Lauenburg. Die Fahrt an die Weser war großartig, aber verlangte der Mannschaft alles ab. Welche Herausforderungen zu bestehen waren.
Möglicherweise gibt es Bewohner entlang der Weser, die bis vor Kurzem noch nie etwas von Lauenburg gehört hatten. Das dürfte sich jetzt geändert haben: Der Raddampfer „Kaiser Wilhelm“, das schwimmende Wahrzeichen der Schifferstadt, war zwei Wochen lang ein gefeierter Star an der Weser zwischen Minden, Hameln, Höxter und Hannoversch Münden. Nach 52 Jahren hatten sich Kapitän Markus Reich und seine Crew mit dem Schiffsveteran auf den Weg in dessen ehemaligen Heimathafen gemacht. Am Sonntagabend machte der „Kaiser“ wieder an seinem Anleger an der Elbuferpromenade in Lauenburg fest – sogar eine gute halbe Stunde früher als ursprünglich geplant.
Die Anfahrt war standesgemäß: Das Löschboot der Lauenburger Feuerwehr fuhr mit zwei großen Wasserfontänen voraus. Am Anleger warteten Bürgermeister Andreas Thiede, Stadtpräsident Wilhelm Bischoff und zahlreiche Lauenburger, die den „Kaiser“ fast drei Wochen lang vermisst hatten. „Endlich wieder zu Hause. Was für ein Empfang in Lauenburg!“, so heißt es im letzten Eintrag des virtuellen Reisetagebuches, das Kapitän Markus Reich in den vergangenen 19 Tagen geführt hat.
Glücklich, aber auch etwas abgekämpft sah Kapitän Markus Reich aus, als er von Bord ging – so wie es sich gehört als Letzter. „Wir haben es geschafft, allen Unkenrufen zum Trotz“, meinte er. Oft genug hatten er und die Mannschaft vor der Fahrt die mahnenden Worte der Skeptiker gehört: Ein so altes Schiff auf das schwierige Fahrwasser der Weser zu führen, sei unmöglich.
Begeisterter Empfang an der Weser für den „Kaiser“ in der alten Heimat
„Wir haben uns das Unterfangen zugetraut und recht behalten. Als wir von Bord aus den Weserstein sahen, war das ein unglaublich emotionaler Moment, erzählt der Kapitän. Der wurde nur noch übertroffen von der Resonanz an der Strecke, auf der der Kaiser bis 1970 unterwegs war. Das Schiff mit der dröhnenden Dampfpfeife ist für viele Bewohner des Weserberglandes mit schönen Erinnerungen verbunden. Die Rundfahrten auf der ehemaligen Betriebsstrecke des „Kaisers“ waren jedenfalls immer ausgebucht.„Die älteren Fahrgäste hatten Tränen in den Augen, als sie an Bord kamen. Sie kannten den „Kaiser“ noch aus ihrer Kindheit. Das war ein bewegender Augenblick“, erzählte der Kapitän.
Die regionalen Medien überschlugen sich vor Begeisterung über die Rückkehr des „Kaisers“ in seinen ehemaligen Heimathafen. „Schon von Weitem waren das Schaufelrad und die laute Tröte des Raddampfers zu hören. Auf beiden Seiten der Weser waren viele Menschen versammelt, um das historische Dampfschiff zu sehen. Die Rückkehr der „Kaiser Wilhelm“ war ein großes Spektakel“ schrieb die Onlinezeitung Höxter News. Mehrere Fernsehsender hatten sich ebenfalls angemeldet, um direkt von Bord zu berichten.
Einmal hatte es der „Kaiser“ sogar in die Rubrik Polizeiberichte einer Zeitung geschafft. Was war passiert? „Feuerschein aus Wohnung hinter der Stadtmauer mit unklarer Lage“, lautete die Meldung für die Feuerwehr. Anwohner hatten einen Feuerschein hinter einem Fenster gesehen und Brandgeruch wahrgenommen. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass der Feuerschein von einer Kerze hinter einem Fenster stammte. Für Rauch und Brandgeruch war der kohlebetriebene Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ verantwortlich, der am Anleger vertäut war.
Zwischendurch ging dem „Kaiser“ die Kohle aus - was nun?
Gab es Probleme auf der Reise? Auf diese Frage hat der Kapitän nur eine Antwort: „Was sind Probleme? Ich kenne nur Herausforderungen.“ Die gab es allerdings zur Genüge: Der teilweise niedrige Wasserstand auf der Weser und die damit verbundenen Verspätungen forderten dem Kapitän alles ab. Dazu die Hitze, die besonders den Heizern und der Küchencrew zu schaffen machten.
Und dann ging dem „Kaiser“ sogar mal die Kohle aus. Der Kapitän telefonierte und organisierte. Und dann war auch diese Herausforderung geschafft: Per Lkw wurden über Nacht 14 Tonnen Kohle aus Lauenburg an die Weser gekarrt.
Kapitän Kleemann – der Erste auf dem Raddampfer „Kaiser Wilhelm“
Um 1900 ging es mit der Fahrgastschifffahrt auf der Oberweser bergauf. Mühlenbesitzer Friedrich Wilhelm Meyer hatte den Trend früh entdeckt und 1883 den Raddampfer „Bismarck“ in Dienst gestellt. Später kamen weitere dazu, unter anderem der 1900 in Dresden gebaute „Kaiser Wilhelm“. In dieser Zeit hatten Fremdenblätter Hochkonjunktur, die Werbung machen sollten. Eines dieser Blätter hieß „Das Dampfschiff“. In der Ausgabe vom 24. Juni 1909 ist ein Artikel dem ersten Kapitän des „Kaiser Wilhelm“ gewidmet, einem gewissen Herrn Kleemann.
„Eine der bekanntesten und beliebtesten Persönlichkeiten im ganzen Wesergebiet zwischen Münden und Hameln ist ohne Frage Kapitän Kleemann. Er ist einer der wenigen glücklichen Menschen, die viele Freunde, keine Feinde haben. Noch nie hat man schlechte Laune an ihm wahrgenommen. Stets ist er freundlich, zuvorkommend und zu guten Scherzen aufgelegt. All die vielen Fragen, die Fahrgäste des KAISER WILHELM an ihn richten, beantwortet er stets mit gleicher Liebenswürdigkeit. Seit dem 21. Mai 1900 ist er unumschränkter Herrscher auf dem KAISER WILHELM. Streng, aber gerecht und mit einem freundlichen Wohlwollen übt er seine Herrschaft aus. Alle seine Untergebenen hängen mit Liebe und Verehrung an ihm. Stets ist er auf seinem Posten, und nur wenn der Dienst in völlig ruhiger, gleichmäßiger Form sich abspielt, dann ist er auch nicht abgeneigt, in Gesellschaft guter Freunde sich der Geselligkeit zu widmen. Doch jeden Augenblick ist er bereit, die fröhliche Tafelrunde zu verlassen, um wenn es Not tut, helfend selbst miteinzugreifen.“