Hamburg. Von „Tatort“ bis Kammerspiele, von „Großstadtrevier“ bis Gruenspan: An dieser Familie führt in Hamburg fast kein Weg vorbei.

Heesters? Der Name steht für deutschsprachige Unterhaltungs-Geschichte(n). Johannes Heesters (1903-2011), dieser Jahrhundert-Künstler, er war als ältester Schauspieler der Welt reif für das „Guinness Buch der Rekorde“. 90 Jahre lang (von insgesamt 108!) stand der niederländisch-österreichische Künstler auf der Bühne, 87 Jahre vor der Kamera. Aber Heesters und Hamburg? Was viele gar nicht wissen: Seine Tochter Nicole lebt und arbeitet schon seit mehr als 50 Jahren in der Hansestadt. „Es hat sich so ergeben“, sagt Nicole Heesters. Sie ist hier das Oberhaupt einer Künstlerfamilie, nachdem ihr langjähriger Ehemann, der auch im Fernsehen („Wetten, dass ..?“) äußerst gefragte ehemalige Staatsopern-Chef-Bühnenbildner Pit Fischer, 2010 starb. Beide hatten sich einst am Düsseldorfer Schauspielhaus kennengelernt.

Der damalige Intendant des Thalia Theaters, Boy Gobert, hatte die Schauspielerin Ende der 60er-Jahre für sein Ensemble engagiert. In Friedrich Dürrenmatts Komödie „Die Ehe des Herrn Mississippi“ gab sie ihr Hamburg-Debüt, ehe sie hier auch in damals für deutsche Bühnen neuen Musical-Inszenierungen wie „Sweet Charity“ oder „Chicago“ gefiel.

Auszeichnung für Nicole Heesters als beste Darstellerin

Nicole Heesters sollte für ihre Kolleginnen in mehrfacher Hinsicht Vorreiterin werden. Als erste deutsche „Tatort“-Ermittlerin arbeitete sie von 1978 an für den damaligen Südwestfunk (SWF) als Kommissarin Marianne Buchmüller - wenn auch nur für drei Folgen. Als die Schauspielerin beim Bäcker als „Frau Buchmüller“ angesprochen wurde, hatte sie genug von dieser Prominenz. „Immerhin war ich die Mutter aller Kommissarinnen“, sagt sie heute.

Typisch Heesters: Drei Fragen an Nicole Heesters (83), Schauspielerin, Hörspielsprecherin, Mutter und Großmutter

1) Was ist typisch für Ihre Familie?

Dass wir uns mit sehr viel Temperament sehr gut verstehen.

2) Welchen anderen Beruf hätten Sie ergreifen können?

Da fällt mir keiner ein.

3) Zu welchem Beruf haben Sie Ihrem Sohn und Ihrer Tochter geraten?

Ich habe ihnen nicht reingeredet, das haben sie selber entschieden. Ich hätte jedoch gern Handwerker in der Familie, schöne Berufe wie Schreiner oder Buchbinder.

Nicole Heesters‘ Vorliebe galt schon immer dem Theater. Erst im Herbst wurde sie für ihre Rolle im Ein-Frau-Stück „Marias Testament“ als beste Darstellerin mit dem Deutschen Schauspielpreis 2020 ausgezeichnet, dem Theaterpreis des Bundesverbandes Schauspiel. „Sie ist eine Inspiration für uns alle, da sie in keinem Lebensalter je aufgehört hat zu suchen“, schwärmte Heesters‘ Hamburger Kollegin Katharina Abt als Laudatorin in Berlin.

„Mit Preisen bin ich gewiss verwöhnt worden“, sagt die 1937 in Potsdam geborene Heesters. Den Curt-Goetz-Ring hat sie bekommen, den Hamburger Rolf-Mares-Preis, den Nestroy-Theaterpreis. „Das ist natürlich Ansporn für die Arbeit. Wenn man als beste Schauspielerin ausgezeichnet wird, es ist aber auch eine Verpflichtung, sich weiter zusammenzureißen.“

Großer Erfolg von „Marias Testament“

Ihre bisher letzte große Hamburger Rolle in „Marias Testament“ hatte Nicole Heesters dem Kammerspiele-Intendanten Axel Schneider selbst vorgeschlagen, nachdem sie den Roman des irischen Autors Colm Tóibin gelesen hatte. Die deutschsprachige Erstaufführung des Dramas über eine Mutter, die ihren Sohn nicht beschützen konnte und verloren hat, geriet 2018 zum großen Erfolg, Aufgrund des Lockdowns müssen die für Ende Januar geplanten letzten beiden Vorstellungen in den Kammerspielen nun ausfallen.

