Ratzeburg. Am 31. Juli geht Pröpstin Frauke Eiben in den Ruhestand. Zwei Männer bewerben sich um ihre Nachfolge. Einer kommt aus Lauenburg.

Seit 2008 steht Frauke Eiben als Pröpstin an der Spitze des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Jetzt geht die 66-Jährige in den Ruhestand, und um ihre Nachfolge für den Bereich Herzogtum Lauenburg bewerben sich zwei Männer. Entscheiden wird das Kirchenparlament, die Synode, auf ihrer Tagung am 16. Mai im Möllner Polleyn-Forum, zwischen den Pastoren Philip Graffam aus Lauenburg und Karsten Wolkenhauer aus Ratzeburg.

Die beiden Kandidaten schlägt der Wahlausschuss unter der Leitung von Kirsten Fehrs vor, Bischöfin im Sprengel Hamburg/Lübeck der Nordkirche. Beide Kandidaten stellen sich in Gottesdiensten vor – jeweils im Ratzeburger Dom. Karsten Wolkenhauer hat sich bereits am vergangenen Wochenende vorgestellt, Philip Graffam folgt am Sonnabend, 2. April, 15 Uhr. Beide Pastoren sind im Kreis bereits bekannt. Wir skizzieren ihren Werdegang, stellen Schwerpunkte ihrer Arbeit vor.

Kirche wählt Propst: Philip Graffam und Karsten Wolkenhauer stehen zur Wahl

Karsten Wolkenhauer ist derzeit als Pastor für Vertretungsdienste der Propstei Lauenburg in den Kirchengemeinden Brunstorf und Aumühle tätig. Nach seinem Theologie- und Psychologiestudium in Berlin und Heidelberg arbeitete er zunächst in den Bereichen Vertrieb und Marketing sowie Personal- und Organisationsberatung mit Schwerpunkt Non-Profit-Organisationen. Wolkenhauer ist zertifiziert als Management Coach und Stiftungsmanager. Vor zehn Jahren nahm er das Angebot an, als Gemeindetheologe in Berlin für eine halbe Pfarrstelle verantwortlich zu sein. Von 2013 bis 2015 war Wolkenhauer persönlicher Referent der Präses und des Präsidiums der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Trauertuch als Erinnerung an Massenselbstmord von 1945

Sein Vikariat absolvierte der Theologe anschließend im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis (PEK) – es folgte die erste Pfarrstelle in Demmin. Dort entwickelte Wolkenhauer neue Formen der Erinnerungskultur an das bis heute die Region prägende Trauma des Massensuizides von 1945. Nachdem die Wehrmacht auf ihrem Rückzug die Brücken über die Peene gesprengt hatten, saßen in der 15.000 Einwohner und unzählige Flüchtlinge zählenden Kleinstadt die russischen Truppen fest und zogen marodierend durch die Stadt. Bis zu 1000 Menschen setzten zwischen dem 30. April und dem 3. Mai ihrem Leben ein Ende. Zu Wolkenhauers Trauerarbeit gehört das Projekt „Demminer Trauertuch“, bei dem mehr als 1000 Kreuze zu einem zwölf Meter großen Patchworktuch vernäht wurden, das nun in der Kirche St. Bartholomaei zu sehen ist.

Seinen Probedienst in der Nordkirche beendete Wolkenhauer in der Kirchengemeinde Timmendorfer Strand. Der Seelsorger engagiert sich im Leitungskreis der Nagelkreuzgesellschaft, im Johanniterorden, dem Netzwerk Erinnerungskultur und in der Internationalen Fachgesellschaft für Homiletik (Predigtlehre) „societas homiletica“. Der 55-Jährige arbeitet als Coach, forscht zu den Themen Pastoraler Burnout, Pastoralästhetik und Erinnerungskultur und gibt seit einigen Jahren Exerzitien. Geboren wurde er 1966 in Herzberg am Harz. Er hat drei fast erwachsene Kinder aus erster Ehe, ist verheiratet mit Pastorin Anne Gidion und lebt in Ratzeburg.

Philip Graffam aus Lauenburg: Kirchliche Erfahrung aus drei Kontinenten

„Ich habe Kirche auf drei Kontinenten erlebt, bin dem ländlichen Raum sehr zugetan und mit ganzer Leidenschaft Pfarrer“, sagt Pastor Philip Graffam über sich selbst. Seit 2011 ist er Gemeindepfarrer in der Ev.-luth. Kirchgemeinde Lauenburg/Elbe auf der zweiten Stelle im Pfarrbezirk West. Neben der durch Verwaltung und Verantwortung für 42 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geprägten Arbeit als erster Vorsitzender des Kirchengemeinderates, liegen seine Schwerpunkte auf Jugend- und Öffentlichkeitsarbeit. Geboren und aufgewachsen ist Philip Graffam in Addis Abeba/Äthiopien, hat seine Jugend in Braunschweig erlebt. Im Missionsseminar Hermannsburg und am Presbyterian Theological Seminary, (Seoul, Südkorea) hat Philip Graffam studiert.

