Geesthacht/Reinbek. Unterkunft, Sprachbarrieren, Schulunterricht - vieles ist für Flüchtlinge noch ungewiss. Wie Reinbek und Geesthacht helfen wollen.
Die privaten Hilfsaktionen für die ukrainischen Flüchtlinge reißen nicht ab. Am Mittwoch um vier Uhr morgens etwa starteten zwei polnische Mitarbeiter des Landhofs Buhk am Geesthachter Ortsausgang bei Escheburg Richtung polnisch-ukrainische Grenze.
Krieg in der Ukraine: Transporter voller Lebensmittel, Powerbanks für Handys
Initiatoren der Aktion sind Adriana Wozniak und ihr Partner Jerzy Staskiewicz, sie wechseln sich bei der Tour über 1400 Kilometer nach Przemysl am Steuer ab. Die Stadt liegt im Dreiländereck von Polen, der Slowakei und der Ukraine. Der VW Transporter des Landhofs wurde bis unters Dach vollgepackt mit Lebensmitteln – auch für Haustiere der Flüchtlinge –, Hygieneartikeln und Powerbanks für die Handys. „700 Kilo Zuladung sind erlaubt“, sagt Peter Buhk, der stolz ist auf seine beherzten Mitarbeiter. Möglich wurde die Aktion durch weitere Spender und Unterstützer, das Autohaus Dittmer etwa checkte den Wagen durch, ohne Arbeitslohn zu berechnen.
Frauen aus der Ukraine haben Angst, ins Rotlichtmilieu entführt zu werden
Das Besondere: Der Wagen fährt nicht leer zurück. Wenn die Waren verteilt sind, steigen sechs Flüchtlinge zu. Die örtliche Verwaltung und Polizei sind bereits eingeweiht und helfen, zudem hat Peter Buhk Unterlagen mitgegeben, die die Seriosität des Unterfangens beweisen. „Viele Frauen haben Angst, ins Rotlichtmilieu entführt zu werden“, sagt er. Es gebe viele Gerüchte, die den Leuten Angst machten.
So weit, so gut. Doch ein Problem gibt es, wenn Adriana Wozniak und Jerzy Staskiewicz am Freitag zurückkehren. Wo die Flüchtlinge dann unterkommen, konnte Peter Buhk bis zum Tag der Abfahrt nicht klären. Selbst eine Unterkunft stellen kann er nicht. „Wenn ich nichts erreiche, fahre ich gleich weiter nach Bad Segeberg“, sagt er. Dort hat Schleswig-Holstein eine Sammelunterkunft eingerichtet.
Flüchtlinge nur einsammeln, wenn die Unterkunft vorher geklärt ist
„Wir bekommen viele Angebote von Menschen, die eine Unterkunft anbieten“, sagt Tobias Frohnert, der Sprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg. Er rät ab, Flüchtlinge auf eigene Faust abzuholen, ohne vorher zu wissen, wo sie bleiben werden. „Wenn die Unterkunft klar ist, spricht natürlich nichts dagegen“, sagt er. Ansonsten seien sie vor Ort in den Camps womöglich besser aufgehoben, wo die Versorgung geregelt sei. Der Bund richtet gerade Sonderzüge ein. Dann geht die Verteilung der Geflohenen über Knotenpunkte. Der für den Norden ist in Hannover. Ukrainische Kriegsflüchtlinge können ohne Visum einreisen und bekommen gemäß der Massenzustrom-Richtlinie einen Aufenthaltsstatus für zunächst sechs Monate.
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Auch in Reinbek war die Verwirrung zunächst groß. 41 Vertriebene aus der Ukraine, darunter 13 Kinder, sind dort bis Mittwoch nur privat untergekommen, die Stadtverwaltung vermittelte ehrenamtliche Dolmetscher. Aber wohin müssen sie sich wenden, wenn sie Geld oder einen Arzt brauchen?
Innenministerium verweist auf Ausländerbehörden der Kreise
Laut Innenministerium in Kiel sollten sich die Geflüchteten bei der Ausländerbehörde des Kreises oder bei der Landesaufnahmeinrichtung melden. Nach zuerst verwirrenden Aussagen aus dem Kreis Stormarn und dem Innenministerium bot Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer eine pragmatische Lösung an: „Wir werden einen zweisprachigen Flyer mit einem Leitfaden für die Geflüchteten verteilen.“ Sie oder ihre Gastgeber sollten ihnen zuerst unter ukraine@reinbek.de oder unter Telefon 040/72 75 04 44 einen Termin im Rathaus besorgen. „Sie werden dort bei uns registriert und erhalten bereits alle Leistungen“, so Warmer. „Außerdem brauchen die Menschen aus der Ukraine einen Termin bei der Ausländerbehörde in Bad Oldesloe, das eilt dann aber nicht. Wichtig ist, dass wir wissen wie viele von ihnen in Reinbek sind.“
Einen mehrsprachigen Flyer kann sich auch Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze für seine Stadt vorstellen. Zudem haben sich Freiwillige als Dolmetscher angeboten, berichtet er. Die Fachdienste beraten aktuell die Vergrößerung der Flüchtlingsunterkunft an der Mercatorstraße.
Wie sich der Zuzug auf die Geesthachter Schulen auswirkt, ist in Klärung. Sowohl das Otto-Hahn-Gymnasium als auch die Buntenskampschule verfügen über DaZ-Klassen für Kinder, die aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht am Regelunterricht teilnehmen können.