Geesthacht. Autofahrer, die täglich die Elbe zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen queren müssen kilometerweite Umwege fahren.

Das Interesse an der Videokonferenz zur achtwöchigen Sperrung der Elbbrücke Geesthacht im Sommer war immens. Mehr als 700 Menschen verfolgten am Mittwochabend die von der Samt­gemeinde Elbmarsch organisierte Informationsveranstaltung. Vieles, was sie zu hören bekamen, wird ihnen nicht gefallen haben.

Brücke zwischen Elbmarsch und Geesthacht gesperrt

Mindestens acht Wochen lang, vom 4. Juli bis zum 24. August 2022, wird die wichtigste Elbquerung von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen zum Nadelöhr. 20.000 Fahrzeuge, die das 1966 eingeweihte Bauwerk täglich passieren, müssen dann kilometerweite Umwege über die A 39 und A 1 über Hamburg oder die B 209 und B 205 über Lauenburg in Kauf nehmen. Oder sie weichen auf die Elbfähre in Zollenspieker/Hoopte aus, wo je nach anfallendem Bedarf eine zweite Fähre vorgehalten wird.

Eine Überquerung in Geesthacht ist lediglich für Fußgänger auf einer provisorischen Behelfskonstruktion möglich. Radfahrer müssen auf dieser absteigen. Auf beiden Seiten der Elbe bestehen Umstiegsmöglichkeiten in die Bus­linien 4400 (von/nach Bergedorf) und 539 (von/nach Geesthacht). Allerdings müssen Fußgänger zwischen den Haltestellen 1,3 Kilometer zurücklegen und einen Zeitverlust von einer Viertelstunde einplanen.

Im Juli dazu Schienenersatzverkehr für die S 21

Doch für Pendler aus der Elbmarsch, die mit dem ÖPNV bis in die Hamburger City wollen, kommt es noch dicker. Denn zwischen dem 7. und 29. Juli gibt es obendrein noch einen Schienenersatzverkehr auf der S-Bahnlinie 21. Zwischen Bergedorf und Berliner Straße fährt dann nur ein Ersatzbus.

Auch ein Ausweichen auf die Bahn in Winsen bietet sich nicht an. Zwischen dem 11. Juni und dem 4. August fallen die Regionalbahnen zwischen Stelle und Harburg aus. Nur der Regional-Express fährt.

Ab Februar müssen Autofahrer mit massiven Behinderungen rechnen

Massive Behinderungen im Berufsverkehr drohen Autofahrern jedoch bereits ab Februar. Dann beginnen Phase 2 und 3 der insgesamt rund elf Millionen Euro teuren Sanierung: die Erneuerungen des Gehweges auf der östlichen und später der westlichen Brückseite. In diesem Zuge wird auch eine Verbreiterung von 1,60 auf 2,50 Meter vorgenommen.

Dafür müssen die beiden Fahrspuren auf jeweils drei Meter verengt und eine Geschwindigkeits­begrenzung auf Tempo 30 eingeführt werden.

Sorgen um ärztliche Versorgung und Tagespflege in der Elbmarsch

Während der seit November 2021 laufenden Phase 1, aber auch in Phase 5 (ab September 2022), stehen Arbeiten unter der Brücke mit maximal temporären Verkehrseinschränkungen an. Zwischen dem 31. Januar und dem 4. Februar wird eine Fahrspur für Probebohrungen im Belag kurzfristig außerhalb des Berufsverkehrs gesperrt. Die Fahrbahnsanierung samt Vollsperrung ist Bauphase 4.

Bei der Videokonferenz wurde aber nicht nur der Zeitplan der Brückensanierung erläutert, es ging auch um die Beantwortung von rund 150 Fragen, die vorab oder im Laufe der Veranstaltung gestellt wurden. Fazit: Auch was die ärztliche Versorgung oder die ambulante Tagespflege angeht, müssen sich die Bewohner der Elbmarsch auf einen harten Sommer einstellen.

Nur für Fußgänger bleibt das Bauwerk offen

Das Interesse an der Informationsveranstaltung der Samtgemeinde Elbmarsch war immens. 700 Personen verfolgten den virtuellen Infoabend live. Bis Donnerstagnachmittag hatten bereits rund 2500 Menschen das 90-minütige Video auf youtube.com aufgerufen (zu finden unter „Brückensperrung“). Verständlich: Schließlich passieren täglich 20.000 Fahrzeuge die Brücke. Rund 1000 Menschen pendeln täglich von Geesthacht in die Elbmarsch.