Unter Corona-Bedingungen und unter Quarantäne zum Teil auch im Ausland hat Nicole Heesters indes bis Anfang Dezember noch zwei Fernsehfilme gedreht: „Ein Sommer in Antwerpen“ und „Das weiße Haus am Rhein“ (über das zeitgeschichtlich wichtige Rheinhotel Dreesen in Bad Godesberg) sollen in diesem Jahr in der ARD laufen.

Saskia Fischer blieb ihrem Namen treu

Mit ihrem Vater, der auch als Operettensänger bekannt war, und ihrer Mutter, der belgischen Schauspielerin Louisa Ghijs (1902-1985), hatte Nicole Heesters bereits als Mädchen einige europäische Metropolen kennengelernt, drehte schon mit 16 Jahren ihre ersten Filme und besuchte das Max Reinhardt Seminar, die renommierte Wiener Schauspielschule. „Nicole, du weißt, der Name Heesters ist ein Sprungbrett, aber springen musst du selber“, kommentierte ihr Vater damals ihren Berufswunsch.

Sie hätte unter dem Namen Heesters das Doppelte an Gage bekommen können, hat Saskia Fischer vor Jahren mal von einem Agenten erfahren. „Das war für mich genau der Grund, weshalb ich das nicht gut fand“, sagt sie. Es gibt Parallelen und Unterschiede: Auch Nicole Heesters‘ Tochter hat mit 16 Jahren den Schauspielberuf ergriffen - nachdem sie auf mehreren Hamburger Schulen gleich viermal sitzen geblieben war. „Ich war wirklich schlecht in der Schule“, erzählt Saskia Fischer frank und frei in einem Timbre, das dem ihrer Mutter ähnelt, jedoch stets etwas rauer klingt.

Mutter wie Tochter: Ausbildung in Wien

Wie ihre Mutter absolvierte Saskia Fischer ihre Ausbildung zunächst in Wien, lernte in der dortigen Hochschule für Musik und darstellende Kunst auch Gesang, Musical und Tanz. Bald folgten erste Engagements am Theater des Westens in Berlin, auch in „Cabaret“ mit der legendären Hildegard Knef.

„Sie hat mehr Talente als ich“, sagt Nicole Heesters anerkennend über ihre Tochter. „Mutter ist schon etwas strenger als ich“, weiß Saskia Fischer das Lob zu schätzen. Gemeinsam sieht man sie jedoch selten: Im Vorjahr etwa warben die Schauspielerinnen auf einem Plakat für Theaterbesuche von inkultur, dem Verein der Hamburger Volksbühne, die Nicole Heesters 2019 zum Ehrenmitglied ernannt hatte.

Saskia Fischer mit Jan Fedder im „Großstadtrevier“. FO
Saskia Fischer mit Jan Fedder im „Großstadtrevier“. FO © ARD/Thorsten Jander

Zwei Jahrzehnte zuvor hatten Mutter und Tochter an der Komödie Winterhude erstmals zusammen auf einer Bühne gestanden; nach Engagements fast im gesamten Bundesgebiet spielte Saskia Fischer mehrmals am Ernst Deutsch Theater und an den Kammerspielen. In den Nullerjahren setzte sie dann auf die TV-Krimi-Laufbahn: zunächst als Pathologin in mehreren Hamburger „Tatort“-Folgen mit Robert Atzorn, seit 2007 als Kommissariats-Leiterin Frau Küppers im ARD-“Großstadtrevier“.

Mario Ramos hofft auf festen Premieretermin

„Frau Küppers hat keinen Vornamen, und darauf bin ich auch stolz“, sagt Saskia Fischer lachend. Ihre Rolle der Chefin habe stets etwas Mysteriöses, meint die 54-Jährige. Bis Dezember wurden - mit Abstand - 16 neue Folgen der 34. Staffel gedreht. Und im neuen Jahr soll auch die aufgrund von Jan Fedders Tod Ende 2019 bisher unveröffentlichte Folge „Küppers und der Tod“ zu sehen sein: Darin hält die Kommissariats-Leiterin alias Fischer in Stresssituationen Zwiesprache mit dem Geist ihrer Mutter, verkörpert von Nicole Heesters. Die bedauert zwar, dass ihre Tochter aufgrund der Dreharbeiten fürs „Großstadtrevier“ kaum noch Zeit fürs Theater hat, weiß aber - insbesondere in diesen Corona-Zeiten - um die finanzielle Sicherheit einer Serienhauptrolle.

