Lauenburg. Anwohner machen sich Sorgen. Mehrmals rückte die Feuerwehr aus, um die Ursache zu finden. Jetzt gibt es eine verblüffende Erklärung.

Es gibt Tage, da liegt ein seltsamer Gestank über Lauenburg, der viel Raum für Spekulationen lässt. Die Bauern fahren Gülle auf die Felder, sagen die einen. Das ist Gasgeruch, fürchten die anderen. Worüber sich fast alle einig sind: Die Belästigung kommt aus Richtung Industriegebiet, wenn der Wind entsprechend steht. Mehrmals rückte in den vergangenen Wochen die Lauenburger Feuerwehr aus, weil sich Anwohner Sorgen machten über den undefinierbaren Gestank. Einige vermuteten ihn sogar als Ursache für Kopfschmerzen und Augenreizungen.

Am Freitag vor Pfingsten waren die Retter im Industriegebiet und in der Hafenstraße auf der Ursachensuche für den Geruch. Messungen ergaben: Ein unerkannter Gasaustritt ist nicht die Ursache der Belästigung. Auch andere gesundheitsgefährdende Stoffe konnten nicht nachgewiesen werden. „Die genaue Herkunft bleibt weiter unklar“, heißt es im Einsatzbericht.

Bei Ostwind stinkt es in Lauenburg: Die Spur des Geruchs führt zur Mewa

Auch in den sozialen Netzwerken ist das Phänomen ein viel diskutiertes Thema. „Mich erinnert es an den Geruch, den man wahrnimmt, wenn man hinter der Mewa spazieren geht“, schreibt eine Lauenburgerin. Tatsächlich liegt sie mit dieser Vermutung offenbar richtig, wie eine Frage an das Unternehmen ergab.

Der Textildienstleister Mewa hat seit 1980 seinen Standort im Industriegebiet und beschäftigt aktuell etwa 400 Mitarbeiter. Tausende Putztücher und Arbeitsjacken werden hier täglich gewaschen. Das Schmutzwasser, das dabei anfällt, werde vor Ort so aufbereitet, dass es anschließend einen Reinigungsgrad von 99,8 Prozent aufweist. „Das ist mehr, als gesetzlich vorgeschrieben sind“, erklärt Werkleiter Detlef Glimm.

Ursache ist das biologische Abfallprodukt Geosmin

Wie angenehm riecht die Luft, wenn nach einem heißen Sommertag Regen auf die erhitzte Erde prasselt. Kaum zu glauben, dass dieses Aroma im Grunde die gleiche Ursache hat, wie der gelegentliche Gestank über der Schifferstadt. Was unsere Nase mal als angenehm und mal als lästig empfindet, ist das biologische Abfallprodukt Geosmin. „Leider ist es mit diesem Geruch wie mit dem von Trüffeln oder Parfüm: In geringer Konzentration finden wir ihn angenehm, in höherer rümpfen wir die Nase“, sagt Detlef Glimm.

Detlef Glimm, Werkleiter der Mewa erläutert die Ursache der gelegentlichen Geruchsbelästigung aus dem Unternehmen. 
Detlef Glimm, Werkleiter der Mewa erläutert die Ursache der gelegentlichen Geruchsbelästigung aus dem Unternehmen.  © Elke Richel | Elke Richel

Geosmin ist eine organische Verbindung, die von Mikroben freigesetzt wird, die sich unter anderem in der Erde tummeln. Menschen nehmen die Substanz schon in einer verschwindend geringen Konzentration wahr. Ein Teelöffel Geosmin, verdünnt in so viel Flüssigkeit, wie man bräuchte, um 200 Wasserbecken von olympischen Wettkampf­di­men­sio­nen zu füllen, ist für uns immer noch wahrnehmbar.

Mikroorganismen „fressen“ den Dreck aus dem Wasser

Kein Wunder also, dass der Geruch als nicht gerade angenehm empfunden wird, wenn er in wesentlich höherer Konzentration auftritt. Genau das passiert aber im Rahmen der Wasseraufbereitung nach dem Reinigungsprozess bei der Mewa. „Im ersten Schritt trennen wir Öle, die aus den Textilien gewaschen wurden, vom Wasser. Anschließend werden Feststoffe entfernt“, erklärt der Werkleiter.

Dann beginnt die sogenannte biologische Stufe nach dem gleichen Prozess, der auch in Kläranlagen angewendet wird. „In einem Biobecken bauen Mikroorganismen noch im Wasser enthaltene Reststoffe wie Zucker, Alkohole, Öle und Fette ab, indem sie den Schmutz quasi fressen“, erläutert Glimm. Im Ergebnis entstehen sauberes Wasser, aber auch biologische Abbauprodukte, wie Geosmin in vergleichsweise hoher Konzentration.

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Geosmin: Für den Menschen weder giftig noch schädlich

„Bei einer ungewöhnlich lang anhaltenden Wetterlage mit direktem starken Ostwind zieht der Geruch leider schon mal in die Stadt“, bedauert er. Wissenschaftlich ist jedoch bestätigt: Obwohl Geschmack und Geruch unangenehm sein können, ist Geosmin für den Menschen weder giftig noch schädlich.

Der Name Geosmin leitet sich übrigens aus dem Griechischen ab, aus der Kombination aus „Gea“ (Erde) und „Osmé (Geruch). Da Menschen erfahrungsgemäß auf Geosmin in sehr geringer Konzentration sehr positiv regieren, haben besonders findige Marketingstrategen den „frischen Duft nach Regen“ als Raumparfüm für Outdoorgeschäfte kreiert. Naturliebhabern soll dann das Geld besonders locker sitzen. Vielleicht hilft der Gedanke ja, wenn es in Lauenburg bei Ostwind mal wieder ordentlich müffelt.