Geesthacht. Die Fußgängerzone soll aufgeräumter und attraktiver werden, hatte die Politik beschlossen. Nun wird kontrolliert.

Normalerweise stellt Claudia Lilie das Werbeschild für ihre Buchhandlung vor den Zugang zum Liliehof in der Fußgängerzone der Bergedorfer Straße auf. Jetzt schleppt sie es in die andere Richtung, obwohl noch lange nicht Feierabend ist. Die Stadt Geesthacht hat das Aufstellen jüngst verboten. Und nicht nur ihr. Alle diese Aufsteller müssen verschwinden aus dem öffentlichen Raum.

Claudia Lilie blickt in die Runde. Es ist wenig los in der Bummelmeile an diesem grauen Januartag, dazu kommt Corona. Und nun soll auch noch die Werbung verschwinden? Sie ist sauer über diese Maßnahme: „Dann sollen sie doch sagen, wir wollen keinen Einzelhandel mehr“, ärgert sich Claudia Lilie.

Fußgängerzone: Geesthacht hat Nutzung der Flächen neu geregelt

Hintergrund dieser Anordnung ist ein Ratsbeschluss vom September. Die Nutzung von öffentlichen Flächen wird neu geregelt, notwendig dafür waren eine „Änderungssatzung zur Satzung über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen in der Stadt Geesthacht“ sowie Änderungen der „Verwaltungsrichtlinie zur Sondernutzung der Fußgängerzone Bergedorfer Straße“. Seit Anfang des Jahres wird die Umsetzung des Ratsbeschlusses von der Verwaltung kontrolliert.

So bekam auch Manuela Bajer vom Nähkästchen Besuch von einer Mitarbeiterin aus dem Rathaus, die sie auf die Regelung hinwies. Das Schild ihres Fachgeschäftes und der Bücherstube stehen nun Seite an Seite an der Hauswand beim Eingang zum Liliehof. „Es ist schon unglücklich, wir liegen ein bisschen versteckt“, bedauert Manuela Bajer. Das Schild sei schon wichtig. „Es ist eine große Orientierungshilfe. Jetzt an der Hauswand ist es nur von einer Seite gut zu sehen. Gerade viele Nicht-Geesthachter orientieren sich daran, um mich zu finden.“

Im Zugang zum Liliehof kann die Stadt nichts machen

„Die Einfahrt gehört uns“, sagt Claudia Lilie. Hier kann die Stadt nichts machen. Auch sie berichtet, dass einige Kunden ihr mitteilen, durch das Schild in der Fußgängerzone auf das Geschäft aufmerksam geworden zu sein. Nur 26 Euro Miete kostete sie die Aufstellung im Jahr. Die beiden Frauen hoffen noch auf ein Einlenken. „Ich bin ja zu allem Möglichen bereit“, meint Claudia Lilie. „Ich hoffe, dass sich irgendwie noch eine Kompromisslösung findet“, sagt auch Manuela Bajer.

Darauf setzt auch Jürgen Wirobski, der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Geesthacht: „Ich bitte um Augenmaß.“ Man könne im Einzelfall gern noch einmal eine Begehung zusammen machen.

„Diese Beschlüsse sind ein Ergebnis eines in 2015 begonnenen Beteiligungsprozesses“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. „Die Regelungen sehen unter anderem vor, dass Werbeträger nur noch eingeschränkt genutzt werden dürfen.“ Unerwünscht sind Hohlkammerplakate wie das von Claudia Lilie, mit Werbung versehene Fahrradständer und größere Warenauslagen. Geschäfte dürfen nur noch mit ihrem Logo und Namen werben – alles von der Politik beschlossene Regeln, so die Verwaltung.

Angestrebt ist ein optisch einheitliches Erscheinungsbild

Die Blindenführ­streifen leiten Sehbehinderte in der Fußgängerzone an die Häuserfassaden zur weiteren Orientierung.
Die Blindenführ­streifen leiten Sehbehinderte in der Fußgängerzone an die Häuserfassaden zur weiteren Orientierung. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Angestrebt wird nicht nur das Ziel einer optischen Attraktivitätssteigerung der Bergedorfer Straße – sie soll einheitlich und aufgeräumter wirken –, sondern auch das der Barrierefreiheit. Durch den Verzicht auf diese eher sperrigen Werbeträger sollen Hindernisse für Sehbehinderte abgebaut werden.

An jedem Ende der Fußgängerzone findet sich ein in das Pflaster eingelassenes, weißes Blinden- und Sehbehindertenleitsystem. Dieses führt zu den Häuserfassaden hin, die Gebäudewände dienen dann zur weiteren Orientierung. „Werbeaufsteller, die nahe der Häuser stehen, werden zur Stolperfalle. Hier soll die Barrierefreiheit Vorrang haben“, so der Wunsch der Stadt.

Satzung und Verwaltungsrichtlinie gelten grundsätzlich für Einzelhandel und Gastronomie gleichermaßen. Ausgenommen sind lediglich die Bereiche der Fußgängerzone, die keine öffentliche Fläche sind – so wie der Zugang zum Liliehof.

Sondergenehmigung für die Außengastronomie wegen Corona

„Es gibt kleinere Flächen vor einigen Gebäuden, die wir für einen harmonischen Gesamteindruck bei der Umgestaltung der Fußgängerzone mitpflastern durften. Diese Streifen sind weiter in Privatbesitz und von der Satzung für öffentliche Flächen ausgenommen“, erklärt Bauamtsleiter Peter Junge.

Die Sondergenehmigung für die Außengastronomie betrifft übrigens keine Werbemaßnahmen, sondern eine andere Form der Sondernutzung von Flächen – darauf weist die Stadt hin. Demnach müssen Gastronomen, die ihre Außenbestuhlung zeitlich befristet in einem bestimmten Maße erweitern, um die geforderten Abstände zwischen ihren Gästen einzuhalten, keine zusätzlichen Gebühren zahlen. Ein entsprechender Antrag muss bei der Stadtverwaltung gestellt und dort genehmigt werden.