Ratzeburg. Meter entscheiden: Nur ein Drittel der Schüler im Kreis Herzogtum Lauenburg hat Anspruch auf eine kostenfreie Fahrkarte.

Gute Nachricht für die Schüler im Kreis Herzogtum Lauenburg – zumindest für einen Teil von ihnen: Statt der bisher üblichen Fahrkarte bekommen sie ab dem Sommer das so genannte Deutschlandticket (49-Euro-Ticket, kommt am 1. Mai auf den Markt) und können damit bundesweit unterwegs sein. CDU-Sozialpolitiker Michael Sauerland hat das neue Konzept für die Schülerbeförderung vorgestellt. Mit der Mehrheit von CDU und Grünen ist der Vorstoß auch im Kreistag durchgegangen.

Kritik gab es indes von der FDP. Die liberale Kreistagsabgeordnete Judith Gauck hatte moniert, dass nur ein Teil der Schüler Anspruch auf eine Fahrkarte hätten. Das sei eine Ungleichbehandlung, die bereits jetzt bestehe und durch das Deutschlandticket noch verschärft werde. „Grundsätzlich geht der Antrag aber in die richtige Richtung, weil er den Umstieg auf den ÖPNV für Kinder und Jugendlichen attraktiver macht.

Für die Einführung muss die Satzung geändert werden

„Bislang ist das ein Plan und eine Absichtserklärung. Damit das Deutschlandticket wie von den Mehrheitsfraktionen gewünscht wirklich zum Schuljahr 2023/2024 im Schülerverkehr eingeführt werden kann, muss die Satzung geändert werden“, erläuterte Kreissprecher Tobias Frohnert. Bislang sieht die nur das HVV-Ticket mit den entsprechenden Zonen für den Weg zur Schule vor. Das sei eine Formsache, aber eben ein entscheidender Baustein in dem neuen Konzept.

Am Donnerstagabend hat der Kreistag zum 19. und zugleich letzten Mal in der Wahlperiode getagt. Am 24. Mai werden „die Karten“ bei der Kommunalwahl neu gemischt. An dem Beschluss über die Änderung in der Schülerbeförderung ändert das aber nichts. „Wir werden die Änderung in die Satzung einarbeiten. Im Juni tagt erstmals der neue Kreistag. Dann müssten die Politiker die Satzungsänderung beschließen.

Online-Antrag: Kreistag beschließt Erweiterung

Für die Eltern ändert sich nichts. Sie können die mittlerweile digitalen Schülerfahrkarten über das im Sommer 2021 eingeführte Olav-System online beantragen. Der Kreis hat das System gemeinsam mit den Nachbarkreisen Stormarn und Segeberg vor zwei Jahren auf den Weg gebracht. Entwickelt wurde es in der Ratzeburger Kreisverwaltung. Mittlerweile hat sich auch der Kreis Pinneberg angeschlossen. Nun hat der Kreistag eine Erweiterung beschlossen, weil ab dem Schuljahr 2024/2025 auch die Kreise Dithmarschen und Schleswig-Flensburg mitmachen wollen.

Die Schülerfahrkarten sind für anspruchsberechtigte Kinder kostenfrei. Aber genau darin liegt das Problem. Denn längst nicht alle der 19.000 Schülerinnen und Schüler im Kreis Herzogtum Lauenburg kommen in den Genuss der Tickets. Das ist auch der Ansatzpunkt der Kritik von Judith Gauck, die darin eine Ungerechtigkeit sieht.

Über die Berechtigung entscheiden mitunter nur wenige Meter

Mitunter entscheiden nur wenige Meter über die Berechtigung für ein Ticket. So hat das Haus eines Bewohners des Kreises eine Entfernung von 3,8 Kilometern zur weiterführenden Schule. Die Kinder bekommen kein Ticket. Zwei Straßen weiter ist die Mindestentfernung von vier Kilometern eingehalten und der Nachwuchs wird kostenfrei befördert. Nach der Satzung des Kreises gilt für den Anspruch auf das kostenfreie Ticket ein Abstand von vier Kilometern zu einer weiterführenden Schule, bei Grundschulen sind es zwei Kilometer. Außerdem erlischt der Anspruch nach der zehnten Klasse.