Gleiches gilt für Mario Ramos (47). Der spanische Schauspieler und Musiker steckte sieben Wochen lang in Proben für Goethes modernen Klassiker „Stella“, dessen Premiere in den Kammerspielen für den 18. Januar geplant war. Als Fernando spiele er die einzige Männerrolle in einem von Frauen geprägten Stück. Ramos hofft noch auf den neuen Premierentermin am 3. Februar: „Wäre schön, wenn das Ganze mit Verspätung rauskommen würde.“ Inmitten des „tollen Ensembles“ von Regisseurin Amina Gusner habe er sich wie in einer „kleinen Oase“ gefühlt, sagt der Schauspieler, die Arbeit sei für ihn „ein Lichtblick am Horizont“.

Ramos und Fischer: Eltern eines Sohnes

Ramos ist Saskia Fischers Partner und der Vater ihres elfjährigen Sohnes Eneas Pit. Die beiden Künstler hatten sich vor 19 Jahren bei der Arbeit für das Stück „Ist das nicht mein Leben?“ im Ernst Deutsch Theater kennengelernt. Zuvor hatten sie sich dort bei der Premierenfeier von Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ erstmals gesehen. In der Titelrolle damals: Nicole Heesters.

Die (Theater-)Welt ist ganz schön klein, doch außer den zwei starken Frauen und Ramos gib es noch einen Mann: Saskia Fischers Bruder Johannes Fischer (56) hatte für seinen Schwager zur Premiere 2019 in den Hamburger Kammerspielen für die musikalische Revue „Glücklich in 90 Minuten“ eine kunstvoll-surreale Kulisse kreiert.

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Und wie Saskia Fischer, vor 30 Jahren im Fernsehfilm „Altes Herz wird wieder jung“, hat auch ihr älterer Bruder Johannes noch mit dem Großvater gearbeitet: 2006 gestaltete Fischer in der Berliner Akademie der Künste die erste Schau über Johannes Heesters, die der Grandseigneur mit einem Liederabend selbst eröffnete. Für Nicole Hesters noch heute eine „sehr schöne, eindringliche Ausstellung“, die das ganze kreative Leben ihres Vaters spiegelte.

Johannes Fischer: Selbstständig als Veranstaltungsdesigner

Die Gabe, kreativ zu gestalten, hat Johannes offensichtlich von Vater Pit Fischer geerbt. Nach einer Festanstellung als Designer bei der damaligen Stella Musical Entertainment („Cats“, „Phantom der Oper“) machte sich der studierte Illustrator als Veranstaltungsdesigner selbstständig, revitalisierte etwa das Gruenspan auf St. Pauli und kreierte 15 Jahre lang Events im Schuppen 52 im Hafen.

Da die gesamte Veranstaltungsbranche seit März stillsteht, ist Johannes Fischer von der Corona-Krise am härtesten in der Familie getroffen. Er habe sich nun wieder auf Illustration sowie Malerei besonnen, erzählt der Vater von vier Kindern: „Ich habe erfreulicherweise einige Aufträge für Porträts und großformatige Malerei bekommen.“ Zeit für weitere individuelle Aufträge habe er aber noch, deutet er an. Und sein Schwager Mario Ramos spricht für die Schauspieler: „Wir leben und lieben alle unseren Beruf.“

Allen voran Nicole Heesters. Das Familienoberhaupt möchte auch seine Kontakte zu den Nachfahren seines Vaters Johannes im Süden pflegen. Sobald sie gegen Covid-19 geimpft ist, will Nicole Heesters ihre ältere Schwester Wiesje Herold-Heesters (90), eine Pianistin, in Wien besuchen. Und dann gibt es ja noch ihre Stiefmutter, die Schauspielerin Simone Rethel (71), Heesters zweite Ehefrau, die in München das Häuschen der Unterhaltungs-Legende bewohnt. Doch das Familien- und Künstlerleben, es spielt derzeit vor allem in Hamburg.