Schwarzenbek. 51 Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten Zertifikat von der Volkshochschule Schwarzenbek. Eine von ihnen: die Juristin Dariia Vlasenko.

Eigentlich war alles gut in Saporischschja: Dariia Vlasenko lebte dort glücklich im Herzen der Ukraine mit ihrem Ehemann, einem Sportlehrer und den beiden Söhnen (vier und elf Jahre). Die 41-Jährige ist studierte Juristin, arbeitete als Rechtsanwältin und bildete sich auch zur Ernährungsberaterin fort, weil ihr jüngerer Sohn gesundheitliche Schwierigkeiten hatte. Dann kam der Krieg am 24. Februar 2022. Russland fiel in das westlich orientierte Land ein und nicht nur für Dariia Vlasenko und ihre kleine Familie wurde alles anders.

Mehr als 200 Flüchtlinge aus der Ukraine leben derzeit in Schwarzenbek

Weit mehr als 200 Flüchtlinge aus der Ukraine leben aktuell in Schwarzenbek. Viele sehen Deutschland nicht nur als vorübergehenden Ort der Zuflucht, sondern versuchen auch Deutsch zu lernen, um hier Fuß zu fassen und ein neues Leben in Sicherheit zu führen. Denn bereits 2014 hat Russland die Ukraine mit einem Krieg überzogen und die Krim erobert. Entsprechend groß ist der Ansturm auf die Kurse „Deutsch A1 für Zuwanderer“ bei der Volkshochschule Schwarzenbek.

Aber groß ist auch die Fluktuation. Jetzt haben 51 Flüchtlinge aus der Ukraine ihre Zertifikate nach dem bestandenen Kursus bekommen und können sich in Wort und Schrift auf Deutsch ausdrücken. Gestartet haben die Kurse Ende April, beziehungsweise im Juni vergangenen Jahres. Damals waren 79 Flüchtlinge dabei. Einige von ihnen sind in die alte Heimat zurückgekehrt. Andere zu Verwandten in andere Bundesländer gezogen.

Dariia Vlasenko aus Saporischschja hat ihr Zertifikat „Deutsch A1 für Zuwanderer
Dariia Vlasenko aus Saporischschja hat ihr Zertifikat „Deutsch A1 für Zuwanderer" bestanden. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Es sind fast ausschließlich Frauen, die Deutsch gelernt haben. „Die meisten Männer sind zu Hause geblieben und kämpfen an der Front“, sagt Anja Erdmann, Leiterin der Volkshochschule. Dieses Schicksal bleibt Dariia Vlasenko erspart. Ihr Mann ist zwar Sportlehrer, aber zu alt für den Fronteinsatz und hat auch körperliche Einschränkungen. Deshalb ist er mittlerweile ebenfalls in Deutschland. „Als der Krieg begann, haben wir Bilder aus dem umkämpften Mariupol gesehen. Da war uns klar, dass die Ukraine für die Kinder nicht mehr sicher ist“, berichtet die 41-Jährige.

Zwar sind es mehr als drei Autostunden und knapp 230 Kilometer von Saporischschja bis Mariupol, aber selbst in Kiew schlugen Raketen ein. „Wir haben uns entschieden, dass ich mit den Kindern nach Deutschland fahre. Wir hatten Verwandte in Schwarzenbek. Ich hatte bereits in der Schule ein bisschen Deutsch gelernt und war in jungen Jahren als Au-Pair-Mädchen für einige Monate in Bad Nauheim“, erzählt die Ukrainerin.

Eine Woche hat die gefährliche Odyssee im März 2022 durch das mittlerweile in weiten Teilen im Krieg befindliche Land gedauert. Zunächst ging es mit dem Zug nach Rowno. Von dort ging es weiter in Richtung Polen und zu Fuß über die Grenze. „Die Menschen waren dort sehr hilfsbereit. Wir sind dann mit anderen Verkehrsmitteln weiter nach Schwarzenbek gefahren. Die Reise hat eine Woche gedauert“, berichtet die Juristin.

Zunächst wohnten Dariia Vlasenko und ihre beiden Kinder bei den Verwandten. Als dann ihr Mann im August 2022 nachkam, reichte der Platz nicht mehr. Die Familie kam in der Sammelunterkunft in der alten Realschule an der Berliner Straße unter. Zu dem Zeitpunkt lernte die Ukrainerin bereits Deutsch bei der Volkshochschule.

„Ich bin froh, dass ich meinen Deutschkursus bestanden habe“

Dann vermittelte die Stadt den Ukrainern eine eigene Wohnung. Mittlerweile ist auch die Mutter der 41-Jährigen nach Schwarzenbek gezogen. sie passt tagsüber auf den Vierjährigen auf. Der ältere Sohn der Vlasenkos besucht die DaZ-Klasse in der Schwarzenbeker Gemeinschaftsschule. „Ich bin froh, dass ich meinen Deutschkursus bestanden habe und will meine Kenntnisse noch weiter verbessern. Es wird aber sehr lange dauern, bis ich wieder als Juristin arbeiten kann. Dafür fehlen mir auch Kenntnisse in den deutschen Gesetzen. Für meinen Mann stehen die Chancen aber sehr gut, wieder als Lehrer arbeiten zu können. Ich werde auch etwas finden. Wir sehen unsere Zukunft angesichts der unsicheren Perspektiven eher in Deutschland“, sagt die Ukrainerin. Es sei ihr allerdings sehr schwer gefallen, die alte Heimat zu verlassen. Denn dort war alles gut, die Familie war situiert.

Das geht offensichtlich zahlreichen Ukrainerinnen so. „Ich kenne viele Familien hier. Wir treffen uns im Unterricht und natürlich auch privat. Wir haben unsere Heimat nicht aus wirtschaftlicher Not verlassen, wie es andere Flüchtlinge aus Afrika oder anderen Teilen der Welt tun. Eigentlich wollen viele von uns nach dem Krieg zurückkehren, aber wir wissen angesichts der Zerstörungen nicht, was wir dort vorfinden und sorgen uns um die Sicherheit unserer Familien. Deshalb werden sich wohl viele von uns eine neue Zukunft in Deutschland aufbauen“, so die Ukrainerin. Denn genau wie sie sind viele Flüchtlinge hoch gebildet und können dem Facharbeitermangel entgegenwirken.

Andrang auf die Deutschkurse reißt nicht ab – Finanzierung gesichert

Derweil gehen die Deutschkurse bei der VHS weiter, die Finanzierung über Bundesmittel ist gesichert, verkündete Anja Erdmann. Aktuell kann sie auf die vier Dozenten Nina Ziegel, Jutta Schmidt, Dierk Christiansen-Lenger und Annette Schaly zurückgreifen. Der Andrang auf die Deutschkurse reißt nicht ab, täglich kommen neue Teilnehmer, die sich für einen Sprachkurs interessieren – weil sie möglichst schnell in Deutschland Fuß fassen wollen.