Reinbek. Der Reinbeker Schlafmediziner Dr. Holger Hein ist wissenschaftlicher Beirat von Somnio, der App auf Rezept als Schlaftraining.

Wenn abends die Gedanken nicht aufhören zu kreisen, um die letzte Aufgabe im Job, die noch immer nicht erledigt ist, um den Sohn, der noch keinen Plan für die Zukunft hat, um Eltern, die eigentlich mehr Unterstützung bräuchten, oder um die politische Welt­lage, von der niemand weiß, wie sie sich entwickelt, geht das meist auf Kosten eines gesunden, erholsamen Schlafes. Immer mehr Menschen können nachts nicht mehr abschalten, sie leiden unter Schlaflosigkeit. Diese zunehmenden Einschlaf- und Durchschlafprobleme beobachtet auch Dr. Holger Hein in seiner Reinbeker Praxis.

Etwa 80 Prozent seiner Patientinnen und Patienten haben Probleme mit einer Apnoe, etwa 20 Prozent haben Ein- und Durchschlafstörungen. Betroffen seien ganz verschiedene Menschen. Eigentlich leiden Ältere eher unter Durchschlafstörungen. „Doch sie können dies tagsüber besser ausgleichen“, erklärt Holger Hein.

Immer mehr Menschen leiden unter Schlaflosigkeit - kann eine App Somnio helfen?

Je nach Definition leiden etwa drei bis fünf Millionen Deutsche unter Schlafproblemen. Bei 90 Prozent gibt es keine organischen Ursachen, wie beispielsweise das Restless-Legs-Syndrom oder eine Schilddrüsenfunktionsstörung. Abhilfe verspricht ihnen jetzt Somnio, die erste App auf Rezept, mit deren Hilfe Betroffene wieder lernen sollen, zur Ruhe zu kommen. Etwa 80 Prozent seiner Patientinnen und Patienten haben Probleme mit einer Apnoe (Atemstörung), etwa 20 Prozent haben Ein- und Durchschlafstörungen. Betroffen seien ganz verschiedene Menschen. Eigentlich leiden Ältere eher unter Durchschlafstörungen. „Doch sie können dies tagsüber besser ausgleichen“, erklärt Holger Hein.

Der 64-jährige Schlafmediziner und Lungenfacharzt sieht diese Störungen als Phänomen unserer Zeit, vor allem des urbanen Lebens: „Die Beleuchtung während der Nacht nimmt zu, die Menschen gehen später zu Bett und stehen später auf. Viele Menschen haben so viel zu tun, sie müssen jederzeit erreichbar sein, haben erhebliche Belastungen bei der Arbeit und auch in der Familie zu bewältigen“, zählt er mögliche Ursachen auf.

Schlaflosigkeit - bis zur Diagnose ist es ein langer Weg

„Es kostet Zeit, die Diagnose zu stellen. Die aber haben die Allgemeinmediziner meist nicht“, sagt Holger Hein, Schlafmediziner und Lungenfacharzt aus Reinbek.
„Es kostet Zeit, die Diagnose zu stellen. Die aber haben die Allgemeinmediziner meist nicht“, sagt Holger Hein, Schlafmediziner und Lungenfacharzt aus Reinbek. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Doch trotz der zunehmenden Häufung ist es bis zur Diagnose meist ein langer Weg. „Das liegt an unserem System. Denn es kostet Zeit, die Diagnose zu stellen“, weiß Holger Hein. „Die aber haben viele Ärzte meist nicht. Technische Leistungen werden besser bezahlt als ein Gespräch mit dem Patienten. Das ist schade.“

Die beste Therapie sei es, zu lernen, wieder abzuschalten. „Da gibt es gute kognitive Verhaltenstherapien“, berichtet der Mediziner. „Leider gibt es aber auch einen Engpass bei den Kursen. Es finden sich keine Psychologen, die diese anbieten.“ In Hamburg gebe es für diese Form der Therapie nur wenige Plätze. Bis zu sieben Monate dauere es, bis ein Patient einen Platz erhalte. Dabei gehe es etwa um Entspannungsübungen wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.

App Somnio bietet eine neueTherapiemöglichkeit bei Schlaflosigkeit

In diese Marktlücke seien Ende November die Erfinder der digitalen Anwendung, der App Somnio, gestoßen. Holger Hein ist wissenschaftlicher Beirat dieser neuen Therapiemöglichkeit. Diese Funktion erfüllt er ehrenamtlich. „Für Dinge, die ich verschreibe, würde ich auch kein Honorar annehmen“, sagt er.

Und es wäre schade, wenn er Somnio nicht verordnen könnte: „Sie hat sich gut bewährt, auch wenn nicht alle Patienten darauf ansprechen“, hat er beobachtet. Somnio sei eine gute Möglichkeit, etwas gegen die Schlaflosigkeit zu tun. Denn die digitale Therapie habe keine Nebenwirkungen, sei einerseits standardisiert, andererseits aber eben auch individualisiert.

