Lauenburg. Der engagierte Geistliche der Kirchengemeinde Lauenburg gilt als Brückenbauer. Im August wird er Propst in Ratzeburg. Warum er geht.

Seit vergangenem Montag steht fest: Der Lauenburger Pastor Philip Graffam wird der neue Propst im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. Ab 1. August dieses Jahres ist er für 34 Kirchengemeinden sowie die Dienste und Werke des Kirchenkreises zuständig. Sein neues Amt ist mit einem Umzug nach Ratzeburg verbunden.

In Lauenburg ist Pastor Philip Graffam nicht nur bei den Mitgliedern der evangelischen Kirchen­gemeinde beliebt. Er steht seit elf Jahren für die Vermittlung zwischen den Generationen, Kulturen und Religionsgemeinschaften. Darüber hinaus prägt er als Theatergründer die Kulturszene in Lauenburg ­entscheidend mit. Wir sprachen mit dem ­57-Jährigen darüber, wie er Lauenburg erlebt hat und mit welchen ­Gefühlen er die Stadt verlässt.

LL: Was haben Sie als erstes ­gemacht, nachdem feststand, dass Sie der neue Propst im ­Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg sind?

Phillip Graffam: Tief durchgeatmet und meiner Frau gedankt. Und dann habe ich mit meinen Kindern gesprochen. Ich bin tatsächlich noch etwas überwältigt und muss das Ganze erstmal sacken lassen. Es ist im Moment noch eine Mischung aus Freude, Respekt vor der großen Aufgabe und Dankbarkeit, dass nun endlich die Entscheidung gefallen ist. Ich brauche noch Zeit um diese große Veränderung in meinem Leben zu begreifen und einzusortieren.

Am 31. Juli geht Pröpstin Frauke Eiben in den Ruhestand. Was hatte Sie bewogen, sich auf die vakante Stelle zu bewerben?

Im Sommer des vergangenen Jahres hatte ich überhaupt noch nicht im Blick, dass die vakant werdende Stelle etwas mit mir zutun haben könnte. Doch dann haben mich ­einige Kollegen gefragt und mir ihre Unterstützung zugesagt. Ich habe mir dann viel Zeit genommen und alles durchdacht. Und als meine Frau und meine Kinder mir ebenfalls sehr viel Mut gemacht haben, habe ich mich entschieden, meine Bewerbung einzureichen.

Sie sind in Ihrem Leben viel herumgekommen. Geboren sind Sie in Äthiopien. Wann sind Sie nach Deutschland gekommen?

Mein Vater war Pastor in Addis Abeba. Im Jahre 1975 endete seine Dienstzeit nach 13 Jahren in Äthiopien. Die Revolution war ausgebrochen und wir konnten nicht länger bleiben. So bin ich mit meinen ­Eltern nach Braunschweig umgezogen. Da war ich zehn.

Später haben Sie in Südkorea studiert Wie hat Sie die Begegnung mit Menschen unterschiedlicher Kulturen geprägt?

Es gibt so unendlich viele Entwürfe und Lebensweisen, dem Leben zu begegnen. Lokale Traditionen und kulturell gewachsene Besonderheiten prägen einen immer. Und dennoch war es mir möglich, überall Menschen zu finden, mit denen ich das Vaterunser beten und über meinen Glauben sprechen kann. Es gibt nicht den einen richtigen Weg und Entwurf des Lebens. Das war mir auch in der Gemeindearbeit immer bewusst. Gestaltung braucht den Austausch von Ideen und Visionen, aber auch von Ängsten, Kritik und Grenzen.

In Lauenburg sind Sie nicht nur als Mann der Kirche bekannt. Sie ­waren 2020 Mitorganisator der Lauenburger Menschenkette gegen Rassismus und Ausgrenzung vom Schlossplatz bis zur Moschee. Sie sind mit Ihrem Team eingesprungen, als die Tafel während der Pandemie schließen musste.

Auch hier gilt: Es gibt viele unterschiedliche Entwürfe und Ausrichtungen für das eigene Leben. Und als Kirche möchte ich offen sein für die Fragen und Belange der Gesellschaft. Eine Menschenkette gegen Rassismus und Ausgrenzung zum Beispiel ist mehr als nur ein Zeichen. Es ist die Sprache der Menschlichkeit und Vernunft. Das gleiche gilt für die Not der Menschen, ihren Lebensunterhalt zu ­finanzieren. Dabei sind die Tafeln ein ganz wichtiger Aspekt. Und wenn die Pandemie die Arbeit verhindert, müssen die einspringen, die sich dazu in der Lage sehen. Es schmerzt nur manchmal, nicht mehr tun zu können.

Bei diesen Aktionen haben Sie auch Menschen getroffen, die Sie während des Gottesdienstes in der Kirche nie treffen werden. Ärgert es Sie nicht manchmal, wenn Sie sonntags vor nur wenigen Leuten predigen?

Ich sehe mich als Mann der Kirche immer auch als ein Teil des Gemeinwesens. Aber ja, es schmerzt auch, dass sich der Gottesdienst in der Krise befindet, und natürlich würde ich mich über mehr Teilnahme freuen.

Ihre Leidenschaft ist das Theater, sei es als Autor, Regisseur oder Darsteller. Heute Abend feiern Sie mit dem von Ihnen gegründeten Theater TheKiLa Premiere mit dem Stück „20.000 Meilen unter dem Meer“. Ist das die letzte Inszenierung des Theaters der Kirchengemeinde?

Für mich gibt es kein Leben nach dem Theater, sondern immer nur ein Leben vor dem Theater. Und TheKiLa bin ich ja nicht allein, sondern es ist eine großartige Mischung aus vielen Talenten und engagierten Theaterfreunden. Da ist viel Potenzial und gestalterische Kraft in allen Mitgliedern vorhanden. Ich würde mich freuen, wenn ich auch als Propst einmal zu einer Aufführung als Zuschauer kommen kann. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Tag kommen wird.

Sie haben noch ein anderes Projekt maßgeblich angeschoben: den Umbau des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses. Was wird jetzt daraus?

Es wird weitergehen und auch erfolgreich umgesetzt werden. Der Kirchenkreis, der Kirchengemeinderat, sie alle sind durchaus in der Lage, dieses Projekt erfolgreich zu Ende zu führen.

Im Mai vergangenen Jahres ist Pastorin Sara Burghoff nach Flensburg gewechselt, Sie werden ab 1. August Ihren Lebensmittelpunkt in Ratzeburg haben. Mit Ulrich Billet hat die evangelische Kirchengemeinde in Lauenburg dann aktuell nur noch einen Pastor. Ist eine Nachfolge für Sie in Sicht?

Dass die dritte Pfarrstelle von Frau Burghoff nicht mehr ausgeschrieben wurde, stand schon im Sommer vergangenen Jahres fest. Inwieweit meine Stelle ausgeschrieben wird, muss noch entschieden werden. Kurzfristig wird aber ein Vertretungspastor oder eine Vertretungspastorin in Lauenburg eingesetzt werden.