Schwarzenbek/Geesthacht. Im November 2022 fährt Marcel P. mit etwa 110 km/h durch Geesthacht. Das hatte Folgen. Jetzt wurde dem 29-Jährigen der Prozess gemacht.

Mitte November 2022 passierte in Geesthacht auf der Straße Am Schleusenkanal ein Unglück. Mit etwa 110 Kilometern pro Stunde soll Marcel P. (*alle Namen geändert) mit seinem getunten BMW unterwegs gewesen sein. 50 sind innerorts erlaubt. Dass Marcel P. raste, hatte folgenschwere Konsequenzen: Der BMW kollidierte mit einem abbiegenden VW T5.Auf dem Beifahrersitz starb sein Freund Fabian E. Jetzt wurde dem 29-Jährigen aus Geesthacht am Amtsgericht Schwarzenbek der Prozess gemacht.

Marcel P. entspricht nicht dem Klischee eines protzigen Tuners. Eher unscheinbar sitzt er in sich gekehrt auf der Anklagebank, vermeidet den Blickkontakt mit den Eltern des Verstorbenen, die im Zuschauerraum sitzen. Die Fragen der Richterin beantwortet er kurz, aber präzise. Nachdem der Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verlesen hat, lässt er über seinen Anwalt Robert Kain ein Geständnis verlesen. „Herr P. räumt ein, dass die Vorwürfe so stimmen. Er muss nun mit den Folgen leben.“ Mit dem schnellen Geständnis wollen P. und sein Anwalt direkt in ein Rechtsgespräch gehen, um einen Deal einzufädeln. Dem stehen Richterin und Staatsanwaltschaft aufgeschlossen gegenüber. Unstimmigkeiten gibt es dennoch über die gefahrene Geschwindigkeit.

29-Jähriger prallt mit seinem BMW mit etwa 90 km/h auf den VW-Bus

Angeklagt ist der Geesthachter, da er deutlich zu schnell die Straße an der Elbe entlang fuhr. „Herr P. fuhr mindestens 100 Prozent schneller als erlaubt. Bei korrekter Fahrweise hätte der Unfall verhindert werden können“, sagt der Staatsanwalt. Da Fabian E. starb, ist P. unter anderem wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Und das, obwohl der damals 28-Jährige mit seinem BMW auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs war. Der VW-Bus, mit dem P. kollidierte, hatte ihm von der Bundesstraße kommend die Vorfahrt genommen. Doch die rasante Fahrweise sei für den Unfall ursächlich, sagt der hinzugerufene Sachverständige.

„Wir sind Richtung Hamburg gefahren. Ich war zu schnell und wollte noch ausweichen. Dann hat es geknallt“, fasst Marcel P. den Unfall zusammen. Danach sei es still geworden und ein bis zwei Minuten gar nichts passiert. Schließlich seien Ersthelfer zum Unfallwagen gekommen. Wie schnell er vor dem Unfall gefahren sei, möchte der Staatsanwalt von Marcel P. wissen. Der schätzt, dass er 80 km/h fuhr – also 30 km/h schneller als erlaubt. Anderes sagt der Sachverständige der Dekra. Dessen Berechnung legen nahe, dass der BMW zum Zeitpunkt der Kollision mit 86 bis 92 km/h, vorher mit 110 bis 115 km/h unterwegs gewesen ist. Darauf lassen 28 Meter lange Bremsspuren und eine sogenannte Kollisionsanalyse schließen.

Versperrte ein anderes Fahrzeug die Sicht?

Laut Gutachter hätte Marcel P. maximal 80 km/h fahren dürfen, um noch rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h hätte der VW den Abbiegevorgang sogar schon beendet gehabt und die Fahrzeuge wären überhaupt nicht zusammengestoßen – zumindest lassen mathematische Berechnungen dies möglich erscheinen. Bei Tempo 110 sei der Unfall jedoch nicht zu verhindern gewesen.

Wie Marcel P. erklärte, sei vor ihm in mehreren Hundert Metern Entfernung noch ein weiteres Auto gefahren, das dann aber die Abfahrt hoch zur B404 genommen habe. Da ihm durch das Fahrzeug die Sicht versperrt gewesen sei, habe er den VW zu spät gesehen. Gleiches könnte umgekehrt gegolten haben: Der abbiegende VW-Fahrer sah das unbeteiligte Fahrzeug abbiegen und dachte deswegen, dass er genug Zeit hat, um die Fahrbahn zu überqueren. Eine Fehleinschätzung mit fatalen Folgen.

Auch der Zustand des BMW stieß bei der Richterin auf Interesse. Laut Akten verfügte das Fahrzeug nämlich über kein Antiblockiersystem (ABS), das kontrolliertere Bremsungen ermöglicht. Genauso seien werkseitig keine Airbags verbaut gewesen. Ob das Auto auch sonst verändert war? „Anfangs nicht“, sagt Marcel P., der den BMW zum Unfallzeitpunkt zwei Jahre besaß. „Mit der Zeit habe ich aber einige Teile wie den Motor und die Achsen modifiziert“, gab er zu. Das Ziel sei dabei gewesen, die Leistung des 30 Jahre alten Fahrzeugs zu steigern. Da das getunte Fahrzeug mit einem abgelaufenen Saisonkennzeichen unterwegs war, greift auch kein Versicherungsschutz.

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Wegen des Unfalls habe er seinen Job als Kfz-Mechatroniker aufgegeben, da er in der Werkstatt gemeinsam mit seinem Freund gearbeitet hat, der nun bei dem Unfall gestorben ist. „Ich möchte das Kapitel hinter mir lassen“, sagt er. Sein Fahrverhalten habe er ebenfalls überdacht, gab sein Anwalt zu Protokoll. Dafür habe er auch an verkehrstherapeutischen Maßnahmen teilgenommen. Da Marcel P. nicht vorbestraft ist, sich reuig und geständig zeigte und ihm auch eine positive Sozialprognose gestellt wird, forderte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Euro. Dem stimmte die Richterin zu. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.