Geesthacht. Gemeindepädagoge Armin Westphal von St. Salvatoris geht nach 30 Jahren in Ruhestand. Warum die Stasi ein Auge auf ihn hatte.
Ein letztes Konzert noch zum Abschied, und dann war es das. Armin Westphal will einen harten Schnitt. Trotz seiner 32 Jahre als Gemeindepädagoge an der St.-Salvatoris-Kirche. „Mein Leben“, sagt er. Aber der Nachfolger sitzt bereits im Kirchenbüro und sammelt seine ersten Erfahrungen mit der noch unbekannten Gemeinde. Andreas Seibert stammt aus Dortmund. Armin Westphal will diesem Prozess nicht im Wege stehen. Und deshalb „seine“ Gemeinde erstmal meiden.
„Zwölf Lieder, dann sage ich Tschüss“, ist das Motto für Sonntag, 29. Januar. Um 16 Uhr beginnt aber nicht das Abschiedskonzert für Armin Westphal, sondern das von ihm. Denn er ist es, der sich mit Gesang und Gitarre in den Ruhestand verabschiedet. Anklingen wird, was ihn die vergangenen Jahrzehnte bewegt hat. Es ist unterteilt in zwei Blöcke. Im ersten Teil gibt es Lieder aus der Anti-Atomkraft-Bewegung und der Zeit der Friedensbewegung zu hören, im zweiten Block Lieder, die er für die Gemeinde geschrieben hat für bestimmte Anlässe. „Ich mag Abschiede nicht so gern, das ist immer eine Lobhudelei“, meint er. So kam er auf das Musikprogramm.
Ein Auftritt sorgte für einen Skandal in Geesthacht
Denn ohne Musik, vor allem ohne akustische Gitarre, ist das Wirken von Armin Westphal in der Gemeindearbeit kaum vorstellbar. Er ist vom alten Schlag, war bis 1993 mit der Blackwater Band und irischen Liedern auf Tour von Hamburg bis Kiel. „Wir haben das Problem, dass die wenigsten noch Musik machen können“, bedauert er. Dabei können Lieder eine mächtige Wirkung entfalten. Ein Auftritt von ihm sorgte für einen Skandal in Geesthacht, sogar die Stasi der DDR hatte ein Auge auf ihn.
So wurde er 1986 gebeten, zum Volkstrauertag auf dem Waldfriedhof zu spielen, Karsten Ebel war damals Bürgermeister in Geesthacht. Eine Bundeswehr-Abordnung war auch zu Gast. Armin Westphal trug das Soldatentum-kritische Lied von Hannes Wader vor „Es ist an der Zeit“. „Als die erste Strophe vorbei war, sind die alle abgezogen“, erzählt Armin Westphal. Eine riesige Empörung über die Liedauswahl folgte. Am Nachmittag lief später genau dieses Lied zu einem Bericht über den Volkstrauertag im Radio. „Von der Stadt kam dann eine Entschuldigung“, sagt Armin Westphal.
Die Stasi hatte die Abordnung aus Geesthacht in Ostberlin im Blick
Zu dieser Zeit reiste eine Abordnung von St. Salvatoris regelmäßig in die DDR zur Partnergemeinde nach Berlin-Friedrichshain, Bürgerrechtler Rainer Eppelmann war da Pastor. Die Musiker um Armin Westphal trugen auf Veranstaltungen dort ihr Liedgut vor, das sie auch im Westen spielten. Das Programm war randvoll mit Protestsongs. „Beim Besuch eines Marktes in Ostberlin quietschten plötzlich Autoreifen neben uns, Leute, bei denen wir übernachtet haben, wurden mitgenommen. Die kamen erst ein paar Tage später wieder“, erzählt Armin Westphal. Die Stasi hatte kurz die Muskeln zur Einschüchterung spielen lassen. „So haben wir auch unseren Teil zum Mauerfall beigetragen“, sagt Armin Westphal.
Er ist gebürtiger Geesthachter. „Ich wurde wurde geboren am 5. 5. 1959 um halb fünf“, sagt er. Seine Mutter nahm in bereits als Sechsjährigen mit zu Kirchenbesuchen, meldet ihn 1974 zur Konfirmation an. Das machte zunächst wenig Eindruck. „Ich wollte lieber Fußball spielen“, erinnert er sich. Prägend waren dann zwei Geistliche. Der erste war Pastor Christoffer Zacharias-Langhans, der zu der Zeit an der St.-Salvatoris-Kirche wirkte. „Das waren sehr experimentelle Gottesdienste“, erinnert sich Armin Westphal. „Das war außergewöhnlich, so etwas gab es damals sonst nicht.“ Als Armin Westphal gefragt wurde, nach der Konfirmation weiterhin aktiv zu bleiben, sagte er zu. Wenn auch nicht frei von Hintergedanken. „Man hat da Mädchen getroffen“, sagt er. Der Jugendliche hatte gelernt: „Das Leben war doch mehr als Fußball“.
Der zweite Pastor war Hans-Karl Lange in Altengamme, mit dem er ausführlich diskutierte. Armin Westphal leistete dort Anfang der 80er-Jahre Zivildienst, hob auch Gräber aus. Sein Auto war beklebt mit linken Slogans von der Friedensbewegung bis zur Anti-Atombewegung. „Der Förderkreis hat mich erst nicht auf dem Hof parken lassen“, erzählt Armin Westphal. Der Geistliche überredete ihn, Theologie zu studieren statt Lehramt. Dieses Studium brachte er nicht zu Ende, stieg stattdessen um auf Spiel- und Theaterpädagogik und führte schließlich beide Interessen zusammen. 1991 bekam er als Gemeindepädagoge bei der St.-Salvatoris Kirche eine Anstellung mit zunächst 30 Stunden. „Es wird sicherlich der Zeitpunkt kommen, wo ich das alles vermissen werde“, sagt Armin Westphal.