Der Informationsabend diente auch dazu, Fragen zu beantworten. Über 150 kamen zusammen. Vor allem zu den alternativen Querungsmöglichkeiten, die ins Spiel gebracht, aber fast alle verworfen wurden.

Pontonbrücke, Fährverbindung, Amphibienbus und Co. fallen durch

Die Errichtung einer Pontonbrücke, entweder durch THW und Bundeswehr (kein Katastrophenfall) oder einen Privatanbieter (zu teuer, Mietkosten 650.000 Euro), ist keine Option. Ebenso wenig der Einsatz von zusätzlichen Fähren zwischen Stove und Altengamme (zu teuer, kein Park & Ride) oder Marschacht und Geesthacht (kein Zeitgewinn). Eine Seilbahn oder eine Fahrradbrücke schieden aus, weil dafür eine jahrelange Planung nötig gewesen wäre. Die charmante Idee, einen Amphibienbus zwischen Marschacht und Geesthacht mit Anschluss an den ÖPNV einzusetzen, kann so schnell nicht umsetzt werden. „Für den Umbau der vorhandenen Slipanlagen hätte eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden müssen. Die wurde 2021 von der Samtgemeinde Elbmarsch nicht in Auftrag gegeben“, erklärte Susanne Dahm, die Verkehrskoordinatorin des Landkreises Harburg.

Geblieben ist eine Ausweitung des ÖPNV. Für die Anbindung an die Buslinien 4400 (nach Bergedorf) und 539 (nach Geesthacht) halten Shuttle­busse auf der Elbinsel. Auf niedersächsischer Seite pendelt ab Rönne ein zusätzlicher Direktbus zum Winsener Bahnhof (Kostenpunkt 50.000 Euro). Außerdem gibt in Rönne Umstiegsmöglichkeiten zu den bestehenden Linien. Es fehlen Parkplätze an den ÖPNV-Umstiegspunkten Problem: Die 1,3 Kilometer zwischen den Haltestellen müssen Pendler entweder zu Fuß (rund 15 Minuten) oder mit dem Rad (fünf Minuten) zurücklegen. Damit die Querung möglich bleibt, wird eigens eine Behelfskonstruktion errichtet. Auf dieser müssen Radfahrer absteigen. Das gilt auch für Motorroller oder E-Scooter.

Brückensperrung wirft Problem bei der Versorgung von Pflegebedürftigen auf

Ob es möglich sein wird, Leihscooter zu mieten, ist noch offen. Ohne einen Zuschuss der Gemeinde ist dies aber auch nicht realisierbar. Für Fahrräder und Co. werden auf der Elbinsel Abstellmöglichkeiten geschaffen. Eine Lösung für Autofahrer, die auf der anderen Elbseite in den Bus umsteigen wollen, ist zu klären. Noch fehlt es an Parkplätzen. Auf der zu Geesthacht gehörenden Elbinsel, einem Naturschutzgebiet, ist laut Andrej Wink vom städtischen Fachdienst Öffentliche Sicherheit Platz für maximal 100 Fahrzeuge. Den Park & Ride-Parkplatz, der in der Schleife der Ausfahrt Rönne liegt, überlegt die Samtgemeinde vorübergehend in Beschlag zu nehmen und zu erweitern. „Wir sind auch in Gesprächen mit anderen Anrainern“, sagt Bürgermeisterin Kathrin Bockey (SPD).

Ein Problem wird die Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen. Weil es in der Elbmarsch keine ambulante Tagespflege gibt, sind viele Geesthachter Anbietern, die während der Brückensperrung den Umweg über Lauenburg aus zeitlichen Gründen aber nicht leisten können. „Wir können hier leider keine Lösung anbieten“, sagt Kathrin Bockey. Gleiches gilt für hausärztliche Versorgung. Gesichert ist lediglich die Notfallversorgung. Kathrin Bockey versuchte es daher mit einem pragmatischen Appell: „Die Brücke ist unsere Lebensader. Wir müssen sie erhalten. Also Augen zu und durch.“