Ratzeburg. Christoph Mager räumt im Herzogtum Lauenburg nach vorzeitiger Impfung Fehler ein. Wie der Kreis Stormarn und Hamburg vorgehen.
Corona-Impfstoff ist derzeit so gefragt, wie kaum etwas anderes. Dementsprechend gilt: Am Ende eines Impftages darf keine Dosis übrig bleiben. Die kurze Haltbarkeit der Wirkstoffe von Biontech/Pfizer, Astrazeneca und Moderna erfordert schnelles Handeln.
Aber nicht immer sind Menschen der Prioritätsgruppe 1 sofort greifbar. Wenn stattdessen Landräte und Bürgermeister geimpft werden, ist der Aufschrei aber groß.
Was passiert mit Impfdosen in Ratzeburg, Bad Oldesloe und Hamburg?
In Halle (Saale) etwa gibt es Rücktrittsforderungen gegen Bürgermeister Bernd Wiegand, der geimpft wurde, weil er auf einer Liste hochrangiger Personen gestanden hatte, die ersatzweise angerufen werden sollten. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Wiegands Büro untersucht und ermittelt, ob seine Impfung ordnungsgemäß war.
Auch Dr. Christoph Mager, Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg ist bereits geimpft. Wenngleich aus den Fraktionen des Kreistags bei einer Sondersitzung am Dienstagabend keine Rufe nach einem Rücktritt laut wurden, musste sich Mager im Haupt- und Innenausschuss unbequeme Fragen zu seiner Impfung und dem Verfahren mit dem Restimpfstoff gefallen lassen.
„Moralisch war es falsch. Ich hätte das Angebot ausschlagen sollen“
Dabei kam heraus, dass Mager bereits drei Tage nach Öffnung des Zentrums in Alt-Mölln die Erstimpfung erhielt. „Ich wurde angerufen, ob ich schnell kommen könne. Ehrlich gesagt, habe ich mir da nur die Frage gestellt, welchen Eindruck es auf meine Mitarbeiter gemacht hätte, wenn ich mich nicht hätte impfen lassen wollen“, erklärte Mager.
Der Landrat betonte, dass er sich an alle vorgegebenen Regeln gehalten habe. „Aber moralisch war es falsch. Ich hätte das Angebot ausschlagen sollen“, sagte er: „Mit meinem Verhalten habe ich sie enttäuscht, dafür entschuldige ich mich auch.“
Auf keinen Fall sollen Restimpfdosen weggeworfen werden
Die SPD hatte die vorgezogene Sitzung beantragt, der stellvertretende Ausschussvorsitzende Jens Meyer (SPD) die Fragen gestellt.
Mager betonte, dass das Land bei einer Videokonferenz zu den Betriebsregeln der Impfzentren im Dezember ausdrücklich betont hatte: „Auf keinen Fall dürften Restimpfdosen weggeworfen werden. Stattdessen müssten Personen herangeschafft werden, die kurzfristig zur Impfung bereit sind.“
Nach Negativschlagzeilen: Vor allem Astrazeneca-Dosen bleiben liegen
Rund 5,2 Millionen Impfstoffdosen wurden bis Wochenbeginn in Deutschland verabreicht, rund 2,3 Millionen Dosen liegen noch im Kühlschrank. Ein Teil davon ist für die anstehenden Zweitimpfungen reserviert. Der größte Teil aber, nach Schätzungen bis zu zwei Millionen Dosen, bleibt derzeit ungenutzt im Lager der Impfzentren.
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„Beim Impfstoff von Astrazeneca bleiben aus weitgehend irrationalen Gründen leider jeden Tag viele Impfstoffdosen liegen“, beklagt der Virologe Thomas Mertens. In den letzten Wochen hatte es vor allem Absagen wegen vermeintlich zu starker Nebenwirkungen und einer im Vergleich etwas geringeren Wirksamkeit des Vakzins gegeben.
Im Kreis Stormarn konnten bislang alle Dosen verimpft werden
Im Kreis Stormarn gab es laut Andreas Rehberg, in der Verwaltung zuständig für Sicherheit und Gefahrenabwehr, bislang kaum Restdosen. Von Biontech seien pro Tag höchstens vier Dosen übrig geblieben, die an Menschen der Prioritätsgruppe 1 verimpft werden konnten.
Meist waren dies Mitarbeiter der mobilen Pflegedienste und der Rettungsdienste. Auch einige über 80-Jährige, die noch keine Termine hatten, konnten immunisiert werden, wenn sie dem Impfarzt bekannt waren. „Wir mussten noch keinen Impfstoff wegwerfen“, sagt Rehberg zufrieden.
In Hamburg wird gelagert, es entstehen erst keine Restmengen
In Hamburg werden laut Anja Segert die nicht zur Anwendung gebrachten Impfdosen in den folgenden Tagen und Wochen eingesetzt, „gemäß der Priorisierung im Rahmen vereinbarter oder buchbarer Termine. Dafür sind an jedem der kommenden Tage Impftermine vorgesehen und auch bereits vergeben“, erklärt die Sprecherin der Gesundheitsbehörde.
Die Kühlung sei gewährleistet: „Nach dem Auftauen ist der Impfstoff mehrere Tage bei Kühlschranktemperatur lagerfähig. Die eingeschränkte Haltbarkeit von 60 Minuten bis zum Verfall ergibt sich erst nach Aufzug in die Spritze.“ Daher würde im Impfzentrum jeweils nur so viel Impfstoff aufbereitet, dass eine bedarfsgerechte Menge zur Verfügung steht und gar keine Restmengen entstehen.
Sechs-Augen-Prinzip am Ende eines Impftages entscheidet über Vergabe
m Lauenburgischen werden laut Christoph Mager am Ende jedes Impftages in Alt-Mölln im Sechs-Augen-Prinzip zwischen dem für die Logistik zuständigen Kreis sowie der Kassenärztlichen Vereinigung und der helfenden Bundeswehr die in Frage kommenden Personen festgelegt.
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Sollten Termine nicht wahrgenommen worden sein, kämen Personen aus der Prioritätsgruppe 1 infrage. „Wir haben festgestellt, dass die nicht immer kurzfristig greifbar sind“, so Mager. Also wären Mitarbeiter der Kreisverwaltung geimpft worden, die im Impfzentrum arbeiten, die durch ihre Tätigkeit ohnehin vorrangig geimpft werden dürften. Dazu zähle auch er selbst.
Ausschuss-Politiker geben sich zufrieden, beklagen jedoch mangelnde Transparenz
Seine Wochenenddienste seien keineswegs Mittel zum Zweck, um sich eine frühere Impfung zu erschleichen. „Ich verlange von meinen Mitarbeitern in dieser Zeit viel und kann ihre Belastung am Wochenende nachempfinden“, sagte Mager, der mit gutem Beispiel vorangehen will. „Ich bin hier keine Aushilfe, verstehe das schon als Arbeit. Das werde ich weiter tun. Überstunden oder so was schreibe ich mir dafür nicht auf“, betonte der Landrat.
Mit den Ausführungen gaben sich die Politiker im Ausschuss zufrieden. Gleichwohl hob Judith Gauck (FDP) hervor: „Wir haben sie als engagierten Landrat erfahren. Mit diesem Thema hätte ich mir einen anderen Umgang gewünscht. Wir hatten seit Anfang Januar mehrere Absprachen, da sind sie damit nicht transparent umgegangen.“
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).