Lauenburg. Als dreiste Betrüger einen 97-Jährigen um sein Geld bringen wollen, schreitet er ein. Die Geschichte hinter einer Polizeimeldung.

Eine Polizeimeldung, wie sie uns leider immer häufiger erreicht: Dreiste Betrüger hatten versucht, einen 97-jährigen Lauenburger um sein Geld zu bringen. Sie tischten dem Rentner eine alt bekannte Betrugsmasche auf: Seine Tochter hätte einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und könne nur gegen Zahlung einer hohen Kaution aus der Haft entlassen werden.

Diesmal hatten die Gauner beinahe Glück, denn der betagte Mann glaubte der falschen Polizistin jedes Wort. Fast hätten die Betrüger ihn um seine kompletten Ersparnisse gebracht. Doch sie hatten ihre Rechnung ohne einen aufmerksamen Taxifahrer gemacht. Er verhinderte, dass der Rentner die geforderte Summe bei der Bank abhob. Dann verständigte er die Polizei. Wir haben den 57-jährigen Fahrer der Firma Rufer Taxi und die Nichte des Opfers getroffen.

Ein 97-jähriger Lauenburger (Symbolbild) wird Opfer eines Schockanrufes.
Ein 97-jähriger Lauenburger (Symbolbild) wird Opfer eines Schockanrufes. © picture alliance / Fotostand | Fotostand / K. Schmitt

„Sie müssen ein Kaution hinterlegen, dann kommt ihre Tochter frei“

Den Tag vergisst Alfred K. (Name geändert) wohl nie mehr. Der Anruf kam gegen 11.30 Uhr. Das, was er dann hörte, ließ dem 97-Jährigen das Blut in den Adern gefrieren, so erzählt er es später. „Ihre Tochter hat bei einem Verkehrsunfall einen Menschen tödlich verletzt. Wir haben sie deshalb verhaftet“, sagte die Frau, die sich als Polizeibeamtin vorstellte. Die Stimme klang höflich, aber bestimmt. „Um Gottes willen, das kann doch nicht sein“, schoss es dem Rentner durch den Kopf. Seine Tochter lebt nicht in Lauenburg, gehört hatte er an diesem Tag noch nichts von ihr. Die Frau am anderen Ende der Leitung redete und redete. Erst als sie sagte: „Es gibt da eine Möglichkeit, dass wir ihrer Tochter die Haft ersparen können“, horchte Alfred K. wieder auf: „Sie müssten eine Kaution hinterlegen, dann kommt sie frei.“

Viel Bargeld hat der 97-Jährige nie im Haus. Das sei zu gefährlich, hatten seine Tochter und seine Nichte immer wieder gesagt. „Meine Ersparnisse liegen auf einem Sparbuch“, sagte er der vermeintlichen Polizistin. „Kein Problem. Aber Sie müssen sich beeilen. Am besten, Sie gehen gleich zu Bank“, drängte die ihn. Sofort hätte sich Alfred K. auf den Weg gemacht, um seiner Tochter zu helfen. Aber er kann nur noch selten das Haus verlassen, die Beine wollen nicht mehr so recht. Die Frau am anderen Ende der Leitung wusste Rat: „Ich schicke ein Taxi zu Ihnen. Legen Sie aber auf keinen Fall den Hörer auf.“

Taxifahrer: „In seiner Hemdtasche steckte ein Sparbuch“

Ein paar Minuten später ging ein Anruf in der Firmenzentrale bei Taxi Rufer ein. „Mein Chef gab mir die Tour, also machte ich mich auf den Weg“, erzählt Ralf Dittfeld. Nichts deutete für den 57-jährigen Taxifahrer in diesem Moment darauf hin, dass es gar nicht zu einer Fahrt kommen würde. „Ich klingelte bei Herrn K.. Als er die Tür öffnete, hatte er den Hörer in der Hand. Der Lautsprecher des Telefons war aktiviert, sodass ich alles mithören konnte“, erinnert sich der Taxifahrer. Das, was die Frau am anderen Ende sagte, machte ihn stutzig. „Wenn Sie mit dem Geld wieder zu Hause sind, sagen Sie einfach: ‚Hallo, hier bin ich wieder‘. Ich schicke dann jemand zu Ihnen, der das Geld entgegennimmt.“