Während seines Aufenthalts in Südkorea (1990) erlebte er die Wiedervereinigung Deutschlands aus einem noch geteilten Land und entschloss sich, den Osten der Republik kennenzulernen. Er setzte sein Studium an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald fort, absolvierte dort beide Examina, ging zum Vikariat nach Stralsund und arbeitete 13 Jahre als Pfarrer in der Kleinstadt Lassan am Peenestrom. 2011 zog der Theologe mit Familie nach Lauenburg an die Elbe. Dort hat er im Team-Pfarramt das Zusammenwachsen der Kirchengemeinde mitgestaltet, die Sanierung der Gebäudestruktur gefördert.

Der erste Anstoß kam von Kollegen aus der Region

Eine der großen Leidenschaften des 56-Jährigen ist – neben dem Beruf – das Theaterspielen. Eine Kindertheatergruppe und eine generationsübergreifende Theatergruppe hat er in den Jahren in Lauenburg mit aufgebaut. Philip Graffam ist verheiratet mit Martina Graffam und hat zwei Kinder. Die sind ein Grund, warum sich der Theologe für das neue Amt bewirbt: „Ich bin gerne in Lauenburg, aber meine Kinder sind ab Sommer beide aus dem Haus. Das wäre jetzt die Zeit, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.“ Zudem reize ihn die Aufgabe. Es waren jedoch Kollegen, mit denen er in der Region zusammenarbeitet, die ihn fragten, ob er sich das Amt eines Propstes vorstellen könne. Graffam: „Ich habe dann erstmal eine Woche Urlaub genommen, um alles zu durchdenken.“

Im Falle seiner Wahl wird er nach Ratzeburg umziehen. „Bei meiner Kandidatur musste ich unterschreiben, dass ich dann die Dienstwohnung meiner Vorgängerin übernehme“, so Graffam. Einen Wahlkampf, wie es ihn bei Bürgermeisterwahlen gibt, werde es mit ihm nicht geben, betont der Lauenburger. Gleichwohl stehe er für Fragen von Gläubigen zur Verfügung: „Mein Motto ist: Antworte nur, wenn Du gefragt wirst, aber lebe so, dass Du gefragt wirst.“

Neben den beiden Predigten im Dom werden sich die Kandidaten auf dem Konvent, der Versammlung der kirchlichen Mitarbeiter, sowie am Wahltag vorstellen.

Der Propst als Chef von 34 Kirchengemeinden mit 72.000 Mitgliedern

Zum 1. August 2022 übernimmt der neue Propst das Amt von Pröpstin Frauke Eiben. Die Propstei Lauenburg ist eine von zweien im Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. Pröpstin für den Bereich Lübeck ist seit 2012 Petra Kallies. Der Propst oder die Pröpstin ist Dienstvorgesetzter aller Pastoren und wird auf zehn Jahre gewählt. Pröpste bilden die mittlere Leitungsebene, über ihnen stehen die Bischöfin und die Landesbischöfin für die gesamte Nordkirche. Seit 2011 ist für den Sprengel Hamburg und Lübeck, zu dem der Kirchenkreis gehört, Kirsten Fehrs zuständig. 2021 wurde sie als Bischöfin wiedergewählt, ist seit November auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Im Lauenburgischen gibt es aktuell 34 Kirchengemeinden mit mehr als 72.000 Kirchenmitgliedern. Ihr Parlament ist die Synode, die unter anderem für Finanzen und Stellenpläne zuständig ist. Die 66 Synodalen setzten sich aus 36 ehrenamtlichen Mitgliedern aus den Kirchengemeinderäten, zwölf Pastoren sowie jeweils sechs Mitarbeitern, Vertretern der Dienste und Werke, dazu zählen unter anderem der Krankenhausbesuchsdienst oder die Telefonseelsorge, zusammen. Sechs weitere Mitglieder werden vom Kirchenkreisrat berufen. Die Jugendvertretung des Kirchenkreises kann bis zu vier Vertreter mit Antrag- und Rederecht, aber ohne eigenes Stimmrecht entsenden. Die Synode tagt in der Regel zwei bis drei Mal im Jahr. Vorsitzende des Präsidiums der Synode ist die ehemalige Schulrätin Katrin Thomas.