Lauenburg/Hameln. Daniel Eichenberger nutzt jede Gelegenheit, um mit dem Schiffsveteran „Kaiser Wilhelm“ auf Fahrt zu gehen. Auch an die Weser.

Andere Kinder hören von ihren Eltern Gute-Nacht-Geschichten. Daniel Eichenberger wollte, dass seine Mutter ihm aus dem Kinderbuch „Unsere Flotte“ vorlas. „Ich war drei, da kannte ich die technischen Daten aller darin beschriebenen Schiffe“, erinnert er sich. In dieser Zeit begann seine große Leidenschaft. Heute ist dem 45-jährigen Apotheker aus dem schweizerischen Luzern kein Weg zu weit, um mit ­alten Dampfschiffen unterwegs zu sein. Seit er im Jahre 2000 das erste Mal an Bord des Raddampfers „Kaiser Wilhelm“ war, beginnen viele seiner Reisen in Lauenburg. Er war an Bord, als der Schiffsveteran 2015 in Dresden das „Blaue Wunder“, passierte und erlebte auch die Tour nach Berlin mit.

Klar, dass sich Daniel Eichenberger die lange geplante Fahrt des „Kaisers“ an die Weser nicht entgehen lassen wollte. „Es ist schon ein aufregendes Gefühl, dabei zu sein, wenn ein altes Schiff nach 52 Jahren in seinen alten Heimathafen zurückkehrt.“ Fünf Tage lang war der Schweizer an Bord, dazu hatte er noch ein paar Rundfahrten gebucht. Die für ihn interessanteste Teilstrecke hatte er sich ausgesucht: Von Hannover ging es über Minden nach Hameln, dann nach Höxter und über Hann. Münden nach Hameln zurück.

Leute standen reihenweise Spalier für den Raddampfer „Kaiser Wilhelm“

„Die ‘Kaiser Wilhelm’ ist zurück auf der Weser in Höxter“ titelte das Westfalen-Blatt vor drei Tagen und beschrieb den euphorischen Empfang für das alte Dampfschiff durch die vielen Schaulustigen am Ufer. Daniel Eichenberger hat das alles von Bord aus verfolgt. „Einmal sind wir an einem ganz kleinen Campingplatz vorbei gefahren. Da war Volksfeststimmung, als die Dampfpfeife dröhnte. So was habe ich noch nicht erlebt“, sagt er.

Bis 1970 war der „Kaiser“ auf der Weser zwischen Beverungen, Höxter und Holzminden eingesetzt. Die Männer vom Förderverein für das Elbschifffahrtsmuseum müssen damals große Visionen gehabt haben, als sie das altersschwache Schiff im selben Jahr nach Lauenburg holten. Aber nur so konnten sie den im Jahre 1900 in Dresden gebauten „Kaiser“ vor der Verschrottung retten.

Schiff für viele mit Erinnerungen verbunden

Doch das Schiff mit der dröhnenden Dampfpfeife ist für viele Anwohner der Weser mit schönen Erinnerungen verbunden. Die Rundfahrten auf der ehemaligen Betriebsstrecke des „Kaisers“ waren jedenfalls ruckzuck ausgebucht.

„Die älteren Fahrgäste hatten Tränen in den Augen, als sie an Bord kamen. Sie kannten den „Kaiser“ noch aus ihrer Kindheit. Das war ein bewegender Augenblick“, erzählt Daniel Eichenberger.

Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ fährt entlang der idyllischen Landschaft von Hannoversch Münden.
Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ fährt entlang der idyllischen Landschaft von Hannoversch Münden. © Daniel Eichenberger | Daniel Eichenberger

Was ihm dabei besonders auffiel: Niemand der betagten Fahrgäste beschwerte sich, dass das alte Schiff nicht barrierefrei ist. Man half sich gegenseitig. „Das habe ich auf meinen Fahrten auf Museumsschiffen schon ganz oft erlebt“, sagt er.

Niedrigwasser der Weser und Hitzeschlacht unter Deck

Auch wenn Kapitän Markus Reich alles gibt, pünktlich am nächsten Anlegepunkt zu sein, gelingt das nicht immer. Schließlich ist es wichtiger, das Schiff sicher durch das derzeit flache Wasser der Weser zu manövrieren, als den Fahrplan einzuhalten. „Zwei Stunden zu spät Hameln erreicht. Wie in alten Zeiten bei niedrigem Wasserstand. Völlig normal sagen uns die alten Erfahrenen von früher. Dann sind wir ja voll im Nostalgietrend“, schreibt der Kapitän in das „Kaiser Wilhelm Tagebuch“ bei Facebook. „Gemeckert hat niemand wegen der Verspätungen. Im Gegenteil: Wir haben uns gefreut, länger an Bord sein zu können“, so der Schweizer.

Doch am vergangenen Mittwoch haben sich die Fahrgäste nach einer baldigen Abkühlung gesehnt. Auch an der Weser schwitzten die Menschen an diesem Tag bei Rekordtemperaturen. „An Deck hatten wir über 40 Grad. Doch das war eigentlich noch gar nichts. Am Ofen und in der Kombüse zeigte das Thermometer fast 60 Grad“, erzählt Daniel Eichenberger. Nachts endlich die Erlösung: ein kräftiger Regenguss und eine merkliche Abkühlung.

„Schon mal um 7 Uhr in die Schleuse gefahren und Wasser genommen. Jetzt sind wir wieder am Anleger, damit wir pünktlich um 9 Uhr starten können“, notierte der Kapitän gestern ins Reisetagebuch.

Couragierte Crew und gute Organisation machten Reise perfekt

Daniel Eichenberger war nicht mehr an Bord, als es dann auf eine Tagestour von Hameln nach Höxter ging. In Hannover stieg der Schweizer in den Zug. Auf der langen Bahnfahrt hatte er genügend Zeit, die Reise mit dem Raddampfer Revue passieren zu lassen.

„Man kann nur den Hut ziehen vor Kapitän Markus Reich und seinem Mut, eine solche Fahrt zu unternehmen. Die teils schmale und schnelle Weser ist eine echte Herausforderung“, weiß der Schiffsfanatiker.

Aber auch für die gesamte Crew des „Kaisers“ hat der Schweizer nur lobende Worte. Insgesamt 30 Besatzungsmitglieder kümmern sich um die Maschinen und das Wohl der Gäste. Viele von ihnen sind berufstätig und nehmen für die Fahrt einen Teil ihres Jahresurlaubs. „Jeder hat sein Bestes gegeben. Das an jedem Tag an Bord frisch gekochte Essen war sensationell“, schwärmt er. Überhaupt sei die Organisation der Reise perfekt gewesen – angefangen von den Hotelbuchungen für die Teilnehmer bis zu den stets frischen Lebensmitteln an Bord. Zu Hause will der „kaisertreue“ Schweizer die Webseite www.raddampfer-kaiser-wilhelm.de im Auge behalten. Sobald der Fahrplan der Saison 2023 steht, plant er seinen nächsten Jahresurlaub.

Am Sonntag, 31. Juli, wird das schwimmende Wahrzeichen von Lauenburg wieder zurück erwartet. Klappt alles wie geplant, legt der „Kaiser“ um 17 Uhr am Von-der-Heyde-Anleger (Elbuferpromenade) an.