Eine Ungleichbehandlung kann es aber auch innerhalb der Familie geben. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein Grundschüler im Dorf oder der Stadt einen kurzen Schulweg hat und kein Deutschlandticket bekommt, der ältere Bruder oder die Schwester, die eine weiterführende Schule besuchen, aber mehr als vier Kilometer Schulweg haben und künftig bundesweit Busse und Bahnen nutzen können. „Das ist sowohl im Urlaub attraktiv, aber auch wenn es nach der Schule in der Freizeit nach Hamburg oder Lübeck gehen soll“, so Judith Gauck. Wesentlich weiter als die FDP gehen die Sozialdemokraten, die sich für alle Schüler einsetzen.

Lediglich 6760 Schüler erhalten ein Schulbusticket

Angesichts dieser Abstandsregelung kommt es zu der Situation, dass nach der aktuellen Satzung und Stand laufendes Schuljahr lediglich 6760 Schülerinnen und Schüler ein Schulbusticket vom Kreis erhalten. Das entspricht etwa einem Drittel. „Die Zahl der tatsächlich anspruchsberechtigten Schülerinnen und Schüler könnte etwas darüber liegen, wenn man davon ausgeht, dass nicht alle ihren Anspruch geltend gemacht haben“, so Kreissprecher Tobias Frohnert. Gründe dafür könnten beispielsweise sein, das die Schule auf dem Arbeitsweg eines Elternteils liegt. 516 der ausgegebenen Tickets gelten nicht bis zur nächstgelegenen Schule, dafür wird dann eine Zuzahlung in Höhe der Differenz der Ticketpreise fällig.

Ein weiteres Problem entsteht, wenn sich nicht alle am Olav-System teilnehmenden Kreise an der Umstellung auf das Deutschlandticket beteiligen. Dann wird die zentrale Abrechnung der Schülerbeförderung für das Gesamtgebiet deutlich aufwändiger. Dieses Problem haben auch die Antragsteller, CDU-Fraktionschef Norbert Brackmann und Oliver Brandt von den Grünen angemerkt. „Dabei soll darauf geachtet werden, dass die Umstellung der Fahrberechtigungen auf das Deutschland-Ticket im Einvernehmen mit dem HVV und den Kreisen Stormarn, Segeberg und Pinneberg erfolgt“, schreiben die beiden Spitzenpolitiker in ihrem Antrag.

Der Beschluss für das Deutschlandticket in der Schülerbeförderung ist zwar gefallen, aber angesichts der vielen offenen Fragen dürfte noch nicht das letzte Wort über diese Entscheidung gefallen sein – zumal zahlreiche Eltern bereits jetzt über Ungerechtigkeiten bei der Schülerbeförderung klagen.

So funktioniert das OIav-System

Olav wurde im Sommer 2021 im Zuge der Umstellung beim HVV auf digitale Fahrkarten eingeführt. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das etwas sperrige „Online-Antragsverfahren für Schülerfahrkarten“. Seitdem können Eltern die Schülerfahrkarten für ihre Kinder entspannt zu Hause buchen. Der Gang zu Schulen oder Behörden fällt dadurch weg. Im System sind alle Daten der Schüler hinterlegt. Der Computer erkennt bereits bei der Antragstellung, ob angesichts des Wohnorts und der Jahrgangsstufe ein Anspruch auf eine Schülerfahrkarte besteht. Die Tickets werden digital erstellt, auch Passbilder können online hochgeladen werden. Das System hat das Team von Nahverkehrsplaner Andrew Yomi in Ratzeburg entwickelt. Es soll den Verwaltungsaufwand schlanker machen, da die Antragstellung in den Schulen entfällt.