Lauenburg / Büchen. Lübeck will eine bessere Bahnanbindung. Im Gegenzug könnte der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals in der Versenkung verschwinden.
Die Planungen für den Vollausbau des Elbe-Lübeck-Kanals wurden vor geraumer Zeit gestoppt. Jetzt rückt die Hansestadt Lübeck als Zielhafen von dem Projekt ab. Das Schicksal des vor einigen Jahren auf fast eine Milliarde Euro taxierten Kanalausbaus für moderne 100-Meter-Binnenschiffe wäre damit endgültig besiegelt. Was Lübeck für die Zukunft favorisiert, dürfte im Kreis Herzogtum Lauenburg auf noch größere Aufmerksamkeit stoßen. Die Bahnstrecke von der Ostsee, über Büchen und Lauenburg bis nach Lüneburg soll zweigleisig ausgebaut werden. Ziel: Hier sollen künftig viele Güterzüge rollen, die Kapazitäten als Bypass für die schon heute überlastete Direktverbindung zwischen Lübeck und Hamburg mehr als verdoppelt werden.
Aus für Kanalausbau, dafür Flut von Güterzügen durch den Kreis?
Noch ist es nur ein Positionspapier Lübecks, das Dienstag im zuständigen Fachausschuss des Lauenburger Kreistags (Regionalentwicklung und Mobilität) beraten wird. Tatsächlich hat die Deutsche Bahn AG für einen Teilabschnitt schon Planungen aufgenommen. Lübeck bittet im Kreis Herzogtum Lauenburg um Unterstützung. Das Ziel: die Rolle des Lübecker Hafens für die Zukunft stärken.
Dies soll vor allem über bessere, leistungsfähigere Bahnanbindungen geschehen, verlangt die Hansestadt im Einklang mit der Arbeitsgruppe Hafenentwicklung. „Die Bahn ist der ökologisch verträglichste Landverkehrsträger“, heißt es im Ergebnisbericht der AG. Die städtische Hafengesellschaft Lübeck Port Authority (LPA) solle in dem Zusammenhang, „sämtliche Potenziale zur Stärkung der Verkehrskombination Seeschiff und Schiene identifizieren“.
Lübeck setzt auf Kombination von Seeschiff und Schiene
Diesem wird ein „deutliches Wachstum“ prognostiziert. Mit Fertigstellung des Fehmarn-Belt-Tunnels nach Dänemark Ende des Jahrzehnts gehen Experten von enormem Zuwachs für den Frachtverkehr auf der Schiene aus und demgegenüber bestenfalls stagnierender oder sinkender Bedeutung von Transporten per Schiff.
„Auch die Kombination Seeschiff und Binnenschiff soll erhalten und gestärkt werden“, heißt es im Papier der AG Hafenentwicklung. Allerdings „unter der Maßgabe, dass der ELK (Elbe-Lübeck-Kanal) verkehrlich sinnvoll und ökologisch verträglich entwickelt werden kann“.
Kanalausbau nur ökologisch verträglich
Die Frage, ob es sinnvoll ist, in den Komplettausbau des wenig genutzten ELK eine runde Milliarde Euro zu stecken, verneinen viele Insider und auch Politiker. „Noch vor zwei Jahrzehnten wurden jährlich rund zwei Millionen Tonnen Güter auf dem Elbe-Lübeck-Kanal transportiert, heute sind es noch 400.000“, sagt Finn Hendrik Witt, zuständig für die strategische Hafenentwicklung in Lübeck.
Um künftig größere, zumindest gleichbleibende Frachtmengen zu verzeichnen, bedürfe es neben Verbesserungen am Kanal auch moderner, für den ELK geeignete Schiffe, die auch künftige Umweltstandards einhalten, so Witt. „Und nicht zuletzt braucht es die entsprechende Fracht“.
Komplettlösung dauert zu lang für die Verkehrswende
Ein Vollausbau des Kanals – samt längerer Schleusen und neuer Brücken mit größerer Durchfahrtshöhe für 100-Meter-Schiffe – „wird aufgrund der zu erwartenden Realisierungs- und Umsetzungszeiträume keinen Beitrag zur Verkehrswende in den nächsten 20 Jahren leisten können“, stellt das Papier aus der Hansestadt klar.
Mit Blick auf das Tempo zwischen Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2015 und dem Stopp der Planungen ist Witt skeptisch, hält eher 2060 als 2050 für einen realistischen Zeitraum bis zur Fertigstellung eines Komplettausbaus. „Bislang sind lediglich zwei Brücken erneuert worden“, sagt der Wasserbauer. Hinzu komme die Gefahr zahlreicher Klagen gegen das Projekt.
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Ohne Binnenschiffahrt droht Chaos auf den Straßen
Sinke die Nutzung des Kanals jedoch weiter, anstatt dass dort vermehrt Massengüter transportiert werden, droht sich die Situation auf den Straßen weiter zu verschärfen. Dann landeten die Frachtmengen zwangsläufig auf Lkw, weil die Bahn dafür aktuell keine Kapazitäten hat.
Zur Forderung nach Ausbau auf zwei Gleise für die Strecke zwischen Lübeck und Lüneburg kommt die nach kompletter Elektrifizierung. Und das genau für die Trasse, die für moderne Personenzüge im Akkubetrieb hergerichtet wurde. Doch die vielfach schwereren Güterzüge benötigten Oberleitungen für E-Loks, will man vermeiden, dass sie von qualmenden Dieselloks gezogen werden.
Bahn erteilt Elektrifizerung und Ausbau eine Absage
Genau dies könnte jedoch der Fall sein, reichen die Kapazitäten auf der Hauptstrecke zwischen Lübeck und Hamburg nicht, den wachsenden Schienenverkehr zu bewältigen. „Derzeit laufen Untersuchungen, insbesondere den Abschnitt Lübeck – Büchen für mögliche Umleiterverkehre vom Korridor Hamburg – Lübeck durch Optimierung der derzeitigen Infrastruktur zu ertüchtigen“, so eine Sprecherin der Deutschen Bahn AG. „Für den Abschnitt Büchen – Lüneburg wären umfangreichere Maßnahmen zu ergreifen.“
Ein durchgehend zweigleisiger Ausbau „inklusive der Elektrifizierung der Achse Lübeck – Büchen – Lüneburg im Vorgriff der Generalsanierung Lübeck – Hamburg kann unter anderem aufgrund des zeitlich zu geringen Vorlaufs nicht erfolgen“, so die Bahn.
Was kommt auf die Menschen im Lauenburgischen zu?
Bleibt zu hoffen, dass die Mahner sich irren. Und ihre Warnungen, dass der zusätzliche Schienengüterverkehr die Kapazitäten der Haupttrasse sprengen werde, überzogen sind. Ansonsten droht Bahnanliegern im Lauenburgischen eine unangenehme Überraschung. Eine stark wachsende Zahl Güterzüge, die von Dieselloks gezogen auf eingleisiger Trasse durch den Osten des Herzogtums rumpeln.