Geesthacht/Berlin. Der Ansturm auf die Online-Inforeihe „Klima2Go“ ist riesig. Viele suchen Rat, da Bauvorhaben vermutlich nicht mehr gefördert werden.

Einen Ansturm auf ihre gemeinsame Online-Inforeihe „Klima2Go“ bestätigen die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein und örtliche Klimaschutzmanager- und managerinnen. Der Auftakt zum Thema Heizungserneuerung lockte rund 200 Teilnehmer, für den heutigen Montag hatten sich bis Freitag mehr als 100 Interessenten angemeldet. Jüngste Adhoc-Entscheidungen von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck haben massive Kritik ausgelöst – und das Interesse an Informationen befeuert.

Nach Presseberichten fehlen dem Bund aktuell mehr als sieben Milliarden Euro, um bislang schon eingegangene Anträge zur Förderung klimafreundlichen Bauens zu finanzieren. Die alte Bundesregierung hatte mir der Ankündigung, die finanzielle Förderung von Neubauten nach dem KfW55-Standard Ende Januar 2022 zu beenden, einen Ansturm ausgelöst. Habeck hat nach Kassensturz Anfang vergangener Woche die Notbremse gezogen. Und hat in der Immobilien- und Bauwirtschaft einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Klimafreundliches Bauen: Annahmestopp für Kfw-Förderanträge

So werde das von der neuen Bundesregierung selbst gesteckte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr niemals erreicht werden, kritisiert etwa Axel Gedaschko den Grünen Minister. Der frühere Hamburger CDU-Wirtschaftssenator spricht heute für den Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen.

Interessenvertreter haben das Aus für viele nicht mehr förderfähige Bauvorhaben angekündigt: Dem Kampf gegen den Klimawandel werde ein Bärendienst erwiesen, wenn durch den Annahmestopp für Förderanträge diverse zukunftsweisende Bauvorhaben scheitern. Vertreter von Immobilienwirtschaft und Bausektor monieren einen Vertrauensverlust durch Adhoc-Entscheidungen der Politik.

Förderstopp betrifft auch die energetische Sanierung bestehender Wohngebäude

Dass Minister Habeck seine Entscheidung unter anderem damit begründen ließ, Fördermilliarden flössen in Neubauten, die nicht mehr als den Standard darstellten, steigert den Ärger noch: Der gesetzlich definierte Mindeststandard für neue Wohnhäuser liegt in Deutschland noch deutlich niedriger, bei KfW70, nicht KfW55. Hinzu kommt: Der aktuelle Förderstopp trifft auch die energetische Sanierung (Wärmedämmung

„Die Entscheidung, auch die Förderung von hochgedämmten KfW40-Häusern zu stoppen, hat uns total überrascht“, sagt Carina Vogel, Verbraucherzentrale.
„Die Entscheidung, auch die Förderung von hochgedämmten KfW40-Häusern zu stoppen, hat uns total überrascht“, sagt Carina Vogel, Verbraucherzentrale. © Michael Schick | Michael Schick

und Iso-Fenster) bestehender Wohngebäude wie auch den Bau besonders energieeffizienter KfW40-Häuser. „Das kam auch für uns sehr überraschend“, sagt Ingenieurin Carina Vogel, zuständig für den Bereich Energieberatung bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.

Eine Folge: Eine wachsende Zahl Menschen sucht Rat bei den rund 700 Beratern der Verbraucherzentralen bundesweit. Das verwundert Carina Vogel nicht: „Wenn einem mitten in den Planungen für ein Einfamilienhaus plötzlich sichergeglaubte 20.000 Euro oder mehr fehlen, verunsichert das viele.“ Die Ankündigung, die Situation durch günstige Darlehen der KfW-Entwicklungsbank entschärfen zu wollen, wirkt nur als schwacher Trost.

