Büchen. Animal Hoarding: Tiere hatten Maden in offenen Wunden und mussten Hundefutter fressen. Warum haben die Frauen das getan?

Claudia (58) und Beate K. (54, Namen geändert) lieben Katzen. Die beiden Schwestern aus Büchen lieben die Vierbeiner sogar so sehr, dass sie in ihrer Dachgeschosswohnung bis zu 29 Tiere gehalten haben – allerdings nicht artgerecht, sondern ohne passendes Futter und unter schlimmen Hygienebedingungen. Deshalb stehen die beiden Schwestern in Schwarzenbek nun wegen einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz vor Gericht.

„Wir wollten uns um die Katzen kümmern“, sagt die ältere der beiden Schwestern. Nach dem Tod ihrer Mutter hätten sie die Tiere an sich genommen. Ob einige bereits der Mutter gehört haben, bleibt offen. Klar ist: Das Ganze fällt auf, als Tierärztin Sabine B. während einer Behandlung auf den „desolaten“ Zustand eines Tieres aufmerksam wird. Sie meldet sie sich beim Veterinäramt des Kreises Herzogtum Lauenburg, dessen Mitarbeiter die Tiere in Obhut nehmen.

Animal Hoarding: Schwestern halten 29 verwahrloste Katzen – Prozess

Es müssen seinerzeit qualvolle Bedingungen sein, unter denen die 29 Katzen in der Büchener Wohnung leben. Sie bekommen Nudeln und Hundefutter als Nahrung, ihnen fallen die Zähne aus, sie haben Fliegenmaden im Fell und in entzündeten Stellen. Als Kater Charlie so krank wird, dass er nicht mehr stehen kann, fährt Claudia K. mit ihm zu einer Tierärztin in der Nähe. Die stellt fest, dass er total abgemagert und insgesamt in einem furchtbaren Zustand ist.

Sie habe mit Claudia K. dann besprochen, wie man vorgehen solle, berichtet die Veterinärin im Gericht. Da sich der Kater gegen die Behandlung gewehrt habe, wäre eigentlich eine Narkose nötig gewesen. „Das hätte Charlie aber nicht überstanden“, sagt die Tierärztin. Deswegen habe er eingeschläfert werden müssen.

Verwahrloste Katzen: Charlie muss eingeschläfert werden

Den Körper der Katze übergibt die Medizinerin anschließend dem Veterinäramt in Mölln. „Ich habe vermutet, dass es weitere Tiere gibt“, sagt sie. „Ein Tier in einem so desolaten Zustand habe ich noch nicht gesehen“, teilt sie ihrer Möllner Kollegin im Amt mit.

Deswegen stattet die Möllner Tierärztin Susanne F. gemeinsam mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes Claudia und Beate K. einen Besuch ab. Dort habe sie vier Katzen entdecken können, die alle kränklich wirkten, berichtet sie vor Gericht. Da es aber zunächst keinen Anlass gibt, blickt sie damals nicht in die anderen Räume. „Es war nur etwas komisch, dass immer eine der Schwestern nicht da war. Die haben sich abgewechselt und immer wieder den Raum verlassen.“

Verwahrloste Katzen: Angeklagte streitet schlechten Zustand der Tiere ab

Susanne F. berichtet vor Gericht weiter, dass sie im Napf der Tiere gekochte Nudeln fand, Katzenfutter habe es jedoch nicht gegeben. Das streitet Claudia K., wie ihre jüngere Schwester eine sehr unscheinbare Frau, aber deutlich forscher, vehement ab. Es habe sogar jede Menge artgerechtes Futter in der Wohnung gegeben. „Das ist jetzt aber gesponnen“, sagt Claudia K. „Das lassen wir hier nicht mit uns machen.“

Nach dem Besuch des Ordnungsamtes ruft Claudia K. die Tierärztin an und droht mit Suizid. Die wendet sich an die Polizei. Beamte eilen zur Wohnung der beiden Schwestern und treffen nicht nur die Frauen an, sondern gleich 29 kranke Katzen: Lennart hat einen entzündeten Schwanz, der amputiert werden muss. Morli kann man mit bloßer Hand die Zähne ziehen. Mehrere Katzen müssen eingeschläfert werden. Das Veterinäramt erstattet Anzeige, nimmt die übrigen Tiere in Obhut und spricht mündlich ein Tierhaltungsverbot gegen die beiden Frauen aus.

