Ratzeburg. Drei von sechs Mitgliedern haben die Gruppe verlassen, Fraktionsstatus wackelt. Ihr Entschluss ist ganz eng mit einem Namen verbunden.

Bereits in der vergangenen Wochen sorgte die „Causa Stienen“ für Wirbel im Kreistag des Kreises Herzogtum Lauenburg. Mit Erika Damerow und André-Marcel Peemöller zogen sich zwei AfD-Politiker aus der Fraktion zurück. Nun folgt auch die Fraktionsvorsitzende Andrea Schroeder. Wie Schroeder gegenüber unserer Redaktion bestätigt, ist sie nicht länger Mitglied der Fraktion und auch nicht der AfD. Grund sind die Aktivitäten des Fraktionsmitglieds Holger Stienen.

„Meine politischen Ansichten sind und waren immer konservativ, liberal und Menschen achtend. Mit den Äußerungen Holger Stienens wurden rote Linien überschritten“, schreibt Schroeder in einer Stellungnahme. Holger Stienen veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite regelmäßig Posts mit rassistischem, homophobem und völkischem Gedankengut. Unter anderem stellte Stienen in Postings die Kriegsschuld des NS-Regimes infrage, er bezeichnete Außenministerin Annalena Baerbock als geistig behindert und Olaf Scholz als korruptesten Kanzler. Dazu schrieb er „Die Drecksau muss weg!“ Wie Andrea Schroeder sagt, sehe sie keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit Stienen in einer Fraktion.

„Mir ist die Kinnlade runtergeklappt“

Bekanntgeworden sind die Internet-Aktivitäten Stienens durch die Initiative „Omas gegen Rechts“. Die engagierten Seniorinnen hatten in der Kreistagssitzung im September die Einwohnerfragestunde dazu genutzt, um auf die Facebook-Posts aufmerksam zu machen. Sie verbanden dies mit der Frage, ob die Arbeit des Kreistages durch die AfD, inbesondere durch Holger Stienen, gestört werde und ob gewährleistet werden könne, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung geachtet werde. „Als ich das in der Sitzung gehört habe, ist mir echt die Kinnlade runtergeklappt“, sagt Erika Damerow auf Nachfrage. „Das ist für mich keinesfalls akzeptabel, da hat er deutlich über die Stränge geschlagen“, so Damerow.

Wie Andrea Schroeder mitteilt, habe sie ihre Mitgliedschaften in den Ausschüssen zum 31. Januar niedergelegt. „Selbstverständlich werde ich mein Mandat im Kreistag weiterhin wahrnehmen“, sagt sie. Dem Haupt- und dem Innenausschuss wolle sie als beratendes Mitglied weiterhin zur Verfügung stehen. Diese Möglichkeit besteht auch für fraktionslose Mitglieder des Kreistags.

Fraktionsstatus der AfD in Gefahr?

Ob sie zukünftig einer anderen Partei beitreten möchten, lassen Andrea Schroeder und Erika Damerow offen. André-Marcel Peemöller, der zu den Gründungsmitglieder der AfD auf Landes- und Kreisebene zählt, möchte der sogenannten Werteunion beitreten, deren Führungsfigur der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen ist.

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Mit Andrea Schroeder als drittem Abgang aus der Kreistagsfraktion dürften sich die Ansprüche der AfD, einen Ausschussvorsitz zu stellen, endgültig erledigt haben. Im September kandidierten Holger Stienen für den Vorsitz im Forstausschuss und Erika Damerow für den stellvertretenden Vorsitz im Jugendhilfeausschuss. Mit sechs Mitgliedern stellte die AfD die sechststärkste Fraktion im Kreistag, wodurch ihr in der Theorie ein Vorsitz zustand. Damals fielen die beiden Kandidaten der Rechtspopulisten bei den Abgeordneten der anderen Parteien in mehreren Wahlgängen durch. Die Partei klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig. Mit den drei verbliebenden Fraktionsmitgliedern Stienen, René Franke (Schwarzenbek) und Dieter Ripp (Geesthacht) ist die Fraktion auf die Mindestanzahl geschrumpft. Bei einem weiteren Abgang würde die AfD den Fraktionsstatus verlieren.