Brunstorf. Der gebürtige Ungar stand auf den großen Bühnen der Welt. Bis eine Krankheit sein Leben änderte und ihn nach Brunstorf führt.
Seine Paraderolle war die des „Tod“ im Musical „Elisabeth“. Weit über 1000-mal verkörperte Máté Kamarás die Figur, die in die als „Sissi“ bekannt gewordene österreichische Kaiserin verliebt ist. Ab 2003 spielte der gebürtige Ungar die Rolle in Wien, später in Japan sogar in der Landessprache und schließlich auch in Deutschland.
Der heute 44-Jährige, der ob seines Aussehens jeder Boy-Band gut zu Gesicht gestanden hätte, war ein Star der Szene. 1997 hatte er bei der Musical-Weltpremiere zum Kultfilm „Tanz der Vampire“ unter Star-Regisseur Roman Polanski gearbeitet. Jahrelang war die weite Welt Máté Kamarás‘ Zuhause..
Stimmprobleme führen Musical-Star Máté Kamarás nach Brunstorf
Heute verbringt er die meiste Zeit an einem Schreibtisch als Angestellter im Büro der „F & F Grundstücksgesellschaft“ im beschaulichen Brunstorf bei Schwarzenbek. Mit dem Schicksal, dass ihn von der großen Bühne ins 750-Einwohner-Dorf vor die Tore des Sachsenwalds verschlagen hat, hadert er dennoch nicht. „Der liebe Gott hat immer einen Plan. Und ich bin sehr glücklich mit dem, was ich mache“, sagt er.
Wenn man Kamarás heute sprechen hört, kommt man nicht im Traum darauf, dass er mit dem Singen einmal sein Geld verdient hat. Die Stimme klingt irgendwie angestrengt. Doch das ist im Vergleich zu 2016 ein riesiger Fortschritt. Mehr als ein Jahr lang war der aus Miskolc im Nordosten Ungarns stammende Mann praktisch stumm.
23 Jahre auf der großen Bühne gestanden
Schon jahrelang hatten ihn Probleme an den Stimmbändern geplagt, doch von einem Tag auf den anderen ging plötzlich nichts mehr. Dysphonie (Stimmstörung) lautete die Diagnose. Eine Krankheit, von der vor allem Lehrer, Schauspieler oder eben Sänger betroffen sind. Dabei sind die Stimmlippen überlastet. Auf ihnen können sich die sogenannten Sängerknötchen bilden. „Ich konnte nicht einmal ,Guten Tag‘ sagen“, verrät er und ergänzt: „Das war eine sehr, sehr dunkle Geschichte in meinem Leben.“
Plötzlich war Kamarás in Hamburg gestrandet. Dort, wo die Deutschland-Tour mit dem „Elisabeth“-Ensemble endete, endete auch eine 23-jährige Karriere als Sänger. „Mit 17 musste ich mich entscheiden, ob ich malen oder singen will. Ich habe die Bühne gewählt“, blickt er zurück.
Von Budapest über ein Stipendium in London nach Wien
In Budapest studierte er Theater und Schauspiel, später erhielt er ein Stipendium in London und ging 1997 schließlich für den „Tanz der Vampire“ nach Wien. Da beherrschte er bereits alle drei Sprachen. Deutsch lag dabei in der Familie. Seine Urgroßmutter war eine sogenannte Donauschwäbin, also eine nach Ungarn emigrierte Deutsche.
In Wien blieb Máté Kamarás zwölf Jahre. 1000-mal spielte im „Tanz der Vampire“ und anderen Stücken, ehe er ab 2003 in Wien den „Tod“ in „Elisabeth“ an der Seite von Maya Hakvoort verkörperte. Durch die Rolle wurde Kamarás in der Musicalwelt berühmt und bekannt.
Den Rat der Ärzte ignoriert und weiter gesungen
2007 folgte die Wiener Besetzung einer Einladung aus Japan. Kamarás blieb neun Jahre im Land der aufgehenden Sonne, lernte auch diese Sprache und seine jetzige Verlobte kennen. Bald trat er auch auf Japanisch auf, gab Solokonzerte, brachte CDs heraus und spielte in mehreren Musicals. „Ich war der einzige Europäer im Stück ,Mitsuko‘“, betont er stolz. Und bald spielte er auch in Japan wieder den „Tod“.
Doch 2011, der Tsunami hatte gerade in Fukushima für die nukleare Katastrophe gesorgt, war ihm zwei Tage vor der Premiere von „Mitsuko“ erstmals die Stimme weggeblieben. Schon damals wurde die Dysphonie diagnostiziert. Doch anstatt dem Rat des Arztes zu folgen und sich zwei Monate komplett zu schonen, spielte er in dieser Zeit 60 Vorstellungen.
Dank der Malerei zum neuen Job gekommen
„„Der schlimmste Teil bei einem Konzert war immer, wenn ich hinterher Interviews geben musste. Überhaupt habe ich lange mit einer schlechten Stimme geredet. Aber weil meine Gesangstimme nicht betroffen war, hat es lange gedauert, bis bei mir die Erkenntnis gesiegt hat“, räumt Kamarás ein. 2016 stand er vor dem Nichts.
Sein Freund und Musikproduzent Marcus Loeber riet ihm, in der Zeit der Stille wieder mit dem Malen anzufangen. Kamarás fand Aufnahme im Atelier von Wolfgang Kluge, stellte seine eigenen Werke aus und verkaufte diese. Irgendwann sah Michael Funk, der Inhaber der Brunstorfer Firma und Mäzen von Fußball-Oberligist TuS Dassendorf, ein Bild von Máté Kamarás und war so begeistert, dass er den Künstler kennenlernen wollte.
Kamarás hat gelernt, mit der Krankheit zu leben
Beide verstanden sich auf Anhieb. Schließlich bot Funk dem damals 43-Jährigen an, bei ihm im Marketing seiner „My-Bed-Appartement“-Häuser einzusteigen. Dort gestaltet er gerade ein neues Webdesign und absolviert nebenbei ein Studium in Büromanagement. „Mein Leben ist jetzt viel reichhaltiger als zuvor. Die Stimmprobleme gehören zu meiner Geschichte. Dadurch bin ich in Hamburg angekommen. Das sieht man daran, dass ich jetzt einen Hausarzt habe“, betont Máté Kamarás, der in Alsterdorf wohnt.
Die Zufriedenheit liegt auch daran, dass dank seines Therapeuten die Stimme langsam zurückkam. Mit den verbliebenen Einschränkungen seiner Sprachstimme wird er zwar lernen müssen zu leben. Inzwischen tritt er sogar wieder vereinzelt auf. „Nebenbei Konzerte geben zu können, freut mich. Hauptberuflich möchte ich das aber nicht mehr machen“, sagt Kamarás.
Bei Youtube gibt es neue Werke zu hören
Wer in sein neuestes Projekt reinhören will, muss bei Youtube einfach mal seinen Namen und „Natsuki Yamaguchi“ eingeben. Mit der Japanerin singt er im Duett eine Coverversion des Lieds „Say Something“ von A great big world feat. Christina Aguilera. Wenn man hier Máté Kamarás nach wenigen Takten im Wechsel von Kopf- und Bruststimme singen hört, dann weiß man, warum er mal ein Musical-Star war und für seine Fans immer noch ist.