büchen weiterhelfen können, müsse geklärt werden. „Der Anschluss weitläufiger Einfamilienhaus-Gebiete fordert hohe Investitionen, das ist ja nicht zum Null-Tarif zu haben“, mahnt Möller, die Kosten nicht aus dem Blick zu verlieren.
Gesucht seien „Kombilösungen“. Dazu könne neben Biomasse und Geothermie auch der Einsatz „von grün erzeugtem Wasserstoff in Erdgasleitungen gehören“.
Abwärme für den Winter speichern und im Sommer Gebäude kühlen
Die Rückgewinnung von Abwärme im größeren Maßstab scheint mehr als nur eine Überlegung wert. Die Kombination mit einem sogenannten Eiskeller, der im Winter die im Sommer gespeicherte Wärme liefert, im Sommer den angeschlossenen Räumen die Wärme entzieht und so kühlt, findet heute schon in manchen Neubauten Anwendung.
Geothermie wird von der Gemeinde Büchen bereits aktuell für eigene Gebäude genutzt. Drei gemeindeeigene Mietshäuser werden seit 2019 mit Wärme aus 130 Metern Tiefe versorgt, ebenso große Teile der Grundschule. Möller: „Und die neue Kita in Pötrau soll bald auch über Geothermie beheizt werden.“