Krüzen. Gegen Einweg-Müll: Der Verein klimafair betreibt einen kostenlosen Geschirrverleih in Krüzen bei Lauenburg. Was dahintersteckt.
Seit dem 3. Juli 2021 werden in der Europäischen Union Trinkhalme und Einweg-Geschirr aus Plastik und Styropor nicht mehr produziert und in den Handel gebracht. Für Birgit Stüwe sowie Volker und Conny Wangelin vom Verein klimafair leben war das ein Meilenstein: Schon seit 2019 gibt es den Verein, der im nördlichen Niedersachsen aus einem Umweltstammtisch entstanden ist. Ziel: plastikfreier und nachhaltiger leben. Das wollen sie mit Workshops erreichen – und einem kostenfreien Geschirrverleih.
Seit 2020 gibt es vier Geschirrausleihestellen: Hanstedt bei Buchholz in der Nordheide, Winsen/Luhe und Salzhausen – die einzige Ausleihstelle in Schleswig-Holstein betreibt Birgit Stüwe in Krüzen bei Lauenburg. Bei ihr stapeln sich in einem Schrank im Keller ihres Einfamilienhauses Teller, Tassen, Untertassen und Besteck. Feiern mit bis zu 80 Personen kann sie versorgen. Das Besondere: Die Ausleihe ist kostenlos.
Porzellan statt Plastik: kostenfreier Geschirrverleih in Krüzen
Stüwe: „Wir wollen damit ja keinen Gewinn erzielen, sondern etwas Gutes für Umwelt und Klima tun.“ Der Ausleiher muss das Geschirr nach der Benutzung lediglich wieder reinigen und zurückbringen. Auch wenn Teile kaputt gegangen sind, ist das kein Problem: „Wir erhalten immer wieder Spenden, mit denen wir die Stapel auffüllen können. Die Leute müssen nur sagen, wenn etwas kaputtgegangen ist“, so Stüwe.
Als die Ausleihstation öffnete, es aber wegen der Coronapandemie keine Nachfrage gab, hat Stüwe die Zeit genutzt, um Säckchen und Beutel für Teller und Besteck zu nähen: „Auch die sind nachhaltig, denn beim Stoff handelt es sich um alte Bettwäsche, die uns ebenfalls gespendet wurde.“ Für die Becher, Tassen und Gläser gibt es keine Säckchen, sondern Eimer – aus Kunststoff. Stüwe und ihre Mitstreiter sehen das pragmatisch: Die rechteckigen Behälter samt Deckel wurden bereits benutzt und sind eine Spende einer Firma aus Winsen/Luhe. „Sie wären sonst weggeworfen worden. Für uns sind sie ideal“, sagt die Geschirrverleiherin.
Teller, Tassen und Besteck sind in Baumwollbeutel verpackt
Wer allerdings einheitliches Geschirr in Weiß erwartet, ist bei der „Porzellan statt Plastik“-Initiative fehl am Platz: Die Einzelteile oder komplette Services stammen aus Haushaltsauflösungen oder Spenden. „So lange sie heil und sauber sind, erhalten sie in unserem Verein ein zweites Leben“, sagt die 50-Jährige. Wem die kunterbunte Vielfalt gefällt, der ist in den Verleihstationen genau richtig: „Ich habe es erlebt, wie die Leute begannen, sich über Teller und Tassen zu unterhalten“, sagt Conny Wangelin aus Hanstedt: „Viele Leute erinnern sich daran, das eine oder andere Stück selbst besessen oder bei der Oma gesehen zu haben. Das ist dann ein Anlass für ganz lustige Gespräche.“
Acht Ausleihen hat Stüwe gezählt, seit sie die Außenstelle eröffnet hat. Darunter sind Konfirmations- und sonstige Familienfeiern, aber auch ein Hochzeitspaar aus Lübeck, das ganz bewusst einen Stilmix wünschte und denen der Öko-Aspekt wichtig war. Wann sich aber eine Anfahrt ökologisch nicht mehr lohnt, will Stüwe den Ausleiher nicht vorschreiben. Wenn aber Menschen ihrem Vorbild folgen und es mehr Ausleihstellen gäbe, wäre das kein Problem mehr.
Geschirrausleihe ist keine Konkurrenz für DLRG-Spülmobil
Sogar für die Ausbildungs- und Übungsfahrt der Freiwilligen Feuerwehr Buchhorst im September, zu der die Wehren des Amtes eingeladen waren, hat Stüwe das Geschirr ausgeliehen. „Die brauchten 150 Sets“, sagt Stüwe. Weil das eigene Geschirr nicht ausreichte, lieh sie sich Suppenteller und Becher von den anderen Ausleihstationen hinzu. Für die Feuerwehr hätte sich auch das Spülmobil der DLRG Oberelbe angeboten: Für 82.000 Euro aus Fördermitteln wurde vor zwei Jahren ein Anhänger mit zwei Industriespülmaschinen und Geschirr für maximal 500 Personen angeschafft.
„Die ehrenamtliche Geschirrausleihe ist für uns keine Konkurrenz. Im Gegenteil: Wir treten doch mit dem gleichen Ziel an, Einweggeschirr zu ersetzen“, sagt DLRG-Vize Ingo Jäger. Das Spülmobil sei für die Verpflegung bei Großeinsätzen vorgesehen. Wenn personell möglich, übernehme man gegen eine Spende auch den Geschirrservice bei öffentlichen Veranstaltungen, nicht jedoch bei privaten Feiern, so Jäger.
Einweg-Alternativen sind nicht ökologisch einwandfrei
Doch wie notwendig ist der Geschirrverleih noch, wenn doch Einwegplastik verboten wurde? „Sehr notwendig“, sagt Volker Wangelin: „Bei den vermeintlichen ökologischen Einwegbehältern aus Pappe handelt es sich zumeist um Verbundmaterialien. Die lassen sich nicht kompostieren, die kann man nur verbrennen.“ Alternativen aus Holz, Bambus oder Palmblättern sind hingegen weitgehend unbedenklich, sind aber auch Einwegprodukte und lösen das Müllproblem nicht.
Wer bei Birgit Stüwe Geschirr ausleihen möchte, erreicht sie per E-Mail an psp_kruezen@klima fair-leben.de, Anfragen zum DLRG-Spülmobil gehen an vor stand@dlrg-oberelbe.de.