Geesthacht. Vor dem von Vattenfall betriebenen Pumpspeicherwerk liegen Spezialsäcke mit der Aufschrift „enthält Asbest“. Was die Politik fordert.

Die untersten Sedimentschichten im Geesthachter Pumpspeicherwerk sind hochgradig mit Schwermetallen belastet, das ist bekannt. Unter anderem Arsen, Cadmium und Quecksilber lagern hier unsichtbar unter der Wasseroberfläche. Nun haben offenbar weitere Problemstoffe für alle sichtbar den Sprung an Land geschafft. Zwischen den wegen Reparaturarbeiten zurzeit gesperrten Zufahrten zur Deichkrone liegen große, weiße Spezialbags, „enthält Asbest“ steht darauf gedruckt.

„Erst waren es nur ein paar“, berichtet Oliver Pachur von der Geesthachter CDU-Fraktion, der auf die hinter einem Baustellengitter gestapelten Säcke vor ein paar Tagen beim Joggen aufmerksam wurde. Nun ist die Menge auf über 100 Säcke angewachsen. Am Pumpspeicherbecken sieht es aus wie auf einer kleinen Sondermülldeponie. Wie viele werden es noch? Wo war der Asbest – sofern es sich wirklich um solchen handelt – in der Anlage verbaut? In Deutschland ist es seit 1993 verboten, den gefährlichen Stoff zu verwenden.

Sorge um Trinkwasser wird Thema beim Umweltausschuss

Das ließ sich am Sonntag nicht klären. Wahrscheinlich fiel die Füllmenge der Säcke bei den Ausbesserungsarbeiten an, Oliver Pachur hat, als der Zugang zum Weg an der Deichkrone noch möglich war, Arbeiter in weißen Schutzanzügen mit Atemmasken an der Beckeninnenwand gesehen.

Dass es hier auch Asbest geben könnte, war weder Pachur noch dem Geesthachter Umweltbeirat bekannt. Dieser Sachverhalt soll nun ebenfalls zum Thema gemacht werden auf dem Umweltausschuss am Montag, 24. Oktober (18 Uhr, Ratssaal im Rathaus). Das Hauptaugenmerk aber liegt auf Geesthachts Trinkwasser – und darauf, ob es in Gefahr geraten könnte wegen des Pumpspeicherbeckens.

Um dessen gealterten Beton und seine mögliche Durchlässigkeit machen sich alle Fraktionen und der Umweltbeirat große Sorgen. Das Becken wurde 1958 gebaut. „Den Boden hat sich seitdem keiner mehr angeguckt“, meint Günter Luther vom Umweltbeirat. Was passiert, wenn die Wanne ein Leck hat? Und verseuchtes Wasser aus den unteren Sedimenten austritt? „Hier ist unser Haupteinzugsgebiet für Trinkwasser“, erklärt Oliver Pachur.

Bohrung von acht Brunnen gefordert

Ein Wasserwerk der Stadtwerke liegt nur wenig entfernt an der Elbuferstraße. „Wenn die Gefahrstoffe durch Undichtigkeit oder betriebsbedingt freigesetzt werden, konzentrieren sich die Schadstoff beim oberflächennahen Grundwasser und beeinträchtigen anschließend die Trinkwasserversorgung der Stadt“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag zum Pumpspeicherbecken von CDU, SPD, FDP, Grünen, Bürger für Geesthacht und dem Beirat für Natur und Umwelt.

Das von Vattenfall beschriebene Vorgehen, anhand der Stabilität des Wasserspiegels Rückschlüsse auf die Dichtigkeit der Wanne zu ziehen, überzeugt Günter Luther ganz und gar nicht: „Eine Leckage ist so nicht feststellbar“, steht für ihn fest. Auch Luther ist vom Fach, war unter anderem Leiter der Abteilung Umwelttechnik beim Vorgänger des Helmholtz-Zentrums GKSS und des Unterwasserlabors auf Helgoland, erarbeitete einen GKSS-Workshop zum Thema Reinigung kontaminierter Schluffe.

Günter Luther fordert zur Sicherheit die Bohrung von acht Brunnen rund um das Becken zum Nachweis von Leckagen. Wegen des Grundwasserflusses zwei auf der Nordseite, je einer auf der westlichen und östlichen Seite und vier auf der Südseite. Wenn sauberes Wasser vom Norden vom Wald aus einströmt und es sich nach Passieren der Beckenwanne in den Südbrunnen schließlich als kontaminiert erweist, sollte sich so ein Leck im Boden nachweisen lassen, so der Gedanke. Die Ergebnisse wie die Gehalte an Schadstoffen der periodisch durchzuführenden Beprobungen sollen direkt an die Geesthachter Stadtverwaltung und die Stadtwerke übermittelt werden. Die Kosten schätzen Oliver Pachur und Günter Luther grob auf bis zu 15.000 Euro.

Für Vattenfall kann es teuer werden

Doch die Messstellen sind nur ein Teil des Maßnahmenpaketes. Geht es nach dem Willen der Stadtvertreter, dürfte es für Vattenfall noch deutlich teurer werden – bis in den Millionenbereich. Denn im Antrag wird zudem die Komplettentsorgung der über die Jahrzehnte angefallenen Sedimente gefordert. „Die Verwaltung wird aufgefordert, sich mit den zuständigen Behörden in Verbindung zu setzen und dafür zu sorgen, dass der Betreiber des Pumpspeicherbeckens (Vattenfall AG) Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass Schadstoffe aus dem Sediment durch Undichtigkeiten des Beckens in das Erdreich gelangen und damit das Grundwasser und später die Trinkwasserversorgung der Stadt Geesthacht gefährden“, heißt es im Antrag.

Das soll nicht lange aufgeschoben werden. Der im Antrag erwünschte Zeitrahmen wird auf zehn Jahre festgesetzt, ab jetzt bis 2032. „Ich rechne mit einer Stilllegung“, ist sich Günter Luther über die Zukunft des Pumpspeicherwerkes sicher. Aber damit würden die Probleme nicht enden, meint Oliver Pachur. „Was passiert dann eigentlich mit den Sedimenten? Auch das ist eine Frage, der wir uns stellen müssen“, fordert er.