Lauenburg. Redakteurin Elke Richel hat 2021 häufiger über die Werft berichtet. Hier berührt sie nun auch mit ganz persönlichen Eindrücken.

„Wenn Vater und Sohn gemeinsam ein Unternehmen führen, gibt es da nicht naturgemäß Generationskonflikte?“ Das war eine der ersten Fragen, die ich im April dieses Jahres dem neuen Führungsduo der Hitzler-Werft stellte. Ehrlich gesagt, könnte ich mir eine solche Konstellation unter keinen Umständen vorstellen. Doch bei den Klimenkos hatte der Familienrat ausführlich getagt. Der 26-jährige Kai Klimenko hat Betriebswirtschaft studiert. Er hat die Zahlen im Blick und ist im Unternehmen für das Betriebsergebnis verantwortlich. „Da pfuscht mir Vater nicht rein“, sagte er in unserem Gespräch. Statt im Chefsessel trifft man den 58-jährigen Marek Klimenko ohnehin meist in der Konstruktionsabteilung der Werft an – er ist Schiffsbauer mit Leib und Seele.

Redakteurin Elke Richel erinnert sich an die Begegnung mit den Klimenkos.
Redakteurin Elke Richel erinnert sich an die Begegnung mit den Klimenkos. © BGZ /Privat | Privat

Dieses erste Gespräch mit den neuen Geschäftsführern hat mich auf besondere Weise berührt. Kai Klimenko hat an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) studiert. Als ich zu Beginn der 90er-Jahre dort noch lebte, glaubten viele nicht daran, dass sich die altehrwürdige Alma Mata Viadrina – gegründet 1506 – wiederbeleben ließe. Schließlich war Frankfurt (Oder) zu DDR-Zeiten alles andere, nur keine hippe Studentenstadt. Doch kurz nach der Gründung der Viadrina im Jahre 1991 zog internationales Flair in die Stadt. Studierende aus ganz Europa legen seitdem in Frankfurt (Oder) den Grundstein für ihren beruflichen Werdegang – so auch Kai Klimenko.

Erinnerungen an die 1980er-Jahre und ein krisseliges TV-Bild

Etwas im Leben erreichen zu wollen, das hat er von seinem Vater geerbt. Gelernt hat der 58-jährige Schiffsbauer das berufliche Einmaleins in Gdansk, dem früheren Danzig. Anfang der 1980er-Jahre machte die polnische Werft weltweit Schlagzeilen, weil der Elektriker und Systemkritiker Lech Walesa dort die berühmte Gewerkschaft Solidarnoc gründete. Ich erinnere mich, dass wir damals gebannt vor dem Fernseher saßen und die krisseligen Bilder verfolgten, die uns die gen Westen ausgerichtete Antenne ins Wohnzimmer spielte. Was für ein unvorstellbarer Mut!

Als Walesa 1990 Staatspräsident von Polen wurde, machte sich Marek Klimenko von der polnischen Ostseeküste auf den Weg nach Deutschland und landete in Lauenburg. „In der Hitzler-Werft habe ich sofort eine Arbeit als Schleifer bekommen. Dafür bin ich noch heute dankbar“, erzählte er während unseres Gespräches. Doch Marek Klimenko war ehrgeizig und das blieb in der Chefetage der Werft nicht lange unbemerkt. Seine Sporen verdiente er sich im Bereich Modellbau, als Konstrukteur, Projektleiter und schließlich als Leiter des Konstruktionsbüros.

Es passierte seit April viel auf der Hitzler-Werft – von Anfang an

Seit neun Monaten tragen Kai und Marek Klimenko als geschäftsführende Gesellschafter die Verantwortung für alles, was auf der Hitzler-Werft passiert. Und das ist viel von Anfang an. Bereits im April zogen sie einen Auftrag der Hamburg Port Authority an Land: Ein Planierschiff mit Plug-in-Hybrid-Motor, um den Hamburger Hafen von Schlick zu befreien.

Im Juli begann der Bau des weltweit ersten federgelagerten Arbeitsschiffes, um schweren Seegang abzumildern. Außerdem entstand auf der Werft eine Forschungsplattform für das Helmholtz-Zentrum in Geesthacht. Im Oktober dann der nächste Großauftrag: Das Unternehmen Wallaby Boats lässt derzeit in der Lauenburger Hitzler-Werft das weltweit erste gefederte Schiff bauen, das den Seegang bis zu 40 Prozent ausgleichen kann.

Nie gab es wohl einen so positiven Grund für das Scheitern einer Idee

Doch wie so vieles im Leben hat diese positive Entwicklung auf der Werft auch eine Schattenseite. Als sich Marek und Kai Klimenko dafür entschieden hatten, die Werft zu übernehmen, hieß das, bisherige Pläne auf den Prüfstand zu stellen. Dazu gehörte auch das sogenannte Maritime Zentrum, das die Stadt Lauenburg bis dahin schon weit vorangetrieben hatte. Der Bund bewilligte insgesamt 3,6 Millionen Euro für das Projekt. Geplant war ein Quartier am Wasser für Wohnen, Wissenschaft, Kultur und Gewerbe. Als Marek und Kai Klimenko die Führung der Werft übernahmen, entschieden sie sich gegen das Projekt. Zum einen, weil die expandierende Werft künftig mehr Platz benötigen wird, zum anderen, weil Wohnungsbau nicht auf der Agenda des Führungsduos steht.

Die Politik hat das Projekt im vergangenen Monat begraben. Es gab aber in Lauenburg wohl nie einen so positiven Grund für das Scheitern einer Idee.