Klimaschutz-Investitionen steigerten den Wert jedes Hauses

Einen grundsätzlichen Richtungswechsel anderer Art fordert das Mieterschutz-Label „Mein Fair-Mieter“. Lege man die Klimaschutzziele der aktuellen Bundesregierung zugrunde, drohe den 43.400 Mieterhaushalten im Kreis Herzogtum Lauenburg eine Kostenexplosion. Auf 454 Millionen Euro jedes Jahr beziffert eine Analyse des Pestel-Instituts Hannover den Finanzbedarf, um alle Wohnungen im Kreis bis 2045 auf den geforderten energetischen Standard zu bringen.

„Die enormen Sanierungskosten dürfen nicht auf dem Rücken der Mieter abgeladen werden“, der Staat müsse verhindern, dass „Mieter arm saniert werden“, fordert „Mein Fair-Mieter“. Und geht noch weiter: Klimaschutz-Investitionen steigerten den Wert jedes Hauses, ob Mietblock oder Einfamilienhaus. „Nutznießer sind in erster Linie also die Hauseigentümer“ , so Vorstand Mathias Günther. Damit die Kostenumlage nicht zu übermäßigen Belastungen führt, sei ein Mietendeckel notwendig.

Zweifel: Kann staatliche Förderung von Neubauten die Klimawende voranbringen?

Inwieweit die staatliche Förderung von Neubauten überhaupt die Klimawende voranbringen kann, dazu bestehen Zweifel. „Wir haben in Deutschland etwa 42 Millionen Wohnungen“, rechnet Günther vor. „2020 wurden etwa 18.000 davon abgerissen. Bleibt es bei dieser Größenordnung, würde es rechnerisch rund 2300 Jahre dauern, bis wir den Bestand komplett erneuert haben.“

Politische Zielsetzungen sollen hinterfragt werden. Altbauten mit dem Ziel zu dämmen, dass sie hohe Standards erreichen, ist technisch nur für einen Teil möglich – und rechne sich häufig auch für den Rest kaum: Wenn die energetische Komplettsanierung einer Wohnung im Schnitt mit etwa 1000 Euro je Quadratmeter zu Buche schlage, für alleinstehende Einfamilienhäuser sogar mit etwa 1500 Euro, koste diese Sanierung für ein 100-Quadratmeter-Haus etwa 150.000 Euro. „Eine Fotovoltaik-Anlage zur Stromerzeugung gekoppelt mit einer Erdwärmepumpe ist dagegen schon für etwa ein Drittel zu haben, für 50.000 Euro“, weiß Günther.

Energetische Komplettsanierung ist in vielen Fällen zu teuer

„Werden weiter nur 18.000 Wohnungen im Jahr abgerissen, dauert es etwa 2300 Jahre, bis wir alle ersetzt haben“, sagt Mathias Günther, „Mein Fair-Mieter“ .
„Werden weiter nur 18.000 Wohnungen im Jahr abgerissen, dauert es etwa 2300 Jahre, bis wir alle ersetzt haben“, sagt Mathias Günther, „Mein Fair-Mieter“ . © Pestel Institut | Pestel Institut

Neue Fenster und ein gedämmtes Hausdach reichten, um diese Kombination im Sinne des Klimaschutzes zu nutzen. Günther mahnt, die Realitäten im Auge zu behalten: „Ideologisch bedingte Einsparziele helfen im Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht weiter.“

Manche Kommunen fördern ökologisches Bauen und die Modernisierung bestehender Bauten mit Zuschüssen. So können etwa Geesthachter 1000 Euro Zuschuss bei ihrer Stadt beantragen, wenn sie sich entscheiden, ihr Haus mit einer Fotovoltaik- oder einer Solarthermieanlage zu versehen. Gefördert werden die Module auf dem Dach, aber keine Speicher.

Auch in Geesthacht war der Ansturm auf die Förderung groß, die Stadt hat den Topf aufgefüllt, damit das Programm bis Ende März 2022 fortgesetzt werden kann. „Es ist wichtig, dass der Antrag bei der Stadt frühzeitig gestellt wird“, informiert Energie- und Klimaschutzberaterin Anna Flindt. Das muss geschehen sein, bevor Arbeiten in Auftrag gegeben werden.