Kosten für die App Somnio übernehmen die Krankenkassen

Die App Somnio bietet eine digitale Therapie gegen Schlaflosigkeit.
Die App Somnio bietet eine digitale Therapie gegen Schlaflosigkeit. © Frauke Maaß | Frauke Maaß

Die App hat eine Pharmazentralnummer genau wie ein Medikament. Das Schlaftraining gilt als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen hat. Daher übernehmen die gesetzlichen sowie viele private Krankenkassen die Kosten. Mit dem Rezept beantragt man bei der Krankenversicherung einen Code, mit dem die Patientin oder der Patient die App freischalten kann. Sie können sich Informationsvorträge anhören. Vor allem aber gibt es dort den digitalen „Therapeuten“ Albert, der ein wenig an die Bots von Ikea erinnert, dem die Anwender einige Fragen beantworten müssen. Hinter Albert steckt ein von Forschern und Medizinern entwickelter, intelligenter Algorithmus. Der stellt automatisch die individuell passenden Übungen zusammen. Die Userin oder der User sollen außerdem ihre Schlafzeiten eintragen.

Die digitale Verhaltenstherapie soll drei Monate dauern. Deshalb gibt es nach etwa vier Monaten erneut einen Termin beim Arzt, um den Erfolg des Online-Schlaftrainings zu besprechen. „Dann müssen wir entscheiden, ob doch eine Therapie in Präsenz oder gar eine stationäre Rehabilitation, eine Kur, notwendig ist“, erläutert Holger Hein. Doch auch hier seien die Möglichkeiten begrenzt: Nur in Regensburg und in Bad Feilnbach würden spezialisierte, stationäre Rehabilitationen angeboten.

Schlafmediziner raten bei Schlaflosigkeit zu regelmäßigen Zubettgehzeiten

Holger Hein leidet übrigens nicht unter Schlafproblemen. „Ich kann gut abschalten“, verrät der 64-Jährige. „Aber ich gebe trotzdem ein schlechtes Beispiel ab. Denn ich schlafe sehr unregelmäßig: Unter der Woche arbeite ich oft spät im Schlaflabor, deshalb komme ich meist nur auf fünf Stunden Schlaf. Am Wochenende hingegen schlafe ich schon mal neun Stunden.“

Dabei raten Schlafmediziner eher zu regelmäßigen Zubettgehzeiten. Nicht empfehlenswert sind Schlafmittel oder Alkohol vor dem Schlafengehen. Der Raum sollte möglichst abgedunkelt, elektronische Geräte aus dem Schlafzimmer verbannt werden. Auch der Blick zur Uhr oder auf das Handy setze Betroffene zu sehr unter Druck. Gut sei es hingegen, rechtzeitig Rat beim Arzt zu suchen, bevor die Schlafstörung chronisch wird.

Seit 19 Tagen arbeitet Redakteurin Frauke Maaß mit der App - erste Erfahrungen

Redakteurin Frauke Maaß testet derzeit die Somnio-App.
Redakteurin Frauke Maaß testet derzeit die Somnio-App. © BGZ | Hauke Gilbert

Am 11. Februar habe ich den Code zum Einloggen in die App von meiner Krankenkasse bekommen. Noch am selben Tag habe ich Bekanntschaft mit Albert geschlossen, dem digitalen Schlafexperten. Ich finde es lustig, wenn er mich in den Übungen mit „Hallo Frauke“ begrüßt. Aber die persönliche Ansprache macht auch klar: Hier geht es um mich! Und das ist mir wichtig.

Die ersten Informationen über den Schlaf waren sehr allgemein, vieles davon wusste ich bereits. Albert hat dann durch Fragen herausgefunden, dass ich weder ein Abend- noch ein Morgenmensch bin und mich zumeist stundenlanges Grübeln vom Schlafen abhält. Zudem beobachtet er offensichtlich recht genau meine täglichen Protokolle, weil er in der Kommunikation zwischen uns darauf eingeht.

Die ersten Trainings waren dennoch noch nicht ganz zufriedenstellend für mich, was ich auch im Feedback, um das Albert nach jeder Übung bittet, ungeduldig deutlich machte. Mir fehlten handfeste Tipps, klare Ansagen. Aber ab heute geht es nun ans Eingemachte: Meine Schlaf- bzw Bettzeiten wurden dramatisch verkürzt, um den Schlafdruck zu erhöhen. Ich werde leicht panisch bei dem Gedanken, vertraue aber den Experten, die hinter der App stehen. Mir ist klar: Sich einzulassen und mitzumachen ist die einzige Voraussetzung für einen Erfolg. Albert – ich bin bereit!