Kiel/Lauenburg. Politiker in den Kommunen befürchten, dass sich nicht genug Wahlhelfer melden könnten. Warum das Innenministerium am Termin festhält.
Seit vier Jahren ist Buchhorsts Bürgermeister Gerd Lüttge zugleich Amtsvorsteher des Amtes Lütau. Und zum zweiten Mal macht ihm ein Feiertag Probleme: der Muttertag. Denn den nutzt das Kieler Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung offenbar mit Vorliebe als Wahltag. Bereits die Landtagswahl am 8. Mai dieses Jahres war auf den Muttertag gefallen und nun wird auch am Sonntag, 14. Mai 2023 gewählt – ebenfalls ein inoffizieller Feiertag. An diesem Tag findet in Schleswig-Holstein die Kommunalwahl statt.
Gemeinsam mit seinen Amtskollegen in den zehn Dörfern des Amtes Lütau hadert Lüttge mit der Kieler Entscheidung. „Die Wahlvorstände der Gemeinden fanden kaum Freiwillige, die sich als Wahlhelfer für die Landtagswahl zur Verfügung gestellt haben. Jetzt stehen wir für 2023 wieder vor dem Problem. Der Muttertag sollte den Familien gehören. Gemeinsame Ausflüge oder Familienfeste sind geplant. Da passt der Gang zur Wahlurne einfach nicht ins Konzept“, argumentiert Lüttge.
Kommunalpolitiker stellen sich am 14. Mai 2023 zur Wahl
Jens Anderson, Teamleiter Personal der Lauenburger Stadtverwaltung und der Lütauer Amtsverwaltung, hat auf Bitte des Amtsvorstehers die Landeswahlleitung bereits per E-Mail angeschrieben, hat bisher aber noch keine Antwort erhalten.
Dabei gibt es durchaus gute Gründe, die Wahl auf den 14. Mai zu legen. „Die letzte Kommunalwahl fand am 6. Mai 2018 statt. Die derzeitige Wahlperiode endet am 31. Mai 2023. Deshalb muss die nächste Wahl an einem Sonntag im Mai 2023 durchgeführt werden“, argumentiert das Innenministerium.
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Der 7. Mai wäre der erste mögliche Termin im Mai. Davon wurde jedoch abgesehen, da unter anderem die Einsichtsfrist in das Wählerverzeichnis sowie die Einspruchsfrist in die Osterferien gefallen wäre und viele Bürger urlaubsbedingt keine Möglichkeit gehabt hätten. Auch der Himmelfahrtstag am 23. Mai und der Pfingstsonntag am 30. Mai seien ungeeignet, weil: „Viele Bürgerinnen und Bürger diese Termine erfahrungsgemäß für Kurzurlaube nutzen. Nach Rücksprache mit den Landesverbänden der im Landtag vertretenen Parteien und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände wurde deshalb der 14. Mai 2023 gewählt, damit möglichst viele Menschen in Schleswig-Holstein von ihrem Wahlrecht vor Ort Gebrauch machen können“, so die Pressestelle des Ministeriums.
Wahltermin zwischen Osterferien und Pfingstfeiertagen
Lüttges Amtskollege Wolfgang Schmahl, Amtsvorsteher des Amtes Schwarzenbek-Land mit 19 Dörfern und Bürgermeister von Gülzow, sieht den Termin entspannter. „Bei uns ist es noch kein Thema, aber vielleicht wird es noch eins“, will Schmahl zunächst die Sitzung des Amtsausschusses am 20. September abwarten.
Die Landtagswahl am 8. Mai sei ganz entspannt verlaufen – trotz Muttertag, so der Amtsvorsteher: „Aber da haben ja auch zumeist die Kommunalpolitiker den Wahlvorstand gebildet. Bei der Kommunalwahl können sie das nicht, denn dann stehen sie ja selber zur Wahl. Da brauchen wir engagierte Bürgerinnen und Bürger.“
Konfirmationen sind größeres Problem als der Muttertag
Der Mai sei immer ein schwieriger Wahlmonat, sagt auch Petra Scheerer, Leiterin des Fachbereich Öffentliche Sicherheit und Soziales im Schwarzenbeker Rathaus und seit Jahren Wahlleiterin in der Europastadt: Feiertage wie Ostern, Pfingsten und dazu die Frühjahrsferien machen es nicht einfach, Wahlhelfer zu finden. Hinzu komme, dass es bei einer Kommunalwahl mehr Wahlkreise gibt als bei Landtags- oder Bundestagswahl. In der Europastadt sind es 14, bei der Landtagswahl waren es nur acht.
„Der Muttertag ist nicht so eine große Feier. Schlimmer ist es, wenn am Wahlsonntag zugleich Konfirmation gefeiert wird“, so Scheerer: „Das ist ein großes Familienfest, da sind viele gebunden.“ Wahlhelfer müssen am Wahlsonntag den ganzen Tag über präsent sein und abends auch die Stimmen auszählen. „Die Entscheidung der Landeswahlleitung bereitet uns nur Schwierigkeiten und Probleme“, bleibt Lüttge bei seiner Kritik und weiß Lauenburgs Bürgermeister Andreas Thiede an seiner Seite: „Auch ich hätte mir einen anderen Termin gewünscht“.
Muttertag ist eine Idee aus Amerika
Eigentlich soll am Muttertag die Mutter geehrt werden, doch in Deutschland steht der Tag zunehmend in der Kritik. Neben der Kommerzialisierung – Blumenhändler erzielen an diesem Tag ihre größten Umsätze des Jahres noch vor dem Valentinstag – wird kritisiert, der Tag sei eine Idee der Nationalsozialisten. Doch als Gründerin des Muttertags gilt die Methodistin Anna Marie Jarvis, die 1907 in den USA ein „Memorial Mothers Day Meeting“ durchführte, um an ihre verstorbene Mutter zu erinnern.
1914 wurde der zweite Sonntag im Mai als Muttertag sogar zum offiziellen Feiertag. Jarvis jedoch fand die Kommerzialisierung „ihres“ Gedenktages schrecklich, kämpfte nun für seine Abschaffung – vergeblich. In Deutschland war es tatsächlich der Verband der Blumengeschäftsinhaber, der 1922 den Tag als Ehrentag der Mutter bewarb. Zum offiziellen Feiertag machten ihn die Nationalsozialisten 1933. In der Bundesrepublik ist er kein gesetzlicher Feiertag.