Bad Oldesloe. Eine rechtliche Prüfung habe ergeben, dass die Bürger Anspruch darauf hätten, so Landrat Henning Görtz. Er ist weiter skeptisch.

Die Kreisverwaltung will ab sofort detaillierte Corona-Zahlen zum Infektionsgeschehen in Stormarn veröffentlichen. Das sagte Landrat Henning Görtz unserer Redaktion im Anschluss an eine Videokonferenz mit den Bürgermeistern und Hauptverwaltungsbeamten der Ämter. „Das Interesse der Bürger an diesen Zahlen ist einfach groß, das haben die vergangenen Tage gezeigt. Ich appelliere jedoch an alle Stormarner, mit diesen Zahlen verantwortungsbewusst umzugehen und keine leichtfertigen Schlüsse zu ziehen“, so Henning Görtz.

Wie bereits berichtet, hatte sich der benachbarte Kreis Herzogtum Lauenburg schon Anfang der Vorwoche dazu entschlossen, auf seiner Homepage fortan eine interaktive Inzidenzkarte mit detaillierten Corona-Werten für seine Städte, Gemeinden und Ämter zu veröffentlichen. Daraufhin war es in Stormarn zu vermehrten Anfragen gekommen, warum die hiesige Kreisverwaltung solch einen Überblick nicht ebenso anbietet.

Detaillierte Corona-Zahlen: Rechtliche Gründe entscheidend

Görtz hatte auf Anfrage unserer Redaktion am vergangenen Donnerstag erklärt, man halte sich an eine Empfehlung des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums, das Zahlen auf Kreisebene für absolut ausreichend erachte. Im Übrigen sei die Gefahr von Fehlinterpretationen und falschen Rückschlüssen für das eigene Verhalten zu groß. Das allerdings war auf deutliche Kritik gestoßen.

Den letzten Ausschlag für die Neubewertung habe laut Görtz die rechtliche Prüfung des Begehrens gegeben. „Nach dem Informationszugangsgesetz haben die Bürger einen Anspruch auf öffentliche Informationen zu diesen Zahlen. Dieser Verpflichtung wollen wir uns nach Rücksprache mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) nicht entziehen“, so der Landrat. Mit dem heutigen Tage werde auf der Homepage der Kreisverwaltung jeden Mittwoch eine Grafik in Form eines Säulendiagramms mit den Infektionszahlen der Städte, weiterer einwohnerstarker Kommunen und Ämter veröffentlicht.

Veröffentlichung der Zahlen: Henning Görtz weiter skeptisch

Henning Görtz bekräftigte unterdessen seine Skepsis. Er sieht in der Veröffentlichung nur einen „geringen Mehrwert“. Die veröffentlichten Daten ließen mitnichten unmittelbare Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen an einem bestimmten Ort zu. Darin sei er sich mit der Mehrheit der Bürgermeister und Ämterchefs einig. Das bestätigt etwa Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch. „Für mich ist der Nutzen für die Infektionsbekämpfung zweifelhaft. Wenn niedrige Zahlen zu Übermut und Fahrlässigkeit führen, kann es zu negativen Effekten kommen, die niemand braucht“, so Mesch.

Ammersbeks Bürgermeister Horst Ansén ist ebenfalls kein Freund der neuen Regelung. „Für unsere Maßnahmen ändert sich dadurch überhaupt nichts“, sagt er. Die Corona-Verordnungen gelten ohnehin kreisweit, sodass die Verteilung von einzelnen Fällen keinen Unterschied mache. Zudem seien viele Gemeindeübergänge fließend: Vom Ammersbeker Ortsteil Daheim sind es nur wenige Schritte nach Ahrensburg, Lottbek grenzt direkt an Hamburg-Bergstedt.

Glinder Bürgermeister Zug für trennscharfe Zahlen

Im Süden des Kreises beurteilt man die Lage offenbar anders. „Ich fordere schon seit November trennscharfe Zahlen. Es ist enorm wichtig, diese zu kommunizieren“, sagt Glindes Bürgermeister Rainhard Zug. Der mündige Bürger müsse wissen, was in seinem Umfeld passiere. Geheimniskrämerei führe nur zu einem Vertrauensverlust bei der Bevölkerung. Zug lobt explizit den Kreis Rendsburg-Eckernförde. Auf dessen Homepage gebe es eine Karte mit vielen Detailinformationen zu allen Kommunen wie der Zahl aller positiv Getesteten, der aktuell Infizierten, der Genesenen und der Gestorbenen.

Sein Reinbeker Pendant Björn Warmer sagt: „Wenn es keinen handfesten Grund gibt, die Zahlen nicht zu veröffentlichen und diese von allgemeinem Interesse sind, dann sollten sie auch veröffentlicht werden.“ Selbst dann, wenn die Daten für eine einzelne Kommune nur bedingt aussagekräftig seien. „Doch sollten die Werte in die Höhe schnellen, haben wir so die Möglichkeit, unsere Bürger zu sensibilisieren“, so Warmer.

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Auch Oststeinbeks Verwaltungschef Jürgen Hettwer befürwortet das Preisgeben detaillierter Zahlen. „Schon um dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden“, sagt Hettwer. Gleichzeitig müsse aber klargestellt werden, dass aus diesen Zahlen örtliche Infektionsschutzmaßnahmen wegen statistischer Ausreißer kaum abgeleitet werden könnten. Das würde zu einem Hin und Her führen und keinem helfen. Deshalb genüge es auch, die Detailzahlen zu den Kommunen nur einmal wöchentlich zu veröffentlichen.

Bargteheides Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht hat sich nach eigenem Bekunden ebenfalls von Beginn an für eine Veröffentlichung der Zahlen eingesetzt. „Transparenz bei dem Thema ist wichtig, darf aber nicht zu einer Relativierung der Lage führen. Eine dritte Welle muss auf jeden Fall verhindert werden“, so Kruse-Gobrecht. Die Stadtverwaltung als Ordnungsbehörde vor Ort brauche die Zahlen schon deshalb, um im Krisenstab eine adäquate Lageeinschätzung vornehmen und erforderliche Maßnahmen ableiten zu können.