Geesthacht/Lauenburg. Mit neuen Regeln wollen Geesthacht und Lauenburg dem Tierschutzverein Geesthacht helfen. Die Praxis muss zeigen, ob es funktioniert.
Zu einer bislang ungewohnten Regelung greifen die Verantwortlichen in Geesthacht und Lauenburg sowie den Ämtern Hohe Elbgeest und Lütau. Fundtiere sollen vom 1. August an nicht mehr direkt beim zuständigen Tierheim Geesthacht abgegeben werden dürfen. Die jeweiligen Ordnungsämter in den Kommunen sollen zuvor jeweils ihr Okay geben. Was auf den ersten Blick wie ein galoppierender Amtsschimmel wirkt, hat einen ernsten Hintergrund. Deutschlandweit werden Tierheime kaum mehr der Flut angeblicher oder tatsächlicher Fundtiere her.
Die kleine, vom Tierschutzverein Geesthacht betriebene Einrichtung kommt derzeit nicht umhin, in bestimmten Fällen die Aufnahme von Tieren zu verweigern. Menschen, die sich als Besitzer von Hunden oder Katzen outen, die sie aus verschiedensten Gründen ins Tierheim geben wollen, werden häufig gebeten, nach einer anderen Lösung zu suchen.
Fundtiere? Die Zahl hat sich teils vervielfacht
„Ob die entsprechenden Personen sich dann mit der genannten Liste daran machen, andere Tierheime anzufragen, das wissen wir im Einzelfall nicht“, bedauert Linnea Karsten vom Tierheim Geesthacht. Doch es mangele an Alternativen. „Seit etwa einem Jahr verzeichnen wir vermehrt Abgabewünsche, auch außerhalb der Urlaubszeit.“ Steigende Kosten rauben vielen Tierheimbetreibern den Schlaf.
Die Geesthachter sind damit eher die Regel. Aus diversen Tierheimen und von Trägern – in Deutschland häufig örtliche Tierschutzvereine – heißt es, entsprechende Zahlen hätten sich teils vervielfacht. Mit fast 40 Katzen, sieben Hunden und 15 Kaninchen ist das Tierheim Geesthacht an der Grenze seiner Kapazitäten.
Hohe Kosten: Besitzer geben Blacky und Minka ins Tierheim
Ein offenes Geheimnis: Viele angebliche Fundtiere sind tatsächlich den Besitzern einfach zu teuer geworden. Zu Kosten für Futter und den für eine Haftpflichtversicherung kommen häufig die für Tierarztbesuche. Steigende Honorare wie auch allgemein der schwunghafte Anstieg der Lebenshaltungskosten in den vergangenen Monaten haben dazu geführt, dass mehr Besitzer ihre Tiere abgeben wollen.
Gern auch als „Fundtiere“: Deren Aufnahme durch Tierheime erfolgt in aller Regel kostenlos. In anderen Fällen müssen sich die Besitzer an Kosten für Unterbringung und Verpflegung beteiligen.
Offizielle Begründung: Plötzliche Allergien und gemeine Vermieter
Was manche Besitzer als Gründe angeben, sich von ihrem Hund, ihrer Katze, ihrem Kaninchen oder Meerschweinchen trennen zu wollen, verschlägt Tierheimmitarbeitern und Tierfreunden häufig den Atem: Da werden plötzlich und überraschend aufgetretene Allergien angeführt, nachdem Tiere bereits Jahre in den jeweiligen Familien gelebt haben. Am Tag vor einem anstehenden Umzug fällt auf, dass der neue Vermieter keine Haustiere dulde. Oder aber die neue Wohnung sei zu klein für Blacky, Katze Minka oder Meerschweinchen Harlekin.
Viele Besitzer sind mit dem finanziellen Aufwand irgendwann überfordert, wenn sie etwa ihre Arbeit verlieren oder das Tier erkrankt. Mindestens ebenso häufig sind die Gründe aber andere.
Zweimal kurz Gassigehen reicht den meisten Hunden nicht
Menschen haben den Zeitaufwand massiv unterschätzt, um ein Tier zu halten und zu versorgen. Zeigen sich massiv überfordert, wenn ihnen klar wird, dass zweimal 20 Minuten Gassigehen am Tag und einmal füttern für keinen Hund eine artgerechte Haltung bedeuten.
