Hoisdorf. Kontaktmann bringt benötigte Güter direkt ins Land. Initiatoren gründen Verein, wollen am Wochenende zu eigener Tour aufbrechen.
Die Deutschen sind im Spendenmodus, seit dem Einmarsch der russischen Armee ist die Solidarität mit der Ukraine überwältigend. Überall wird gesammelt, gespendet und gepackt, unzählige Hilfslieferungen machen sich auf den Weg an die ukrainische Grenze. Oleg Winser (63) wagt sich noch einen Schritt weiter, für ihn ist am Schlagbaum noch lange nicht Schluss. Der Deutsche aus der Nähe von Itzehoe hat ukrainische Wurzeln. Er steht mit Menschen in den umkämpften Gebieten in Kontakt und transportiert die Güter so nahe wie möglich an den Zielort heran. Auf dem Weg zurück nimmt er Flüchtende aus dem Kriegsgebiet mit nach Deutschland.
Cooper Jensen bringt den Stein ins Rollen
Unterstützung bekommt er von jungen Stormarnern, die sich in vorbildlicher Weise für das Projekt einsetzen, dafür Unmengen an Zeit, Energie und Geld investieren. Zu dem Freundeskreis gehört der Hoisdorfer Cooper Jensen (22), der mit Winser befreundet ist und den Stein ins Rollen gebracht hat, wie er sagt.
„Oleg hat mir davon erzählt, dass er Transporte in die Ukraine plant, und gesagt, du musst mir helfen“, berichtet Jensen. Er startete eine Sammelaktion und holte seine Freunde Henry Stolze (22), Fabio Borchers (22), Lasse Duisberg (22) sowie Max Haker (28) mit ins Boot. Er nutze auch seine Kontakte zu Altersheimen, die er sich durch den Verkauf von Corona-Schnelltests aufgebaut hat. Unter anderem besorgte er 150 Liter Desinfektionslösung, Schmerzmittel und Unmengen an Verbandszeug – alles Dinge, die ebenso bei der Versorgung verletzter Soldaten zum Einsatz kommen wie in den Krankenhäusern.
Freunde bauen nachts 60 Spendenboxen
Wenn sie denn noch bestehen. Als Winser vorigen Sonntag von seiner dritten Fahrt in die Ukraine zurückkehrte, brachte er sechs Geflüchtete mit: zwei Mütter mit Kindern, eine Seniorin und einen älteren Mann. Sie hätten ihm Schreckliches aus der Stadt Schytomyr berichtet, aus der sie geflohen seien. Die Russen hätten dort eine Schule gegenüber einer Militärkaserne beschossen und eine Rakete habe direkt die Geburtenstation eines noch in Betrieb befindlichen Krankenhauses getroffen.
Cooper Jensen sagt: „Als Oleg vom ersten Transport zurückkam, meinte er schon, dass die Situation vor Ort so krass sei, dass wir unbedingt weitere Hilfe auf den Weg bringen müssten.“ In einer Hauruckaktion bauten die Freunde nachts in der Trittauer Tischlerei Lantz etwa 60 Spendenboxen, versahen sie mit Infozetteln und verteilten sie anschließend in Apotheken und Geschäften in der Region bis hin nach Hamburg.
User verfolgen die Aktion auf Instagram
Jensen postete auf Instagram Details über ihr Tun und erhielt jede Menge positives Feedback. „Viele haben gesagt, das ist mega, was ihr da macht.“ Weil er immer wieder gefragt wurde, wie sich das Vorhaben mit Spenden unterstützen lasse, richtete er ein Paypal-Konto ein.
Inzwischen nahm das Ganze größere Dimensionen an. Für eine weitere Lieferung beschafften die Freunde unter anderem einen Kühlwagen für den Transport von Verstorbenen. Denn auch Opfer gehören zur grausamen Realität des Krieges. Lebensmittel und Kleidung würden derzeit nicht gebraucht, so Jensen. „Wir brauchen nicht den fünftausendsten Bikini“, sagt er. Niemand fliehe nackt, fast alle hätten zusätzliche Kleidung dabei. „Aber die Ukrainer, die an der Front kämpfen, sterben, weil sie zum Beispiel ohne Wärmebildkamera nicht sehen können, aus welcher Richtung sich der Feind nähert.“ Denn die Menschen kämpften teilweise in Jogginghosen und Sneakern, berichtet Jensen.
Beim zweiten Transport ist Kiew gesperrt
Aktuell geht es laut Winser darum, vor allem Sicherheitsausrüstung in die Ukraine zu schaffen. Neben den erwähnten Kameras würden konkret Funkgeräte mit 1000 Meter Reichweite, Schutzhelme, feste Schuhe, Nachtsichtgeräte, kugelsichere Westen, Feuerlöscher, Powerbanks, Taschenlampen, Zelte und zudem Medikamente gebraucht. Auch Ärzte brauchten einen guten Schutz wie Helme und kugelsichere Westen, so Jensen. Teure Dinge, für die die Gruppe nach Angaben des Hoisdorfers bislang etwa 14.000 Euro privates Geld aufgebracht hat. Für den vierten Transport, zu dem Winser am heutigen Mittwoch, 9. März, aufbricht, hat sie sogar ein Allradauto besorgt. Winser führt es auf einem Trailer mit.
Die erste Reise, berichtet er, sei noch direkt nach Kiew gegangen. „Beim zweiten Mal war Kiew gesperrt, da sind meine Freunde nach Schytomyr gekommen, um die Sachen abzuholen.“ Mit den Ukrainern vor Ort kommuniziere er jeden Tag, sie teilten ihm mit, was sie benötigten und wie weit er fahren könne. Beim dritten Mal sei er nur bis Riwne gekommen, „dort gibt es auch schon Flugzeuge von Russen“. Aber er habe keine Angst. „Es ist mein Heimatland und es sind meine Landsleute, ich muss ihnen helfen“, sagt er, es klingt fast beschwörend.
Putin reicht Eroberung der Ukraine nicht
Die jungen Männer wollen einen Verein gründen, ein Bankkonto soll Geldspenden erleichtern. „Warum sollte man nicht etwas spenden und helfen“, sagt Jensen. „Wir leben hier unverändert weiter, woanders ist ein ernsthafter Krieg.“ Sollte die Ukraine verlieren, werde sich Putin sicher nicht damit zufrieden geben, gibt er zu bedenken. „Wir fahren wahrscheinlich am Wochenende mit einem Transport los“, sagt Jensen. Genaueres werde in Kürze geklärt, auch, ob sich die Freunde wirklich bis in das umkämpfte Land vorwagen werden.
Das Magazin Trittau online und der TSV Trittau unterstützen das Vorhaben mit einer eigenen Aktion. Am Freitag, 11. März (16 Uhr), wollen sie auf dem Zingelmann-Sportplatz neben den Tennishallen an der Großenseer Straße 10a mit 1200 gelben und blauen Ballons ein Zeichen der Solidarität setzen. Dort sind auch zwei der Spendenboxen für das Projekt aufgestellt. Die Luftballons dürfen anschließend mit nach Hause genommen werden. Wer nicht dabei sein kann, kann auch per Paypal an oneplanetev spenden.