Animal Hoarding

„Animal Hoarding“, was sich mit einer Tiersammelsucht übersetzen lässt, beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem Betroffene so viele Tiere halten, dass sie sich nicht mehr um diese kümmern können. Dies hat zur Folge, dass Tiere nicht gepflegt werden, Mangelerscheinungen aufweisen und häufig krank sind. Auch tierärztliche Betreuung erfahren die Tiere meist nicht. Dies führt dazu, dass Tiere Verhaltensauffälligkeiten entwickeln, sich nicht mehr waschen und auf äußere Einwirkungen ungewöhnlich reagieren.

Die Halter der Tiere verweigern anderen Menschen den Zugang zu ihrer Wohnung und verschweigen auch, wie viele Tiere sie wirklich besitzen. Laut dem Deutschen Tierschutzbund erkennen die Halter dabei häufig nicht, wie schlecht es den Tieren geht. Es handele sich dabei um eine psychische Erkrankung, deren Rückfallquote ohne therapeutische Behandlung bei fast 100 Prozent liege. Im Jahr 2023 hat die Organisation bundesweit 115 Fälle von Animal Hoarding verzeichnet, der bei denen 6691 Tiere in Obhut genommen wurden.

Nur wenige Tage später steht das Ordnungsamt erneut bei den Schwestern auf der Matte. Ein Nachbar habe unangenehme Gerüche wahrgenommen, berichtet die Tierärztin im Zeugenstand. In der Wohnung finden die Mitarbeiter drei Katzenbabys. Wie das denn trotz des Verbots sein könne, will Richterin Maike Hupfeld wissen. „Nachdem uns unsere Katzen weggenommen worden waren, standen wir unter Schock“, sagt Claudia K. Sie sei dann gemeinsam mit ihrer Schwester in den Wald gefahren, um spazieren zu gehen. „Ich habe da so ein Gejaule gehört und im Laub eine Babykatze gefunden“, führt sie aus. Da Katzen immer mehrere Jungtiere werfen, sei sie davon ausgegangen, dass es weitere Babys geben müsse, die sie dann auch fand. „Natürlich haben wir die mitgenommen. Was hätten wir den sonst machen sollen?“, fragt sie. Die Richterin folgt den Ausführungen wortlos mit rätselnder Miene.

„Sie werden gewusst haben, dass das so nicht in Ordnung ist“

Auch Kater Charlie, der eingeschläfert werden musste, wollen die beiden Schwestern zuvor in einem Waldstück bei Güster gefunden haben. „Der hing mit dem Arsch nach oben am Baum“, sagt Beate K. Deswegen sei es nötig gewesen, ihn mit nach Hause zu nehmen. Der Plan der Schwestern sei jeweils gewesen, die Katze in Pflege zu nehmen, dann aber weiterzugeben. „Wir wollten die aufpäppeln“, sagt Claudia K. Sie habe sogar beim Tierheim in Büchen angerufen, das jedoch einen Aufnahmestopp ausgesprochen haben soll.

„Ich glaube nicht, dass Sie Tiere bewusst gequält haben“, sagt Richterin Maike Hupfeld zu den beiden Angeklagten. „Aber Sie werden auch gewusst haben, dass das so nicht in Ordnung ist.“ Schließlich habe Claudia K. bei der Behandlung des todkranken Charlie behauptet, dass das der Kater ihrer Nichte sei. Die restlichen 28 Katzen verschwieg sie. Der Anwalt der beiden Schwestern versucht, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, da seine Mandantinnen die Tiere nicht vorsätzlich gequält hätten.

Verwahrloste Katzen: Geldstrafe und Tierhaltungsverbot ausgesprochen

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Der Richterin fehlt es dafür jedoch an Einsicht bei den beiden. Eine Geldauflage von jeweils 900 Euro legt sie den Frauen auf. Außerdem spricht das Gericht ein Tierhalteverbot aus. „Ich weiß, dass das für sie hart ist“, sagt sie. Es müsse jedoch verhindert werden, dass die Schwestern demnächst wieder eine Katze im Knick finden und diese mit nach Hause nehmen.