Geesthacht. Grünhofer Supermarkt liegt auf der anderen Seite der B5. Seniorin bei Unfall schwer verletzt. Nun wird der Bürgerverein aktiv.
Sie wollte nur kurz bei Netto in Grünhof einkaufen gehen und hätte dies beinah mit ihrem Leben bezahlt. Die Rede ist von einer 82-Jährigen aus Grünhof, die beim Versuch, die viel befahrene Bundesstraße 5 in dem Geesthachter Ortsteil zu überqueren, von einem Auto angefahren wurde. Mit Gehirnblutungen, einer stark blutenden Platzwunde am Kopf, einer gebrochenen Augenhöhle und vielen blauen Flecken am Körper lag die Seniorin eine Nacht auf der Intensivstation des Geesthachter Johanniter-Krankenhauses. Insgesamt verbrachte sie drei Tage im Krankenhaus und hat heute immer noch mit den Nachwirkungen zu kämpfen.
Der Unfall ereignete sich bereits am Sonnabend, 7. Oktober. Doch für den Bürgerverein Grünhof-Tesperhude (BVGT) war es der Anlass, sich zum wiederholten Male für eine Querungshilfe über die B5 zum Netto-Supermarkt einzusetzen. „Hier muss etwas geschehen. Wir haben immer gesagt, dass es gefährlich ist – vor allem für Ältere und Kinder. Muss denn hier erst jemand sterben, bevor etwas passiert?“ sagt Sigrid Zaruba, die Vorsitzende des Bürgervereins. Die gut 3000 Einwohner von Grünhof-Tesperhude leben fast ausschließlich südlich der B5. Nur eine Handvoll Wohnhäuser befindet sich wie der Netto nördlich der Bundesstraße.
Gefährlicher Weg zum Supermarkt führt über die viel befahrene B5
Am späten Vormittag, um kurz vor 11 Uhr, wollte das Unfallopfer die Bundesstraße in der Nähe der Bushaltestelle „Krukower Weg“ überqueren. Dabei wurde die alte Dame von einem Autofahrer übersehen, der von der gegenüberliegenden Seite aus der Grünhofer Straße nach links in Richtung Geesthacht abbiegen wollte. „Wir hatten nur Glück, dass das Auto nicht viel Power drauf hatte. Mit höherer Geschwindigkeit wäre wahrscheinlich gar nichts mehr von meiner Mutter übrig geblieben“, sagte die Tochter des Opfers.
Die Situation vor Ort ist unübersichtlich. Die Zufahrt zum Netto-Markt liegt am Krukower Weg, die Grünhofer Straße ist davon schräg einige Meter in Richtung Westen versetzt. Es gilt das innerorts übliche Tempo von 50 Kilometern pro Stunde. „Hier fahren aber fast alle zu schnell. Das ist bei einer zweiten Verkehrszählung hier auch festgestellt worden“, ergänzt Sigrid Zaruba.
Die Angaben zur Geschwindigkeit konnte die Stadtverwaltung Geesthacht nicht bestätigen. Am 14. März 2023, einem Dienstag, war besagte zweite Zählung erfolgt. Dabei ging es vornehmlich darum, die Zahl der Fußgänger zu zählen, die die B5 überqueren wollten. Mindestens 50 Querende in den Spitzenstunden eines Werktags mit durchschnittlichem Verkehr müssen gemäß der Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen erreicht werden, damit eine Querungshilfe (Bedarfsampel oder Sprunginsel) genehmigt wird. Es waren zwischen 7 und 8 Uhr aber „nur“ 18 Querende bei 719 Fahrzeugen in beiden Richtungen, von 8 bis 9 Uhr 19 Fußgänger bei 513 Fahrzeugen sowie von 9 bis 10 Uhr ebenfalls 19 Querende bei 429 Fahrzeugen – also wie bei einer Zählung im Vorjahr deutlich zu wenig Fußgänger.