„Ich versuchte mich bemerkbar zu machen, aber Herr K. stand völlig neben sich. Ich sah nur, dass ein Sparbuch in seiner Hemdtasche steckte“, erzählt Ralf Dittfeld. Ihm war klar: Hier stimmt was nicht. „Der Mann fährt jetzt nirgendwo hin, schon gar nicht zur Bank“, sagte er laut. Einen Moment lang war es ruhig am anderen Ende der Leitung, dann legte die Frau einfach auf. Der Taxifahrer rief erst die Polizei an, dann die Einsatzzentrale seiner Firma.

97-Jähriger noch immer gezeichnet vom Schock

„Herr Dittfeld hat alles richtig gemacht. Durch seine Aufmerksamkeit hat er den alten Herrn wahrscheinlich vor einem großen Schaden bewahrt“, sagt Lauenburgs Polizeichef Daniel Stephan. Nach seiner Erfahrung gehen die Betrüger immer nach der gleichen Masche vor. In den Telefonbüchern würden sie nach Vornamen suchen, die auf ältere Jahrgänge schließen lassen. Auch kurze Telefonnummern seien ein Indiz dafür, dass jemand diesen Anschluss schon sehr lange hat. „Prozentual gelingen diese Betrugsversuche selten, weil die Senioren zunehmend aufgeklärt sind. Aber wenn einer dieser Schockanrufe zum Erfolg führt, rechnet sich das für die Hintermänner“, weiß Stephan.

Alfred K. ist immer noch geschockt, auch wenn er inzwischen weiß, dass es seiner Tochter gut geht. „Er macht sich große Vorwürfe und kann nicht fassen, dass er auf die falsche Polizistin reingefallen ist“, erzählt seine Nichte Angelika Hoffmann. Die Familie sei dem Taxifahrer sehr dankbar, dass er das Schlimmste verhindert habe. Tag für Tag spielt der 97-Jährige die Ereignisse dieses Tages in Gedanken durch: „Ich weiß das doch alles. Wie konnte ich nur so dumm sein?“, fragt er immer wieder. „Diese Verbrecher wissen gar nicht, was sie den alten Menschen antun“, sagt Angelika Hoffmann.

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Fernsehsendung als Vorbild für Zivilcourage

Das hat auch Daniel Stephan festgestellt. „Gerade Senioren haben ein Urvertrauen in die Polizei. Das wird durch solche Ereignisse plötzlich zerstört. Im schlimmsten Fall misstrauen sie uns dann in Situationen, in denen sie wirklich Hilfe brauchen“, sagt er. Mit einem Vorurteil will der Polizeichef allerdings aufräumen: Auf solche Trickbetrüger fallen nicht nur ältere Menschen rein. Die Methoden werden nämlich immer ausgefeilter. Die neueste Masche sind vermeintliche Hilferufe mit gefälschten Stimmen von Verwandten oder Bekannten. Um Stimmen per KI nachahmen zu können, reichten schon einige Sprachfetzen eines Menschen aus, die sich Betrüger oft leicht im Internet, etwa aus sozialen Medien besorgen können.

Für Ralf Dittfeld ist der Alltag längst wieder eingekehrt. Bundesweit hatten Zeitungen darüber berichtet, wie er die Pläne der Trickbetrüger durchkreuzt hat. Ihm selbst ist der Wirbel um seine Person eher peinlich. Der Lauenburger ist seit zwölf Jahren Fahrer bei der Firma Rufer Taxi. „Im Laufe der Zeit entwickelt man ein Gespür für bestimmte Situationen“, hat er festgestellt. Und dann ist da ja noch seine Leidenschaft für die Fernsehsendung Aktenzeichen XY ungelöst. „Da gab es einen ähnlichen Fall, also wusste ich, was zu tun ist“, sagt er, als sei das die größte Selbstverständlichkeit der Welt.