„Leute schaffen sich unbedacht ein Haustier an, kommen damit nicht zurecht, dann soll es ins Tierheim“, schildert Linnéa Karsten. Ein Klassiker: „Da wird ohne Bedacht ein niedlicher Welpe gekauft. Sobald er anfängt, erwachsen zu werden, ist es kein Spaß mehr, wenn er seine Zähne benutzt. Wenn Hunde keine Grenzen akzeptieren, weil seine Besitzer es versäumt haben, sie zu erziehen.“
Viele Besitzer sind mit der Erziehung total überfordert
Ansprechpartner für Menschen, die gefundene oder zugelaufene Katzen oder Hunde ins Tierheim Geesthacht geben wollen, sind in den jeweiligen Kommunen künftig die Ordnungsämter. Sie sind telefonisch über die zentralen Nummern der Rathäuser oder per E-Mail erreichbar. Etwa an ordnung@geesthacht.de oder ordnungsamt@lauenburg-elbe.de beziehungsweise ordnung@amt-hohe-elbgeest.de.
Ordnungsämter sollen Angaben zu angeblichen Streunern prüfen
Eines soll die Neureglung nicht bedeuten: Es sei nicht geplant, im Geesthachter Rathaus umzubauen, damit im Ordnungsamt Tiere untergebracht werden können, sagt Rathaussprecherin Katharina Richter. „Eine Zwischenverwahrung der gemeldeten Fundtiere bei den jeweiligen Ordnungsbehörden soll nicht erfolgen.“
Ziel sei es, das Tierheim zu entlasten. Das geänderte Verfahren solle die „Recherchemöglichkeiten verbessern“. Um klären zu können, woher streunende Hunde oder Fundkatzen möglicherweise stammen, sie gegebenenfalls rückführen zu können.
Zugelaufenen Dobermann in 30-Quadratmeter-Wohnung parken?
Doch die Ordnungsämter sind nicht 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche erreichbar. Müssen Tierfreunde fürchten, künftig den zugelaufenen Dobermann oder Schäferhundmischling zunächst in ihrer eigenen Eineinhalb-Zimmer-Wohnung aufnehmen zu müssen?
Eine solche Angst müsse niemand haben, sagt Franziska Stein, Ordnungsamtsleiterin im Lauenburger Rathaus. „Bei uns ändert sich durch die Neureglung nicht so viel. Wir haben uns auch in der Vergangenheit um Fundtiere gekümmert.“
Am Wochenende kümmern sich Polizei oder Tierrettung
Wem etwa am Wochenende ein Hund zulaufe, könne sich an die örtliche Polizei wenden. Die Beamten kümmern sich dann entweder selbst oder informieren die Tierrettung mit Hauptsitz in Mölln. Die Experten holen nicht nur verletzte Haus- oder Wildtiere ab, bringen diese, wenn nötig, zum Tierarzt oder in eine Tierklinik. Für die Tierretter oder die Polizei besteht zudem die Möglichkeit, Tiere auch ins Tierheim Geesthacht zu bringen. Sie können etwa entlaufene oder ausgesetzte Vierbeiner auch dann in ein Gehege geben, wenn keine Mitarbeiter vor Ort sind.
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Franziska Stein setzt einige Hoffnungen auf die Neureglung. „Es kommt vermehrt vor, dass Menschen angebliche Fundtiere abgeben wollen, auch den alten Pudel der verstorbenen Oma.“ Im Gespräch lasse sich häufig feststellen, dass das angeblich fremde Tier gar nicht fremd sei.
Viele Ordnungsämter arbeiten mit örtlichen Tierschützern eng zusammen. Lauenburg etwa mit den „Lauentown Katzenfreunden“, die sich auch um verwilderte Hauskatzen kümmern.
Mit Katzenschutzverordnung gegen das Tierelend
Lauenburg verfügt über eine Katzenschutzverordnung, die regelt, dass Freigänger kastriert beziehungsweise sterilisiert sein müssen. „Wir wollen nicht, dass das Tierelend zunimmt“, sagt Franziska Stein. Weder durch wild geborene Hauskatzen noch durch ausgesetzte Tiere.