Richtlinie: Zu wenig Fußgänger für eine Ampel
Dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) ist die Situation vor Ort geläufig. „Seit dem Bau des Netto-Marktes (2015, die Red.) sind unterschiedliche Querungsmöglichkeiten diskutiert worden. Zuletzt gab es im Dezember 2022 einen Antrag der Stadt Geesthacht auf Errichtung einer Fußgänger-Lichtsignalanlage“, teilt der LBV.SH auf Anfrage mit. Diese wurde mit Verweis auf die Querungszahlen abgelehnt. Einen neuerlichen Anlauf hat Geesthacht wegen der geringen Erfolgsaussicht offenbar nicht unternommen.
„Wir hatten dieses Jahr ein Gespräch mit dem Bürgermeister. Er hat gesagt, dass für die Bundesstraße das Bundesland zuständig ist und nicht die Stadt, er sich aber für eine Querung einsetzen wolle“, berichtet Sigrid Zaruba vom Bürgerverein. Bereits 2022 hatte es ein Treffen von Bürgerverein, Bürgermeister und Grünhofer Bürgern gegeben. „Wir hatten auch schon einen Ortstermin mit den Grünen, die gesehen haben, dass hier etwas gemacht werden muss“, ergänzt Zaruba vom Bürgerverein Grünhof-Tesperhude. Mit weiteren Parteien ist der BVGT in Kontakt. Auch die Supermarktkette Netto habe sich für eine Querungshilfe ausgesprochen.
Kreisverkehr bei Bebauung nördlich der B5 wieder aktuell
Einen Kreisverkehr, wie ihn der Bürgerverein präferiert, sei indes kein Instrument für eine Fußgängerquerung, sondern für einen Knotenpunkt. Und dieser würde an der Stelle funktionieren, betont der LBV.SH. Auch ein Zebrastreifen sei nicht geeinigt. Infrage kämen eine Fußgängerampel und eine Sprunginsel in der Fahrbahnmitte. Allerdings müsse der erste Schritt jetzt von Geesthacht gegangen werden, so zumindest die Auffassung des LBV.SH.
Begründung: „Die Umsetzung einer Querungsinsel in diesem Knoten ist aufgrund der Bushaltestelle und der Geometrie des Knotens sehr aufwendig und würde weitreichende Maßnahmen in die Randbereiche und die Bushaltestellen bedeuten. Eine Umsetzung durch den LBV.SH ist nicht aussichtsreich. Sollte sich die Gemeinde dessen annehmen, ist durch diese eine Planung dem LBV.SH vorzulegen.“ Bei einer Mittelinsel sind Fahrbahnbreiten von 3,5 Meter und eine Inselbreite von 2,5 Meter vorgeschrieben.
Bei einem Kreisverkehr müsste der Außendurchmesser mindestens 30 Meter plus Nebenflächen betragen. Der Versatz der einmündenden Straßen erschwert die Umsetzung. „Dafür sind beträchtliche Eingriffe in private Grundstücke nötig“, so der LBV.SH, der auf einer groben Skizze einen Kreisverkehr an der Stelle simuliert hat.
Die Stadtverwaltung teilt mit, dass ein Kreisverkehr derzeit nicht diskutiert werde, im Zusammenhang mit einer in die Zukunft gedachten möglichen Bebauung nördlich der B5 aber wieder aktuell werden könnte. Am Mittwoch, 1. November, berät der Ausschuss für Stadtplanung und Verkehr (18 Uhr, Ratssaal) in einer Sondersitzung Geesthachts Stellungnahme im neuen Regionalplan III. Und hier geht es unter anderem darum, ob künftig in Grünhof weitere Bebauung nördlich der B5 möglich wird.
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Doch das liegt allerdings in weiter Ferne. Und ob es so lange vor dem Netto ohne weitere Unfälle zugeht? Sabrina Riemann-Pirchio aus Grünhof, die bei dem Unfall mit der Seniorin als Ersthelferin noch im Krankenwagen Erste Hilfe leistete, bis der Notarzt eintraf, fragt: „Wie soll eine ältere Dame hier so schnell über die Straße kommen?“