Geesthacht. Geesthachterin (75) ist verzweifelt, denn ihre Börse wurde gestohlen. Warum sie Menschen in Verdacht hat, deren Job es ist, zu helfen.

Wer war es? Die Geesthachterin Maria Kämpf vermisst ihr Portemonnaie. 125 Euro waren darin und ihr Personalausweis. Es ist gestohlen worden, davon ist die 75-Jährige fest überzeugt. Der Fall ist etwas Besonderes. Denn infrage kommen für sie nur sieben Personen, deren Job es ist, anderen Menschen zu helfen.

Der Dieb stammt ihrer Meinung nach entweder aus der Besatzung des Rettungswagens, der sie transportierte, oder aber aus dem Johanniter Krankenhaus, wo sie in der Notaufnahme untersucht wurde. Irgendwann auf dem Weg vom Zuhause in der Oberstadt bis zur Klinik am Runden Berge muss sich irgendjemand die kleine, knautschige Geldbörse aus ihrer Handtasche gegriffen und in die eigene Tasche gesteckt haben, vermutet sie.

Rettungswagen oder Klinik? Für einen Diebstahl kämen nur sieben Personen infrage

„Zuerst hatte ich die Hoffnung, dass wenigstens jemand den Personalausweis in den Briefkasten wirft“, sagt Maria Kämpf. Sie hat den Verlust bei der Polizei angezeigt. Mittlerweile hat Maria Kämpf einen neuen Ausweis beantragt. Was weitere Unkosten verursachte. Nun schlagen noch einmal 37 Euro an Gebühren und 13 Euro für die Fotos zu Buche. Ein neues Portemonnaie hat sie sich auch geleistet. Es kostete zehn Euro.

Maria Kämpf ist alles andere als tüdelig. Dass sie das Portemonnaie schlichtweg verlegt und vergessen haben könnte, sei nicht möglich, erklärt sie. Mit wachem Gedächtnis erzählt sie flüssig ihre Geschichte. Am Sonntag, 1. Oktober, will sie zum Herbstmarkt nach Worth. Aber dazu kommt es nicht. Am frühen Morgen geht es ihr nicht gut. Um 4.30 Uhr wird der Rettungsdienst gerufen.

Eine Tasche ist gepackt für das Krankenhaus, die andere für den Herbstmarkt

Maria Kämpf leidet regelmäßig immer wieder unter sehr hohem Blutdruck, bereits vier Stents wurden ihr gesetzt. Weil sie damit rechnet, unversehens ins Krankenhaus zu müssen, hat sie stets eine gepackte Notfalltasche im Haus mit Kleidung und den nötigen Krankenkassenunterlagen. Dieser Umstand ist wichtig, deswegen bleibt unklar, wann das Portemonnaie verschwindet.

Das befindet sich an jenem Morgen in einer anderen Tasche auf dem Küchentisch. Diese ist bereits für den Ausflug nach Worth vorbereitet. Viel ist nicht drin. Päckchen mit Medikamenten und eben das Portemonnaie mit dem Geld, das sie für den Herbstmarkt abgehoben hat. Die Tasche hat einen Reißverschluss, doch dieser steht in der heimischen Wohnung offen. Man kann hineinschauen und sehen, was drin ist.

Bei der Übernahme des Patienten gibt es ein Übergabe-Protokoll

Maria Kämpf geht es an jenem Sonntagmorgen immer schlechter. Neben dem Kreislauf macht ihr Übelkeit zu schaffen, sie erbricht sich. Die Rettungssanitäter wuseln hin und her – vom Flur aus am Küchentisch vorbei ins Wohnzimmer und zurück, schließlich wird eine Trage geholt. Maria Kämpf wird ins Krankenhaus gefahren. Die Tasche vom Küchentisch wird am Fußende der Liege abgestellt, das registriert sie genau.

Für die Übernahme eines Patienten gibt es beim Johanniter ein Transportprotokoll. Da stehen medizinische Dinge drin, zum Beispiel ein Verdachtsprotokoll über die Beschwerden. Aber auch die persönlichen Dinge, die von der Besatzung des Rettungswagens übergeben werden, sind aufgeführt.

Die Tasche bleibt unbeaufsichtigt auf dem Krankenhausbett stehen

So wird häufig bereits im Rettungswagen die Krankenkassenkarte herausgesucht, damit es beim Empfang schneller geht. „Aber in persönlichen Dingen wird nicht herumgekramt“, sagt Krankenhaus-Sprecherin Sylvia Ziesmann-Busche. „Erst bei einem Todesfall wird alles genauestens auf Heller und Pfennig protokolliert.“

Die Kassenkarte von Maria Kämpf steckt in der Krankenhaustasche. So hat zunächst niemand einen Grund, einen Blick in die andere Tasche, die mit dem Geld, zu werfen. Maria Kämpf wird behandelt, muss zwischendurch auf die Toilette. Die Tasche bleibt unbeaufsichtigt auf dem Krankenhausbett stehen.

Als sie zurück nach Hause kann, will sie das Geld für das Taxi herausnehmen

Um 6.30 Uhr sind die Untersuchungen abgeschlossen. Die Seniorin will nach Hause fahren. „Können Sie mir ein Taxi rufen?“, bittet sie die Schwester. Sie nimmt sich die Tasche vom Bett, um Geld für die Fahrt herauszunehmen. Dann ist sie wie vom Donner gerührt. Das Portemonnaie ist weg.

Auch der Taxifahrer ist perplex über so eine Tat. Maria Kämpf berichtet ihm an der Haustür, was ihr widerfahren ist als Erklärung, dass sie sich bei der Nachbarin Geld leiht. „Er war so entsetzt, dass er allein ins Johanniter zurückgefahren ist, um zu fragen, ob das Portemonnaie gefunden wurde“, erzählt Maria Kämpf.

„Das einem so etwas passiert, man fällt vom Glauben ab“

Auch ihre Freundinnen sind fassungslos. „Da fällt man vom Glauben ab. Dass einem so etwas passiert“, sagt Maria Kämpf kopfschüttelnd. „Ich kann nur jedem raten: Wer ins Krankenhaus muss, sollte das Portemonnaie zu Hause lassen.“

In der Tat ist Vorsicht beim Klinikaufenthalt angebracht. Der Polizeidirektion Ratzeburg registrierte für die Kliniken und Krankenhäuser in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg 21 Taten in Sachen Eigentumskriminalität für das Jahr 2022. In diesem Jahr sind es bis jetzt 13 Taten. Für Schleswig-Holstein hat das Landeskriminalamtes 497 Fälle für 2022 angegeben.

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Zahlen für den Bereich Rettungswagen liegen der Polizeidirektion nicht vor. Das deckt sich mit der Erfahrung von Kai Steffens, dem Geschäftsführer der Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstgesellschaft mbH. Er erinnert sich an keinen einzigen ähnlichen Fall in den vergangenen Jahren wie den von Maria Kämpf. „,Meine Brille ist weg‘, das sei hin und wieder nach einem Einsatz zu hören“, sagt er. „Aber in 99 Prozent der Fälle taucht sie wieder auf.“

Aber ob die weiße Weste weiß bleibt? „Wir haben über 300 Mitarbeiter. Am Ende sind auch wir ein Spiegel der Gesellschaft. Dagegen gefeit sind wir nicht“, meint Kai Steffens.