Geesthacht. Schulen in Geesthacht sind inzwischen viel zu klein, es fehlen Räume. Lehrer, Politik und die Verwaltung sind offen für neue Ideen.
Der Schulunterricht ist im Wandel: Youtube-Videos spielen bei den Vorbereitungen eine immer größere Rolle, und erst recht durch künstliche Intelligenz wie ChatGPT und Co. wird sich die Art des Lernens noch weiter verändern. „Wir müssen den Schülern die Kompetenzen für das 21. Jahrhundert vermitteln“, plädiert Olaf-Axel Burow, Professor für allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel, für einen Wandel des deutschen Schulsystems. Am Otto-Hahn-Gymnasium Geesthacht (OHG) stellte Burow seine Thesen für die „Schule der Zukunft“ vor.
Das bekommt vor Ort insofern eine besondere Bedeutung, weil Geesthacht großflächig in Schulen investieren muss und will. An allen vier Grundschulen sowie den drei weiterführenden Bildungseinrichtungen fehlen Räume. Einerseits, weil ab 2026 ein Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler gilt, andererseits wegen allgemein steigender Schülerzahlen in der wachsenden Elbestadt. Mindestens 50 Millionen Euro nimmt Geesthacht dafür in die Hand. „Die Flurschule ist out. Es geht weg vom Klassenraum und hin zur offenen Lernlandschaft“, sagt Olaf-Axel Burow.
Gymnasium Geesthacht wünscht sich eine Aula
Bei seinem Vortrag, dem nicht nur viele Lehrer, sondern auch diverse Geesthachter Kommunalpolitiker und einige Angestellte der Verwaltung folgten, stellte der Professor insgesamt sieben Handlungsoptionen vor, wie eine Schule der Zukunft aussehen kann. Außer einer anderen Art der Raumgestaltung geht es unter anderem darum, die Digitalisierung kreativ zu nutzen, Talente und Neigungen zu stärken oder um das Verständnis zwischen Lehrern und Schülern.
Bei der Gestaltung der Räumlichkeiten hoffen die Schulleitungen, dass ein Teil von Burows Vorstellungen umgesetzt werden kann. „Es braucht neue Raumkonzepte“, ist OHG-Schulleiterin Kirsa Siegemund überzeugt. Laut Geesthachts Schulentwicklungsplan fehlen am Gymnasium neun Räume, zudem ist eine Sanierung der kleinen Turnhalle notwendig. Die Schule mit 1000 Schülern hätte stattdessen viel lieber eine Aula, auch weil die große Halle für Sport auskömmlich sei.
Offener Lernlandschaft gehört die Zukunft
Zunächst gab es Überlegungen, die Räume auf dem Schulhof neben dem naturwissenschaftlichen Trakt zu bauen. In Verbindung mit der Halle geht es derzeit eher in die Richtung, diese und die angrenzenden Kunsträume zugunsten eines Neubaus abzureißen. „Es braucht zu öffnende Trennwände. Auch eine Aula kann man für eine offene Unterrichtsform nutzen. Ebenso ist denkbar, einen Flur nicht zu schmal zu planen, sondern so, dass hier Lernflächen mitgenutzt werden können“, schwebt Siegemund vor.
Bürgermeister Olaf Schulze ist Neuerungen aufgeschlossen. „Ich bin selbst über den zweiten Bildungsweg gekommen und habe mich deshalb schon während meiner Landtagstätigkeit (2005–2015, die Red.) für Schule eingesetzt“, erklärt Geesthachts Verwaltungschef. Hintergrund: Schulze absolvierte nach dem Hauptschulabschluss zunächst eine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur, arbeitete später in dem Beruf und wechselte erst 2001 als Sekretär zur Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
Schulze ist überzeugt, dass das noch aus der preußischen Zeit stammende Schulsystem dringend reformbedürftig ist. „Beim Neubau der Bertha-von-Suttner-Schule haben wir hinsichtlich des Raumkonzepts schon Teile berücksichtigt“, so der Verwaltungschef. Hinsichtlich der anstehenden Schulbauten betonte er, dass sich die Stadt als Schulträger mit Vertretern der Schulen zusammensetzen werde. „Was Lehrpläne und Lehrerstellen angeht, wünsche ich mir, dass diese Diskussionen auf Landesebene angestoßen werden“, verweist Schulze darauf, dass Bildung Ländersache ist.
Was ist das Alleinstellungmerkmal von Schule?
„Die Kontrolle des Lernens durch den Staat gehört der Vergangenheit an“, zitiert Professor Burow seinen Kollegen Wassilios Fthenakis. Genau hier kommen Youtube und ChatGPT ins Spiel. Vielmehr gehe es darum, das Alleinstellungsmerkmal von Schule und Lehrkräften herauszustreichen. Hier gehe es um Empathie und die individuelle Förderung einzelner Schüler und deren Interessen. „Meine eigene Tochter musste zum Klavierunterricht, hat das dort aber nicht gelernt. Stattdessen hat sie sich Einradfahren selbst beigebracht“, so Olaf-Axel Burow.
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Das OHG-Kollegium ist vom Vortrag inspiriert. In der kommenden Woche wollen sich rund 20 Lehrer mit Zukunftsvisionen befassen. „Es soll mehr ums eigenverantliche Lernen gehen und jeden Schüler auf seinem Stand abzuholen“, sagt Kirsa Siegemund. Bis die neuen Räume am Gymnasium stehen, könnte es nach dem Zeitplan der Stadt noch bis 2030 dauern. Für die Übergangsphase sollen Container auf dem Sportplatz Neuer Krug aufgestellt werden.